Berlin. Kanadische Forscher haben herausgefunden: Offene Beziehungen machen genauso glücklich wie monogame. Wenn man einige Regeln befolgt.

Es ist einer dieser Momente, der wohl viele Beziehungen in eine tiefe Krise stürzen würde: Die Ehepartner Joy und Alan liegen im Bett, gerade haben sie sich gegenseitig einen Seitensprung gestanden. Dann aber fragt Joy: „Willst du wieder mit ihr schlafen?“. Alan zögert, nickt. Und Joy sagt: „Ich auch mit ihm – warum machen wir dann nicht einfach weiter so?“

Das ist der Augenblick, in dem das Paar (Toni Collette und Steven Mackintosh) aus der gerade auf Netflix gestarteten britischen Serie „Wanderlust“ sich für eine offene Beziehung entscheidet. Und auch in der US-Serie „You Me Her“ dreht sich mehrere Staffeln lang alles um ein polyamores Dreier-Pärchen.

Wer jetzt aber glaubt, das sei alles nur eine Hollywood-Fantasie und habe nichts mit der Lebenswelt da draußen zu tun, der denkt falsch: Nicht-monogame Beziehungen liegen im Trend.

Offene Beziehung: Die Hälfte aller Millennials will so leben

Nur die Hälfte der Millennials (also Menschen unter dreißig) sehen laut einer US-Studie des Instituts You.Gov überhaupt noch eine monogame Beziehung als die ideale Beziehungsform an. Alle andere können sich demnach eine offene oder eine polyamore Beziehung vorstellen.

Doch was bedeutet das genau? Während es in einer offenen Beziehung hauptsächlich darum geht, neben der Ehe oder traditionellen Zweier-Beziehung auch Sex mit anderen Menschen zu haben, ist Polyamorie (ein Kunstbegriff aus dem griechischen poly = viel und lateinischem amor = Liebe ) tatsächlich eine alternative Lebensform.

Hier geht darum, einvernehmliche und verantwortungsvolle Liebesbeziehungen zu mehreren Menschen zu haben. Parallel. Im Gegensatz zur offenen Beziehung ist hier Verlieben ausdrücklich erwünscht. Polyamore sind davon überzeugt, dass sie mehr als einen Menschen gleichzeitig lieben können. So haben Langzeitpaare mehr Spaß im Bett.

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So haben Langzeitpaare mehr Spaß im Bett

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    Ob offen oder polyamor – für viele Menschen klingt diese Beziehungsform einfach wie ein Freibrief zum Betrügen. Oder wie ein verzweifelter Versuch, die Beziehung zu retten. Denn schließlich ist laut einer You.Gov-Umfrage aus dem Jahr 2017 jeder dritte Deutsche schon mindestens einmal fremdgegangen.

    Warum also nicht einfach die Regeln ändern? Weil es zwar erst mal verlockend nach Freiheit und Abenteuer klingt, aber im Alltag nicht funktionieren kann. Allein die Eifersucht bringt einen doch um den Verstand – oder?

    Was sagt die Psychologie zu offenen Beziehungen?

    Soweit die gängigen Vorurteile, schließlich sind die meisten Menschen in monogamen Beziehungen schon unglücklich, wenn der Partner nur mit einer anderen Person flirtet.

    Doch kanadische Forscher haben jetzt herausgefunden: Stimmt alles nicht. Laut einer aktuellen Studie der University of Guelph in Ontario sind Menschen in nicht-monogamen Beziehungen genauso glücklich wie Menschen in monogamen Beziehungen.

    „Wir haben herausgefunden, dass es für die Zufriedenheit keine Rolle spielt, ob jemand in einer monogamen Beziehung lebt“, erklärt Jessica Wood, Leiterin der Studie, unserer Redaktion.

    Sie befragte 140 Menschen, die in einer nicht-monogame Beziehung leben (davon 57 Prozent in einer offenen Beziehung, 30 Prozent polyamor, der Rest waren Swinger, also Menschen, die Partnertausch und Gruppensex betreiben ). Deren Antworten verglich sie mit den Antworten von 200 Menschen in monogamen Beziehungen.

    Zuviel Druck auf den einen Partner

    „Die Struktur der Beziehung war für das Glück, das die Menschen empfanden, egal“, sagt Wood. Und erklärt das so: „Wir leben in einer Zeit, in der die Erwartungen an unsere Liebespartner enorm hoch sind: Sie sollen uns nicht nur Liebe und Unterstützung geben, sondern auch noch unsere Lust wecken und sexuelle Erfüllung liefern – und zwar während der gesamten Beziehung“. Klingt nach ziemlich viel Druck. Warum diesen also nicht auf verschiedene Personen verteilen?

    Erfahrungen aus einer offenen Beziehung

    So wie Katrin Wiesner (Name von der Redaktion geändert). Die 29-Jährige führt seit sieben Jahren einer polyamore Beziehung. „Von Anfang an haben wir uns dazu entschieden, die Beziehung zu öffnen, zunächst mit der Möglichkeit, anderen sexuellen Kontakten nachzugehen“, sagt sie unserer Redaktion.

    Daraus habe sich dann eine Polyamorie entwickelt. Ihr Partner hat seit viereinhalb Jahren noch eine andere Freundin, seit zwei Jahren hat er ein gemeinsames Kind mit ihr. Katrin selbst hatte eineinhalb Jahre lang noch einen anderen Partner.

    Die Vorteile der Polyamorie

    Die Ergebnisse der Studie von Jessica Wood überraschen sie nicht: „Wenn etwas passt, macht es glücklich“, sagt sie. Und sie sagt auch: Es komme eben einfach auf den Partner an, nicht auf die Beziehungsform.

    Der größte Vorteil für Katrin an der Polyamorie ist das Zugeständnis, keine „serielle Monogamie“ mehr leben zu müssen. „Die meisten zeigen ja schon, dass man mehr als nur einen Menschen lieben kann, sie machen es eben nur hintereinander – ich mache es parallel“, sagt sie.

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    Sex mit dem Ex? Das muss man wissen

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      Der größte Nachteil für Katrin an der Polyamorie: „Auch mein Tag hat nur 24-Stunden“, sagt sie. Man brauche ein gutes Zeit-Management, damit sich niemand vernachlässig fühlt. „Es ist immer eine Gradwanderung, das kann auch schnell mal kippen.“

      Was passiert, wenn es „kippt“ hat sie selbst erlebt: Als ihr Poly-Partner, mit dem sie eineinhalb Jahre zusammen war, sich plötzlich nur noch sporadisch meldete. „Das tat weh, aber es war seine erste Poly-Beziehung, ihn hat das Ganze überfordert“.

      Wenn die Eifersucht kein Problem ist

      Mit Eifersucht habe sie aber kaum zu kämpfen: „Ich vertraue meinem Partner sehr und ich glaube, Eifersucht ist kein Gefühl, was die Liebe bestätigt. Im Gegenteil: Es ist immer gebunden an die eigenen Verlustängste“.

      Für alle Paare, die ihre Beziehung für andere Menschen öffnen wollen, hat Katrin folgenden Tipps.

      Regeln für eine offene Beziehung

      1. Die Kommunikation darf nie abbrechen: „Man braucht eine gute Basis, sollte immer über seine Gefühle reden und an der Beziehung arbeiten“.
      2. Transparent sein: „Je mehr ich weiß, desto weniger groß sind meine Befürchtungen. Dazu gehört zum Beispiel , dem Partner zu erzählen, warum man sich für eine bestimmte Person interessiert und was man mit der Person macht.“
      3. Gutes Zeit-Management: „Man muss mit der Zeit der anderen respektvoll umgehen und aufpassen, dass jeder genügend Aufmerksamkeit bekommt.“
      4. Ein Veto-Recht einführen: „Ich muss auch mal sagen können: Jetzt triffst du dich nicht mit ihr, weil es mir gerade nicht gut geht.“