Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof klärt, wann Flugreisende bei streikbedingten Ausfällen entschädigt werden müssen. Diese Rechte haben Passagiere.
Endlich Urlaub! Aber am Flughafen geht der Ärger los – wegen Streiks herrscht Chaos, viele Verbindungen fallen aus. Passagiere haben in solchen Situationen einige Rechte.
In welchen Fällen können sie auf eine Entschädigung von der Fluggesellschaft hoffen? Das klärt der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Dienstag. (Az. X ZR 111/17)
Was ist passiert?
Am 9. Februar 2015 gibt es an drei deutschen Flughäfen Warnstreiks beim Sicherheitspersonal. In Hamburg geht fast nichts mehr: Von 24 Kontrollpunkten sind nur einer bis drei in Betrieb. Ein Terminal ist so überfüllt, dass die Polizei die Eingänge sperren muss.
Von gut 400 An- und Abflügen sind schon am Vormittag mehr als 150 gestrichen. Auch ein Ehepaar, das mit Easyjet auf die Kanaren will, hat das Nachsehen. Sein Flug wird annulliert, die Maschine startet leer nach Lanzarote.
Welche Rechte haben Reisende bei Flugausfällen?
Das ist seit 2005 in der EU einheitlich geregelt. Wer wegen eines gestrichenen Fluges länger hängenbleibt, hat beispielsweise Anspruch auf Getränke und Essen in der Wartezeit, wenn nötig auch auf eine Hotelübernachtung.
Die Airline muss die Beförderung anderweitig organisieren oder auf Wunsch den vollen Ticketpreis erstatten. Die Eheleute streiten außerdem um eine sogenannte Ausgleichszahlung.
Ausgleichszahlung – was bedeutet das?
Ein finanzieller Ausgleich steht Passagieren von der Fluggesellschaft zu, wenn ihre Verbindung stark verspätet oder überbucht ist oder kurzfristig ganz ausfällt. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Länge der Reise ab.
Bei einem innereuropäischen Flug von mehr als 1500 Kilometern – wie hier von Hamburg auf die Kanaren – sind es 400 Euro pro Person. Der Betrag halbiert sich, wenn ein Ersatzflieger die Reisenden ohne allzu große Verspätung ans Ziel bringt.
Warum zahlt Easyjet nicht?
Die Fluggesellschaften müssen nach den EU-Regelungen nicht für ein Vorkommnis geradestehen, das „auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“.
Als Beispiele nennt die Verordnung neben politischer Instabilität und widrigen Wetterbedingungen auch Streiks. Das sind aber nur Anhaltspunkte. Ob die Fluggäste entschädigt werden, ist von Fall zu Fall zu prüfen.
Was zählt als „außergewöhnliche Umstände“?
Dazu gibt es inzwischen sehr viele Urteile. Bei Schäden am Flugzeug fordert der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine Entschädigung, wenn diese auf fehlerhafte Wartung zurückgehen. Ist Sabotage der Grund oder ein Terrorakt, kann die Sache anders aussehen.
Der BGH stuft Vogelschlag als „außergewöhnlichen Umstand“ ein, die Beschädigung eines Flugzeugs durch einen rollenden Gepäckwagen dagegen nicht. Entscheidend sind immer zwei Kriterien: Gehört das Ereignis zur normalen Tätigkeit der Airline? Und: Ist es von dieser beherrschbar? Außerdem muss alles getan worden sein, um die Ausfälle zu vermeiden.
Was gilt bei Streiks?
Der BGH hat Streiks schon zweimal als „außergewöhnliche Umstände“ bewertet. Einmal ging es um Annullierungen wegen eines Streikaufrufs der Piloten-Vereinigung Cockpit, einmal um Verspätungen durch Generalstreiks in Griechenland mit zeitweiser Sperrung des Luftraums.
Der EuGH hingegen verpflichtete die deutsche Tuifly zu Ausgleichszahlungen nach sogenannten wilden Streiks. Aus Protest gegen Umstrukturierungen hatten sich massenhaft Mitarbeiter krankgemeldet. Diesen Konflikt rechneten die Luxemburger Richter der Sphäre des Unternehmens zu.
Wie stehen die Chancen in dem Streit aus Hamburg?
Bis jetzt hatten die Kläger keinen Erfolg. Nach Auffassung der Hamburger Gerichte betrafen die Warnstreiks des Sicherheitspersonals auch den Betrieb von Easyjet. Es habe die Gefahr bestanden, dass Passagiere nicht mehr mit der üblichen Sorgfalt kontrolliert würden. Dass das Ehepaar selbst rechtzeitig durch die Schleuse kam und wohl auch ordnungsgemäß kontrolliert wurde, spielt demnach keine Rolle. (dpa)