Hamburg. Das Quartier 21 in Barmbek begeisterte Familie Krämer. Nicht jedoch der lieblose Grundriss. Sie holten sich Hilfe vom Architekten.

Ganz früher, vor etwas mehr als 100 Jahren, erholten sich Tuberkulosekranke dort, wo sich heute die Bangkiraiterrasse der Familie Krämer befindet. Das belegt ein Buch aus dem Jahr 1913, das Jochen Krämer in einem Antiquariat auf der Fleetinsel gefunden hat. Dort ist ein Foto zu sehen, das Erholungssuchende in Decken gehüllt auf der Terrasse eines Klinikgebäudes auf dem Gelände des AK Barmbek zeigt.

Wir sind zu Besuch im Quartier 21, einem der größten Konversionsprojekte der Stadt Hamburg, das in den vergangenen Jahren umgesetzt wurde. Vergleichbar mit dem Projekt „Unter den Linden“ in Langenhorn, bei dem ebenfalls auf einem ehemaligen Krankenhausgelände neben vielen Neubauten auch unter Denkmalschutz stehende Gebäude fürs Wohnen umgebaut werden. Nur dass dort noch die Arbeiten laufen, während im Quartier 21 bereits ein reizvoller Mix aus Neu- und Altbauten inmitten eines parkähnlichen Geländes zu bewundern ist.

Hier haben sich Jochen und Tanja Krämer 2009 für den Kauf einer 127 Quadratmeter großen Wohnung in einem der denkmalgeschützten Altbauten entschieden. Es ist eine Wohnung im Erdgeschoss. „Wir wohnten damals am Isekai, suchten etwas zum Kaufen mit Garten“, erzählt Jochen Krämer. Ein Haus am Rande der Stadt wäre nicht infrage gekommen. „Dafür ist meine Frau zu sehr ein Stadtmensch“, erzählt der 54-Jährige.

Nachbarbebauung verschwindet hinter viel Grün

Die Entscheidung in das Quartier zu ziehen, hat die mittlerweile vierköpfige Familie nicht bereut. „Wenn hier alles grün ist, sieht man nichts mehr von den gegenüberliegenden Häuserfronten“, schwärmt Tanja Krämer. Im gut 70 Quadratmeter großen Garten der Wohnung hat sie viele kleinwüchsige Obstbäume gepflanzt. „Die Apfelbäumchen tragen gut“, freut sie sich. Auch den beiden Söhnen, Jonah, 9, und Eliah, 2, gefällt’s. Sollten die beiden mehr Raum fürs Spielen und Toben brauchen, dann können sie auf den benachbarten Spielplatz ausweichen. Auf den kann Tanja Krämer direkt vom Esszimmer und der Küche aus blicken.

Grün und idyllisch wirkt das Quartier auf dem ehemaligen Klinikgelände, in dessen Nähe sich alles befindet, was man zum Leben braucht. „Das hat uns auch von Anfang an für diesen Standort begeistert“, sagt Krämer.

Die Wohnung indes musste zunächst auf die Bedürfnisse und Wünsche der Familie zugeschnitten werden. „Der Grundriss war völlig unpraktisch. Den Anlegern, die hier eine Wohnung aus Investitionsgründen gekauft haben, mag dies egal gewesen sein. Für uns jedenfalls kam das nicht infrage“, erzählt der Hausherr. Er holte sich die Hilfe von Architekt Holger Roik. Der hatte dem promovierten Urologen zuvor die Praxis in der City neu gestaltet.

Wohnwünsche der Krämers wird erarbeitet

Zunächst wurde mit ihm zusammen erarbeitet, was das neue Heim vorhalten sollte. „Uns waren zwei Duschbäder, ein offener Wohn- und Essbereich sowie ein Schlafzimmer mit begehbarem Kleiderschrank wichtig“, erläutert Krämer. Auch sollten die mit jeweils elf Quadratmeter eher kleinen Kinderzimmer bestmöglich genutzt werden. Roik macht Vorschläge, legt Entwürfe vor. „Je enger die Rahmenbedingungen sind, um so mehr wird meine Kreativität angespornt“, sagt der Architekt und unabhängige Bauberater.

So wird in Abstimmung mit dem Denkmalschutz und den Bauherren beschlossen, die beiden gewünschten Bäder und die Küche mittig anzulegen, sodass alle anderen Räume kreisförmig drumherum zu finden sind. „Das hat den Vorteil, dass die Schlafräume gut abgetrennt vom Wohn- und Esszimmer liegen“, erläutert der 57-Jährige. Im weiteren schlägt er vor, für die beiden Kinderzimmer jeweils Hochebenen einzuplanen. „Hier haben wir uns die Raumhöhe von 3,70 Meter zu nutze gemacht“, sagt der Architekt. Maßgeschneiderte Schmiedegeländer und dazu passende Treppleitern minimieren das Risiko, dass den Kindern die Höhe zur Gefahr werden kann. „Solange Schnucki – liebevoller Kosename von Eliah, die Red. – nicht nach oben kommen kann, nutzen wir die Ebene für uns als zusätzliche Ruhezone“, erzählt Krämer und zeigt dabei auf ein gemütliches Bett mit Leselampe.

Noch im Nachhinein ist der Arzt als Wohnungskäufer verärgert darüber, wie „lieblos“ vieles seitens des Projektentwicklers – „eine Firma aus Leipzig, die aus gutem Grund Insolvenz anmelden musste“ – angedacht war. Roik zeigte sich vor allem alarmiert, als er bei der Begehung der Wohnung feststellte, dass es keine Wasserabläufe vor der Fensterfront des Wohn- und Esszimmers gab. „Überhaupt durfte man sich nicht an die Front anlehnen. Sie begann sofort nachzugeben“, erinnert er sich. Also mussten erst einmal zusätzliche Stützen und Wasserabläufe eingebaut werden. Eine Maßnahme, von der alle Bewohner im Quartier profitierten, denn nachträglich wurden ähnliche Fronten nachgebessert.

Sämtliche Einbauten werden auf Maß gefertigt

Damit der schmale Flur – hier hat der Hausherr an einer Wand die Cover seiner Lieblingsplatten eingerahmt in hellem Holz aufgehängt – wiederum besser belichtet wird, als vom Investor angedacht, wurden oberhalb der Türrahmungen jeweils Fensterglas eingebaut. Auch die Planungen für sämtliche Einbauten in der Wohnung einschließlich der Küche mit den grauen Fronten und den beidseitigen Staufächern übernahm der Hamburger Architekt.

Die Krämers sind noch heute begeistert von seiner Arbeit. „Für uns war es die beste Entscheidung, einen Profi an der Seite zu haben, der übergreifend die Planung übernimmt und alle Maßnahmen koordiniert“, sagt der Arzt.

Auch für die Lichtplanung holte sich Krämer Hilfe. In diesem Fall von Helmut Schlegel. „Für mich ist er ein Lichtgott“, schwärmt der Arzt und verweist dabei auf Finessen wie die Tageslicht vortäuschenden Oberlichter in den beiden Bädern oder die kleine Leuchte im Flur, die sich zur Nachtzeit als „magische Lampe“ entpuppt.

50.000 bis 60.000 Euro haben all diese Maßnahmen und Neuplanungen insgesamt gekostet. Für die Familie eine Investition, die sich täglich bezahlt macht. Auch Roik freut sich, dass er wieder einmal unter Beweis stellen konnte, wie Architekten Bauherren vor Schaden bewahren können. „Immer wieder stelle ich auch in meiner Tätigkeit als Bauberater fest, dass viele Menschen sich zu leichtgläubig in die Hände von Bauträgern und Projektentwicklern begeben.“

Wohnungen entstanden auch in der ehemaligen Frauenklinik Altona. Im Rahmen der Exkursionsreihe „Weiterbauen“ erfahren Interessierte dazu mehr am 8. Juni ab 16 Uhr. Eine frühzeitige Anmeldung ist erwünscht, wie der BDA Hamburg mitteilt. Das gesamte Programm ist unter http://www.bda-hamburg.de abrufbar.