Sport fördert die Gesundheit, oft ist aber der innere Schweinehund im Weg. Wie Psycho-Tricks diesen besiegen können.
Gehören Sie auch zu den 55 Prozent der Deutschen, die sich für 2015 vorgenommen hatten, mehr Sport und Bewegung in den Alltag zu integrieren? Diese Zahl hat die Krankenkasse DAK-Gesundheit vor einigen Monaten nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts Forsa veröffentlicht. Sportmediziner und Psychologen geben Tipps, wie Bewegung für alle Altersgruppen in den Tag kommen kann und was man nach einer langen Phase ohne Sport beachten sollte. Sich mehr Sport und Bewegung vorzunehmen, ist das Eine.
Diesen Vorsatz dann aber auch umzusetzen, ist etwas anderes. Vielleicht war der Vorsatz aber einfach nur zu unkonkret: „Mit allgemeinen Plänen wie ,ich möchte mehr Sport machen’ scheitern die meisten“, sagt Daniela Zahn von der Abteilung Gesundheitspsychologie der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Die Psychologin empfiehlt, möglichst genau zu planen und nicht zu viele neue Vorgaben auf einmal einführen zu wollen. „Ein Plan könnte zum Beispiel sein: ‚Ich gehe montags, mittwochs, freitags um 7.20 Uhr joggen.‘“ Der nächste Schritt sei, mögliche Hindernisse zu bedenken. „Was mache ich bei Regen? Habe ich die richtige Kleidung? Brauche ich vielleicht Begleitung, um mich zu motivieren?“ Und sich dann gut vorzubereiten, um nicht gleich beim ersten Regentropfen wieder eine Ausrede zu haben.
Den inneren Schweinehund überwinden – Wenig Bewegung reicht schon aus
Sich die möglichen Hindernisse vorab bewusst zu machen, könnte den einen oder anderen vielleicht erst recht abschrecken. Doch die Motivationspsychologin Gabriele Oettingen rät ebenfalls dazu, die Analyse dieser Hürden zu nutzen. Die Professorin für Psychologie an der Universität Hamburgund der New York University hat eine Methode entwickelt, die „Mentales Kontrastieren“ heißt. Das bedeutet, sich die Zukunft positiv vorzustellen (zum Beispiel: Ich mache regelmäßig Sport, nehme ab und fühle mich wohler) und dann einem „Hindernis-Check“ zu unterziehen. „Unsere Forschung zeigt, dass es nicht reicht. Sich die Zukunft positiv vorzustellen, anders als in vielen Selbsthilfebüchern suggeriert wird, nach dem Motto ‚denke positiv, dann schaffst du alles‘. Erst wenn ich weiß, was mich wirklich abhält, komme ich weg von den Ausreden und kann dieses Hindernis konkret angehen.“
Viele wissen nicht, wie wenig Bewegung am Tag schon ausreicht
Mit ihrem Kollegen Peter Gollwitzer hat die Psychologin das „mentale Kontrastieren“ ergänzt, um direkt in die Planung überzugehen – und zwar mit „Wenn-dann-Sätzen“. Solch ein Satz könnte zum Beispiel lauten: „Wenn ich morgens aufstehe, dann ziehe ich mir gleich die Laufkleidung an und gehe joggen.“
Doch wer noch nie Sport gemacht hat, dem wird das Beherzigen der Tipps womöglich immer noch schwer fallen. „Es gibt Menschen, die sich nicht gerne bewegen. In deren Köpfen gilt Sport als Trillerpfeifen und harte Arbeit“, sagt der Sportmediziner Klaus-Michael Braumann vom Institut für Bewegungswissenschaft an der Uni Hamburg. Die allermeisten Menschen seien nicht sich nicht im Klaren darüber, wie wenig Bewegung am Tag schon ausreiche, um ausreichend positive Effekte auf Herzkreislauf-System, Stoffwechsel, Osteoporose, kognitive Fähigkeiten oder den Umgang mit Stress zu erzielen.
Für die Heilkraft durch Bewegung gibt es verschiedene Erklärungsansätze: „Eine Erklärung ist, dass sich im Bauchfett um die inneren Organe herum Botenstoffe ansammeln bei Inaktivität, ich nenne sie ‚bad guys‘“, sagt Braumann. Diese könnten Entzündungen auslösen und zu der Entstehung von chronischen Krankheiten wie Herzkreislauf-Leiden oder Diabetes beitragen. „Durch Muskelaktivität entstehen wiederum andere Botenstoffe, „good guys“, die der negativen Wirkung entgegen treten.“ In welchem Ausmaß jedoch das Bauchfett an bestimmten Krankheiten beteiligt ist, ist noch Gegenstand der Forschung.
Was ist das richtige Maß an Sport?Das Amerikanische College für Sportmedizin gibt Empfehlungen, wie viel Training pro Woche gesunde Erwachsene fit hält: Fünfmal die Woche eine halbe Stunde moderates Ausdauertraining für Herz und Kreislauf, zwei Mal die Woche Krafttraining für möglichst viele Muskelgruppen. Ganz schön viel für den Anfang… „Das ist natürlich der Idealzustand, in der Praxis sieht das aber oft anders aus“, sagt Sabine Landau vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Gerade bei vielen älteren Menschen dürfe man die Ansprüche nicht so hoch setzen. „Wir freuen uns über jede Art von Bewegung, die jemand ausübt, sei es ein Spaziergang, die Treppe zu nehmen oder eine Stunde Gartenarbeit.“
Individuelles Training
Die amerikanische Empfehlung gelte weltweit, sagt SportmedizinerBraumann. Aber: „Auf wen eine halbe Stunde am Tag am Anfang entmutigend wirkt, der kann das Training auf mehrere Etappen verteilen“, sagt der Professorder seit 2012 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ist. „Für Menschen, die sich eigentlich zu wenig bewegen, kann der Spaziergang und das Treppensteigen schon ein kleines Ausdauertraining sein. Eine 60-jährige, übergewichtige Frau mit Diabetes hat womöglich Hemmungen, sich einer Sportgruppe anzuschließen oder loszujoggen, aber vielleicht kann sie sich einen kleinen Plan für den Anfang ausarbeiten: Jeden Tag drei Mal die Treppe bis in den dritten Stock und wieder runter gehen, obwohl sie im ersten Stock wohnt. Oder jeden Tag 15 Minuten spazieren gehen“, sagt Braumann.
Bei älteren Menschen sei es besonders wichtig, die Koordination und das Gleichgewicht zu trainieren, um die Sturzgefahr zu verringern. Die Trennung in Ausdauer- und Krafttraining (wie in den US-Empfehlungen) und womöglich noch Koordinationstraining hält Braumann bei Menschen, die sich bislang kaum bewegen, allerdings für eine akademische Frage: Wenn die 60-jährige, übergewichtige Dame mit Diabetes die Treppen in den dritten Stock mehrfach am Tag steige, dann trainiere sie Ausdauer, Kraft und Koordination zugleich. „Es geht bei Bewegung darum zu erfahren, dass man sich gut fühlt danach. Da ist es letztlich erst einmal egal, welchen Sport oder welche Form von Bewegung man wählt“, sagt Braumann. „Es soll sich ein Gefühl der wohligen Erschöpfung einstellen, und dafür muss man das richtige Maß finden.“
Schwimmen, Laufen oder Fitnesstraining – wie kann der Anfang gelingen?
Wer mit dem Laufen neu anfangen wolle, der sollte erst einmal gemütlich loszockeln, „laufen ohne zu schnaufen“, und sich dabei noch unterhalten können. Bei Kraft- und Fitnesstraining gebe es zunehmend Studios, die eine relativ gute Anleitung bieten. „Das war früher nicht immer der Fall. „Informieren Sie sich über die Ausbildung der Trainer und lassen Sie sich ein ausgewogenes Programm für die wichtigsten Muskelgruppen und die Ausdauerzusammenstellen“, rät Braumann.
Schwimmen sei für Übergewichtige und Menschen mit geschädigten Gelenken toll. „Aber nicht jeder ist eine Wasserratte, das muss man schon gut finden“, sagt Braumann. Doch wem Bewegung im Wasser Spaß macht, der kann nur davon profitieren, – auch wenn er zu den Erwachsenen gehört, die nicht oder schlecht schwimmen können,betonen Experten. Denn Schwimmhallen bieten Schwimmkurse nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene an. Gerade für Erwachsene in der zweiten Lebenshälfte könne es sehr vernünftig sein, Schwimmen zu lernen, sagt Andreas Bieder, der das Lehr- und Forschungsgebiet Schwimmen an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) leitet. „Menschen mit Problemen am Bewegungsapparat oder Gelenkverschleiß können im Wasser gut an Knien oder HüftenMuskeln und Herz-Kreislauf trainieren, bei geringer Gelenkbelastung“, sagt Bieder.
„Übergewichtige schätzen die Menschen berichten zudem, dass die Bewegung im Wasser für sie angenehmer ist, weil dieAuftriebskraft der des Wassers die überflüssigen Pfunde trägt.“ Rat vom Arzt einholen
Doch neben den beschriebenen Bewegungs-Klassikern gibt es in Hamburg sehr viele Sportangebote für alle Altersgruppen, je nach Lust und Neigung. Wer sich unsicher ist, welche Sportart die richtige ist, ob er fit genug ist oder gesundheitliche Bedenken bestehen, dem kann ein Gespräch mit seinem Arzt weiterhelfen.
Vor dem Sport zum Arzt?
Den Gang zum Arzt empfehlen Sportmediziner in bestimmten Fällen sogar. „Als Sportanfänger oder Wiedereinsteiger im Alter würde ich tatsächlich erst einmal einen Arzt fragen, ob gesundheitliche Einschränkungen vorliegen“, sagt Sabine Eichberg vom DSHS. , wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie der DSHS in Köln. Bei Beschwerden wie Osteoporose, Arthrose, Fettleibigkeit, Diabetes oder Herzproblemen könne es sinnvoll sein, sich speziellen Gruppen anzuschließen, weil dort ein abgestimmtes Training unter Anleitung angeboten werde. Gerade am Anfang sei es schwierig, die richtige Balance zwischen Anreiz für Muskeln und Herz zu bekommen, sich aber zugleich nicht zu sehr zu überlasten. Wie weh darf das Knie tun? Wie schnell darf der Herzschlag werden? Wie sehr darf ich aus der Puste kommen? Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) empfiehlt nach längeren Phasen von Inaktivität und ganz ohne Sport, eine sogenannte sportärztliche Untersuchung machen zu lassen.
„Ich möchte das Thema jetzt nicht medizinisch ausschlachten“, aber Menschen, die längere Zeit keinerlei Sport gemacht haben, haben vielleicht Anzeichen einer chronischen Erkrankungwie die Verengung von Herzkranzgefäßen, ohne es zu merken. Beschwerden treten dann bei plötzlicher Belastung auf“, sagtDGSP-Präsident Klaus-Michael Braumann. „Und nicht wenige vermeintlich fitte Leute, die sich plötzlich entscheiden, mehr Sport zu machen oder an einem speziellen Dauerlauf teilzunehmen, tendieren vielleicht eher zur Überlastung als zur Unterforderung.“
Auch wer Golf oder Tennis anfangen wolle, sollte laut dem Sportmediziner vielleicht vorher vom Arzt checken lassen, ob er Belastungsspitzen bei bestimmten Bewegungsabläufen ohne Schäden überstehen könne. Sportmedizinische Untersuchung
Zu solch einer Untersuchung gehört ein Belastungs-EKG, um zu schauen, wie das Herz auf Ausdauertrainingwie Laufen oder Radfahren reagiert. Dann könne man auch ermitteln, welcher Pulsbereich beim Training erreicht und gehalten werden solle. „Manche Menschen sind bei einem Puls von 180 quietschvergnügt, und andere sind schon bei 140 kurz vor dem Kollaps.“
Zu einer sportärztlichen Untersuchung kann demnach auch eine Untersuchung bestimmter Blutwerte gehörenaußerdem achten die Ärzte auf die Funktion der Gelenke, die nicht überlastet, aber gefordert werden sollten. Diese Untersuchungen werden laut Braumann inzwischen von verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen übernommen. In Hamburg gebe es etwa zehn Praxen, die solche Untersuchungen anbieten.