Der Klimawandel schreitet weiter fort und mit ihm eine seiner unangenehmen Begleiterscheinungen: extreme Wetterereignisse. Schon jetzt ist 2013 das Jahr mit den zweithöchsten Unwetterschäden in Deutschland.
Hamburg. Obwohl die Temperatur an der Erdoberfläche seit gut einem Jahrzehnt stagniert, schreitet der Klimawandel weiter fort und mit ihm eine seiner unangenehmen Begleiterscheinungen: extreme Wetterereignisse. Das betonten am Montag Experten von Wetterdiensten, aus der Klimaforschung und der Rückversicherung Munich Re zum Auftakt des 8. Extremwetterkongresses in Hamburg. Schon jetzt ist 2013 das Jahr mit den zweithöchsten Unwetterschäden in Deutschland; nur 2002, als die erste Elbe-Flut wütete, ergab sich mit 20 Milliarden Euro eine noch höhere Schadenssumme.
„Die Überschwemmungen in den Monaten Mai und Juni haben in diesem Jahr einen Schaden von neun Milliarden Euro verursacht“, sagt Prof. Peter Höppe, Leiter der Risikoforschung bei der Munich Re. Weitere 2,3 Milliarden Euro Schaden richteten am 27. und 28. Juli schwere Hagelschauer an. „Wir haben einen deutlichen Anstieg von Naturkatastrophen in Deutschland“, so Höppe, „um 1970 hatten wir jährlich im Durchschnitt zehn Ereignisse, inzwischen sind es 35.“ Sehr ähnlich verlaufe der globale Trend. Höppe: „Während wir bei Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüchen seit 1980 annähernd eine Stagnation sehen, haben sich Stürme mehr als verdoppelt. Überschwemmungen und Erdrutsche sowie Hitzewellen, Dürren und Waldbrände sind sogar mehr als dreimal so häufig aufgetreten.“
Die Wetterlagen in Deutschland haben sich geändert, sagte Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes. Allerdings ließen sich gerade bei den Niederschlägen die Trends nur unzureichend von Klimamodellen abbilden. „Solche lokalen Veränderungen sind nur anhand von Messungen zu erkennen. Die heutigen Radarmessungen, die erst seit rund zehn Jahren Niederschläge erfassen, können sogar Daten für einzelne Stunden erheben. Ich erwarte deshalb eine Renaissance der Wetterbeobachtung.“
Sven Plöger, Wettermoderator der ARD, sprach vom „Standwetter“ analog zum Standfußball. Während bei Letzterem die Spieler nicht vom Fleck kommen, sind es beim Wetter die Hoch- und Tiefdruckgebiete. Sie verharren häufiger länger an einem Ort und können dadurch sowohl lang anhaltende Schönwetterphasen ohne nennenswerte Niederschläge als auch wiederkehrenden Starkregen mit der Gefahr von Überschwemmungen bringen.“
Sein Kollege Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation, der den Kongress organisierte, ergänzte: „Es erscheint möglich, dass binnen weniger Wochen zwei Niederschlagsereignisse mit zwei Flutwellen eintreten können.“ Hoch- und Tiefdruckgebiete, die über Mitteleuropa sesshaft wurden, waren in diesem Sommer in Deutschland zu besichtigen. Das Tief über Zentraleuropa brachte Ende Mai/Anfang Juni die extremen Regenmengen, die vor allem an der Elbe zu Überflutungen führten, ein ebenso standhaftes Hoch die nachfolgende angenehme Sommerperiode.
Die länger anhaltenden Hochs und Tiefs entsprächen den Aussagen der Klimaforschung, so Plöger. Und auch der lange, kalte Winter passe zum Klimawandel. „Viele Menschen fragen sich, wie es dazu kommen kann, wenn gleichzeitig die winterliche Eismasse in der Arktis seit 35 Jahren deutlich zurückgegangen ist. Aber das lässt sich mit geänderten Strömungsverhältnissen des sogenannten Jetstreams erklären, durch die mehr Kaltluft zu uns floss. Generell widersprechen kalte Winter nicht dem Erwärmungstrend, natürlicherweise gibt es von Jahr zu Jahr starke Schwankungen.“
Die Tatsache, dass die Temperaturen an der Erdoberfläche seit gut einem Jahrzehnt auf hohem Niveau stagnieren, werde immer wieder zum Anlass genommen, um den Klimawandel zu negieren, bedauerte Prof. Mojib Latif von Geomar, dem Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. „15 Jahre ohne weitere Erwärmung ist nichts Außergewöhnliches, das beobachten wir immer wieder im Temperaturverlauf. Das Klimasystem ist chaotisch, da können Sie keinen gradlinigen Trend erwarten.“
Mehrere Arbeiten, die gerade publiziert worden seien, befassten sich mit der Ursache der Erwärmungspause so Latif. Sie zeigten: „Die Erderwärmung an der Oberfläche ist kein guter Parameter für den Klimawandel. Denn Ozeane nehmen Wärme nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in großen Tiefen auf.“ Dadurch steige der Meeresspiegel weiter.
Weitere Fakten zum Klimawandel werden am Freitag präsentiert. Dann wird der Weltklimarat IPCC seinen nächsten Bericht zum naturwissenschaftlichen Kenntnisstand vorlegen. Das Plateau in der Temperaturkurve werde kaum eine Rolle spielen, sagte Latif: „Die Forschungsergebnisse dazu sind so neu, dass sie nicht mehr in den Bericht einfließen konnten.“