Saalfeld will auf kuriose Weise Kosten beim Energieverbrauch sparen. Wer eine beleuchtete Straße haben möchte, muss nur vorher anrufen.

Saalfeld. Plötzlich wird es finster: Seit einigen Monaten gehen um 22.30 Uhr im Ortsteil Remschütz von Saalfeld (Thüringen) die Lichter aus – zumindest an den Straßen. Wer später nach Hause kommt oder mit dem Hund noch Gassi gehen muss, der kann per Telefon das Licht an den Straßen für eine Viertelstunde anknipsen. Zuvor waren in den drei Testwohngebieten die Straßenlampen nachts durchgängig abgeschaltet.

Saalfelds Bürgermeister Matthias Graul (parteilos) ist zufrieden: „Im Vergleich zur vorherigen Komplettabschaltung gibt es nur noch wenige kritische Stimmen.“ Die Stadt kann trotzdem Energie sparen und zugleich einen Beitrag für die Umwelt leisten. So soll das Projekt kommendes Jahr auf mehr Straßen ausgeweitet werden.

Nicht nur Privatleute ächzen unter den steigenden Strompreisen - auch die Kommunen. Nach den Sozialausgaben seien die Kosten für Energie der zweitgrößte Posten, erläutert Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. „Strompreiserhöhungen schlagen da enorm ins Kontor.“ Allein 900 Millionen Euro zahlen die Kommunen für die Straßenbeleuchtung. „Das Zauberwort heißt intelligente Lichtsteuerung“, sagt der Experte.

Berechnungen zufolge könnten so etwa 400 Millionen Euro eingespart werden. Dabei geht es etwa um Sensoren, die Lampen bei geringem Verkehr herunterdimmen, und den Einsatz von energiesparenden LED-Leuchten. Die sind jedoch teuer. Etwa acht bis zehn Jahre dauere es, bis sich die Kosten für LED-Beleuchtung amortisiert hätten, so Düsterdieck. Neben einem geringerem Energieverbrauch wird ihnen eine höhere Lebensdauer und damit weniger Wartungsaufwand nachgesagt.

Auch Systeme wie „Dial4Light“, auf das Saalfeld setzt, gehören dazu. Dabei werden Funkmodems in die Schaltschränke der Straßenbeleuchtung installiert. Deren Vorteil: Die Anschaffungskosten sind deutlich geringer und nach Angaben des Anbieters schon nach etwa einem Jahr wieder durch den geringeren Energieverbrauch ausgeglichen.

Zwölf Städte in Deutschland nutzen das System, das von den Stadtwerken Lemgo vor einigen Jahren entwickelt wurde – darunter Gütersloh und Borken (beide Nordrhein-Westfalen) sowie Groß-Pankow (Brandenburg). Auch in Lemgo waren Straßenlampen aus Kostengründen nachts bis auf die Innenstadt und stark befahrene Kreuzungen abgeschaltet worden, erzählt Projektleiter Frank Bräuer. Ein Bürger habe das Unternehmen dann auf die Idee der Beleuchtung bei Bedarf gebracht.

Theoretisch wäre es sogar möglich, dass die Städte von den Anrufern eine Gebühr verlangen. „Das empfehlen wir aber nicht, und das hat es bisher auch nicht gegeben.“ So fallen bei einem Anruf nur die übliche Telefongebühren an.

Städte und Gemeinden seien generell nicht verpflichtet, alle Straßen und Plätze zu beleuchten, betont Düsterdiek. So seien auch Komplettabschaltungen möglich. Experten finden diese sogar besser als Aktionen, bei denen jede zweite Laterne ausgeknipst wird. Da habe das menschliche Auge größere Probleme, sich an den ständigen Wechsel von Hell und Dunkel zu gewöhnen. Die Folge: das Risiko von Unfällen steigt.

Zudem sei es wichtig, das Sicherheitsbedürfnis der Bürger zu beachten. Das Licht etwa in Unterführungen auszuschalten, sei nicht zu empfehlen, rät Düsterdiek. Machbar seien moderne Lichtsteuerungen nicht nur in kleineren Orten, sondern auch in Großstädten. „Nachtabschaltungen an zentralen Plätzen und Straßen in Berlin oder Köln sind aber wegen des dauerhaften Verkehrs nicht sinnvoll.“

Im Saalfelder Test wurden die Straßenlampen in den drei Wohngebieten nach Angaben der Stadt 1,5 bis 2,8 Mal pro Nacht für jeweils 15 Minuten angeknipst. Statt gut 13.000 Minuten leuchteten die Lampen in dem halben Jahr nur knapp 1900 Minuten. Die Polizei hat keine Häufung von Unfällen und Kriminalität festgestellt.

Aktuell prüft die Stadt, welche Straßen und Plätze noch für das Projekt geeignet sind. Im kommenden Jahr will sie so nur etwa 300.000 Euro statt der prognostizierten 390.000 Euro für den Strom der Straßenlampen ausgeben. Zugleich sollen laut Bürgermeister Graul Hürden für die Nutzung der Straßenbeleuchtung abgebaut werden. So sollen sich Anrufer künftig nicht mehr vorab registrieren müssen, um das Licht per Telefon anknipsen zu können.