Microsoft führte vor dem iPhone den Smartphone-Markt an, das ist lange vorbei. Inzwischen dümpelt der Softwarekonzern bei einem Marktanteil von unter 4 Prozent herum. Nun sollen ein neues Betriebssystem und strategische Partner die Wende einleiten.
San Francisco/München. Über die Neuheiten von Microsoft kann man in diesen Wochen leicht den Überblick verlieren. Ein neues Windows 8 für PCs und Tablet Computer, eine eigene Hardware mit dem Tablet „Surface“, einen neuen Unterhaltungsdienst „Xbox Music“. Und nun legt Microsoft nach und bringt zusammen mit Partnern wie Nokia, Samsung, HTC und Huawei ein neues Smartphone-System auf den Markt. Windows Phone 8 ist technologisch eng mit dem eigentlichen Windows-System verbunden und soll nach den Vorstellungen von Microsoft ein erfolgreiches Ökosystem begründen, das gegen die bislang dominanten Player Google und Apple bestehen kann.
Mit dem Produktstart von Windows Phone 8 wagt Microsoft innerhalb von zwei Jahren zum zweiten Mal einen Neuanfang. Im Herbst 2010 wurde der Vorgänger Windows Phone 7 eingeführt, das erstmals das markante Kachel-Design auf den Smartphone-Bildschirm brachte. Unter der Haube steckte aber noch der Systemkern der betagten Software Windows CE. Der Erfolg am Markt hielt sich für die Windows Phones – dieser Markenname wurde im Oktober 2009 eingeführt – in engen Grenzen, auch weil der strategische Partner Nokia noch mitten in Restrukturierungsarbeiten steckte und das Angebot von Apps im Microsoft-Store noch sehr übersichtlich war.
Das neue Systems dagegen ist quasi der kleine Bruder des großen Desktop-Systems Windows 8, so dass es künftig Millionen von Windows-Entwicklern leicht fallen solle, Smartphone-Varianten ihrer Apps zu programmieren. Mit dem strategischen Richtungswechsel kann Microsoft auch bewährte Technologien wie die Verschlüsselungslösung BitLocker ohne großen Aufwand von der PC-Welt auf das Smartphone holen. „Wir hören eigentlich zum ersten Mal, wie Windows Phone nun Teil dieses Microsoft-Ökosystems ist“, sagt Michael Gartenberg, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Gartner.
Für private Anwender gehören die Spielkonsole Xbox, die neuen Unterhaltungsdienste unter der Xbox-Marke sowie die Cloudlösung SkyDrive zu diesem Gesamtsystem. Bei gewerblichen Anwendern stehen andere Themen wie die Produktivitätssoftware Microsoft Office und Sicherheitsfeatures wie BitLocker im Vordergrund.
Für einen erfolgreichen Neuanfang werden diese neuen Akzentsetzungen aber nicht ausreichen. Im Gegensatz zum PC-Markt kann Microsoft bei den Smartphones nämlich nicht von einer unangefochtenen Führungsposition aus agieren und auf einen Masseneffekt setzen. Microsoft befindet sich in der ungewohnten Position eines Davids, der es sogar mit zwei Goliaths – Google und Apple – aufnehmen muss.
Um die eigene Position in der Auseinandersetzung mit den beiden übermächtigen Smartphone-Giganten zu stärken, haben sich die Microsoft-Manager im ersten Schritt ein leichteres Opfer ausgesucht, nämlich RIM. Der Hersteller des bei vielen Geschäftsleuten äußerst populären Blackberry befindet sich seit Monaten auf dem absteigenden Ast und hat Schwierigkeiten, eine seit langer Zeit geplante Erneuerung seines inzwischen veralteten Systems umzusetzen - Blackberry 10 wird nun für Anfang kommenden Jahres erwartet. Mit Windows Phone 8 (WP8) kann Microsoft RIM nun bei Business-Lösungen besser Paroli bieten und dürfte mit seiner übermächtigen Vertriebsmannschaft dafür sorgen, dass in vielen Firmen und Organisationen bestehende Blackberry-Installationen von den IT-Chefs durch WP8 abgelöst werden.
Im Kampf um die privaten Kunden hat Microsoft vor allem das Android-Segment im Visier haben. Die Anwender des Google-Betriebssystems gelten als weniger loyal zu einer bestimmten Marke als die Fans von Apple. Außerdem sind Hersteller von Android-Phones wie Samsung und HTC dem Vernehmen nach nicht unglücklich, dass mit Windows Phone eine Alternative zu Android zur Verfügung steht, damit die Abhängigkeit von Google nicht zu stark wird. Ähnliche Argumente hört man auch aus den Reihen der Telekommunikations-Provider, die sich eine bessere Verhandlungsposition erhoffen, wenn in den Smartphone-Markt noch mehr Wettbewerb kommt.
Die Provider entscheiden mit ihrem Verkaufspersonal in den Telefonläden und ihren Bundle-Angeboten online in einem erheblichen Ausmaß darüber, mit welchem Smartphone die Kaufinteressenten nach Hause gehen. Daher ist der Marktstart von Windows Phone 8 auch eine Bewährungsprobe für den ehemaligen Microsoft-Deutschland-Chef Achim Berg, der inzwischen in Redmond für die Beziehungen zu den Telkos weltweit verantwortlich ist. Sollte das Smartphone-Konzept von Microsoft aufgehen, dürfte der rasante Aufstieg des ehemaligen Telekom-Managers in Redmond noch nicht sein Ende gefunden haben. Sollten sich die Erwartungen an Windows Phone nicht erfüllen, könnte es nicht nur für Berg, sondern auch für Konzernchef Steve Ballmer eng werden.