In den Augen lässt sich die sexuelle Orientierung eines Menschen ablesen - und zwar an der Weitung der Pupillen. Das zeigt eine Studie US-amerikanischer Forscher.
Washington. "Schau mir in die Augen und dann schau in mein Gesicht", schmetterte einst Juliane Werding in ihrem Hit "Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst". Was die deutsche Sängerin 1975 aber wohl noch nicht wusste: In den Augen lässt sich die sexuelle Orientierung eines Menschen ablesen - und zwar an der Weitung der Pupillen. Das zeigt eine Studie US-amerikanischer Forscher. Sie hatten bei 325 Frauen und Männern die unwillkürliche Pupillenreaktion gemessen, während diese sich erotische Videos mit Frauen oder Männern anschauten.
Bei heterosexuellen Männern und Frauen weiteten sich die Pupillen beim Anblick des jeweils anderen Geschlechts. Homosexuelle Versuchspersonen zeigten eine deutliche Pupillenreaktion, wenn sie Angehörige des eigenen Geschlechts in erotischen Situationen sahen. Die Studie belege erstmals an einer größeren Zahl von Personen, dass die Pupillenreaktion eine messbare Auskunft über die sexuelle Orientierung geben könne, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“ (doi:10.1371/journal.pone.0040256).
Dass sich die Reaktion auf das jeweils andere Geschlecht bei hetero- und homosexuellen Menschen unterscheidet, ist nicht neu. Aber belegen ließ sich das bisher nur über mündliche Befragungen oder über Sensoren direkt an den Genitalien – keine sehr angenehme Prozedur. „Wir wollten eine weniger invasive Methode finden – und die Pupillenreaktion ist genau dies“, erklärt Erstautor Gerulf Rieger von der Cornell University in Ithaca. Denn damit könne man auch die sexuelle Orientierung von Menschen erforschen, die nie an der unangenehmen Messung der genitalen Erregung teilnehmen würden.
Mit Hilfe der Pupillen-Methode lasse sich jetzt beispielsweise besser als zuvor erforschen, wie die sexuelle Orientierung bei Naturvölkern oder anderen traditionellen Kulturen sei, schreiben die Wissenschaftler. Das sei beispielsweise wichtig, um zu erfahren, wie sich die sexuelle Orientierung in verschiedenen Populationen weltweit unterscheide. Das könne dann auch wertvolle Aufschlüsse über die biologische Basis der menschlichen Sexualität geben.
Aussagekraft der Pupillenreaktion war bisher unklar
Schon zuvor vermutete man, dass die unwillkürliche Reaktion der Augen sich bei Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung unterscheidet. Wissenschaftliche Belege habe es dafür aber zuvor nicht gegeben, sagen die Forscher. Für ihre Studie hatten sie 160 Frauen und 165 Männer zunächst zu ihrer sexuellen Orientierung befragt. Vertreten waren dabei neben hetero- und homosexuellen auch bisexuelle Personen.
Anschließend zeigten die Wissenschaftler den Probanden kurze Videoausschnitte, auf denen entweder eine neutrale Szene zu sehen war oder aber ein Mann oder eine Frau in einer erotischen Situation. Währenddessen registrierte eine spezielle Kamera sowohl die Augenbewegung und Blickrichtung als auch die Weite der Pupillen des Betrachters.
Männer sind mehr „bi“ als gedacht
Die Auswertung zeigte, dass die Pupillenreaktion sehr genau verriet, von wem sich die Probanden stärker angezogen fühlten. „Wenn eine Versuchsperson im Laufe der 45-minütigen Testphase immer die gleiche unwillkürliche Reaktion auf die Bilder beispielsweise von Männern zeigt, dann spricht dies dafür, dass dies ein verlässliches Signal ist“, schreiben die Forscher. Nicht immer stimmte die Reaktion der Pupillen dabei mit dem überein, was die Probanden zuvor in der Befragung angegeben hatten: Bei einigen Männern und Frauen, die sich selbst als heterosexuell bezeichneten, weiteten sich die Pupillen auch deutlich beim Anblick von Angehörigen ihres eigenen Geschlechts.
Dieses Ergebnis widerlege vor allem Vorurteile über die Sexualität von Männern, berichten die Forscher. Denn bisher glaubte man, dass sich nur heterosexuelle Frauen auch vom eigenen Geschlecht angezogen fühlen können. Bei Männern, so dachte man, gebe es eine sehr viel klarere Trennung zwischen homo- und heterosexuell. Doch das stimme nicht, sagen die Forscher. „Wir können eindeutig belegen, dass es nicht nur Frauen mit flexiblem sexuellem Begehren gibt“, sagt Koautor Ritch Savin-Williams. Auch bei Männern gebe es fließende Übergänge. „Wahrscheinlich reicht selbst die Einteilung in schwul, heterosexuell und bi nicht aus, um diese Abstufungen zu erfassen“, konstatiert der Forscher.
Mit Material von dapd