Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina sieht die weitere Nutzung von Bioenergie äußerst kritisch. Sie könne als nachhaltige Energiequelle für Deutschland heute und in Zukunft keinen quantitativ wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten.
Berlin. Bioenergie kann nach Einschätzung führender Wissenschaftler bei der Energiewende nur eine untergeordnete Rolle spielen. In einer am Donnerstag vorgestellten Studie kommt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu dem Schluss, dass entgegen der Regierungspläne auf den Ausbau der Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen verzichtet werden sollte. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energiequellen wie Sonnen- und Windenergie verbrauche Bioenergie mehr Fläche und sei häufig mit höheren Treibhausgasemissionen und Umweltbeeinträchtigungen verbunden. Das Bundesumweltministerium erklärte, es setze weiter auf Biokraftstoffe. Der Biokraftstoffverband warf den Wissenschaftlern vor, sie würden die Vorteile von Biokraftstoffen verkennen.
Die Wissenschaftler kratzen am klimaneutralen Image der Bioenergie. Zwar stimme es, dass bei der Bildung von Biomasse prinzipiell so viel klimaschädliches Kohlendioxid aufgenommen wie später bei der Verbrennung wieder freigesetzt werde. Damit die Pflanzen aber gediehen, müssten sie gedüngt werden. „Düngung führt allerdings zu Emissionen von Stickstoff-basierten Treibhausgasen“, heißt es in der Studie. Diese Gase hätten ein höheres Erwärmungspotenzial als Kohlendioxid.
Einen weiteren Minuspunkt sehen die Autoren der Studie im umfangreichen Import vor allem von Futtermitteln. Dabei wird die Rechnung aufgemacht, dass auf mehr deutschen Feldern Futtermittel angebaut würden, wenn dort nicht Energiepflanzen kultiviert würden. Durch die Importe von Futtermitteln und anderer Biomasse würden aber die Risiken einer intensiven Landwirtschaft exportiert.
Der Studie zufolge wurden 2010 in Deutschland sieben Prozent des Primärenergieverbrauchs durch Biomasse und landwirtschaftlichen Abfällen gedeckt. Ohne die Biomasseimporte wären es weniger als drei Prozent gewesen.
Die Wissenschaftler monieren auch, dass bei der Bilanz der Bioenergie nicht berücksichtigt wird, wie viel Kohlendioxid bei Verarbeitung und Transport von Biomasse anfällt. Und schließlich würden die Monokulturen etwa von Mais – der energiereichsten Nutzpflanze – die Artenvielfalt auf dem Land bedrohen mit negativen Folgen für den Umweltschutz insgesamt.
Die Experten empfehlen der Bundesregierung, beim Ausbau erneuerbarer Energien auf Solar- und Windenergie zu setzen und Energiesparmaßnahmen voranzutreiben. Im Bereich der Bioenergie sollte nur jene Energiegewinnung gefördert werden, die nicht zur Verknappung von Nahrungsmitteln führt oder Preise für Land und Wasser hochtreibt.
Das Bundesumweltministerium erklärte, Teil der Energiewende sei der Ausbau der Bioenergie. Bereits 2009 seien Maßnahmen gegen Nutzungskonflikte etwa mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln eingeleitet worden. Die Studie sei aber ein wertvoller Diskussionsbeitrag. Auch das Agrarministerium erklärte, nachwachsenden Rohstoffen komme eine große Bedeutung zu. Ziel müsse es sein, die Verwertung von Lebens- und Futtermittelabfällen sowie von Abwasser zu verbessern.
Der Biokraftstoffverband monierte, die Wissenschaftler berücksichtigten bei ihren Überlegungen nicht, dass es keine Alternative zum Biokraftstoff beim Ersatz fossiler Brennstoffe gebe. Außerdem unterliege die Produktion von Biomasse für Biokraftstoffe Beschränkungen, so das dafür etwa keine schützenswerte Flächen wie Torfmoore verwandt werden dürften.
Die Bioenergie macht in Deutschland knapp 70 Prozent des Aufkommens aller erneuerbaren Energien aus. Der größte Anteil entfällt auf Holz. Mehr als 14 Prozent des erneuerbaren Stroms und fast zwölf Prozent der erneuerbaren Wärme werden derzeit aus Biogas gewonnen.
Die Studie wurde von zwanzig namhaften Wissenschaftlern der Arbeitsgruppe Bioenergie der Leopoldina verfasst. Die Leopoldina ist dem Gemeinwohl verpflichtet und steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Sie berät Politik und Wirtschaft in wissenschaftspolitischen Fragen. Mit der Energiewende will die Bundesregierung aus der Atomenergie aussteigen und muss deswegen die Stromgewinnung aus anderen Energiequellen ausbauen. (rtr)