Viele Menschen wissen nicht, was sie mit ihrer Freizeit anfangen können. Hier finden sie Tipps und Anregungen.
Töpfern, mit Pappmaschee arbeiten, nähen, Steine bearbeiten, zeichnen, malen oder sich einfach erst mal nur aufs Sofa setzen. Es gibt viele Möglichkeiten im Atelier von Vera Wessel-Zell. Erwachsene, Jugendliche und Kinder kommen in ihr Kreativ-Atelier in Lokstedt. Der Künstlerin Wessel-Zell sind Vielfalt, aber auch Ruhe und Harmonie wichtig: "Nur so kann man zu seiner ureigensten Kreativität finden."
Diese Verbindung ist vielen Menschen verloren gegangen. Sie wissen häufig nicht mehr, was ihnen Spaß machen würde, wenn sie Zeit hätten. "Gerade wir Deutschen sind in der Freizeit eher passiv - man kommt von der Arbeit, isst etwas und lässt sich dann vor dem Fernseher berieseln", sagt Ulrich Reinhardt, Freizeitforscher und wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Aktivitäten werden meist aufs Wochenende verschoben, aber das ist bereits verplant - mit Einkaufen oder Dingen, die erledigt werden müssen. Wie eine aktuelle Studie der Stiftung ergab, treibt nicht einmal jeder Dritte einmal pro Woche Sport, nur jeder Vierte trifft sich außer Haus mit Freunden.
Gleichzeitig wünschen sich viele Menschen mehr Freizeit. Bei der Vielzahl an Angeboten, die Hamburg bietet, heißt es, gezielt eine Auswahl zu treffen. Und da gehen die Meinungen besonders in der Familie häufig auseinander. Es kommt zu Missstimmung. "Man könnte bereits im Vorfeld festlegen, wer entscheidet, was gemacht wird, und jeder ist mal dran", rät Reinhardt. Dann müssen alle zum Rodeln, dafür können sie das nächste Mal bestimmen.
Dabei sind Besserverdienende nahezu doppelt so aktiv wie Geringverdiener. Das legt den Schluss nahe, dass viele Aktionen schlichtweg zu teuer sind. "In der Tat fehlt vielen Geringverdienenden das Geld, um ebenso häufig ins Theater zu gehen oder Sportveranstaltungen zu besuchen. Jedoch sind die Besserverdienenden auch sportlich doppelt so aktiv, beschäftigen sich mehr mit der Familie oder lesen mehr", sagt der Freizeitexperte.
Dennoch: Ein Blick auf die Seiten der Volkshochschul-Angebote zeigt: Am Geld muss es nicht scheitern. Kochen wie Jamie Oliver steht auf dem Programm, dazu Literatur und kreatives Schreiben, Musik, Singen, Goldschmieden, Tanz, Theater, Bildhauerei - oder iPad-Kurse in der "vhs-Multimedialounge".
Auch der Verein sportspass bietet nicht nur günstige Trainingsmöglichkeiten, sondern auch kulturelle Aktionen. Und auch wenn der Nachwuchs sich nur meuternd von der Spielkonsole weg ins Freie locken lässt: Ein Waldspaziergang als Schnitzeljagd oder Schatzsuche getarnt hat gleich einen viel größeren Reiz. Auch hier ist wieder die Kreativität gefragt.
Nicht ganz so günstig, aber sicher attraktiv sind Freizeit- oder Lifestyleklubs, die sich von reinen Fitness-Studios immer mehr zum "zweiten Wohnzimmer" mit Rundum-Versorgung wandeln. Während Kinder in den meisten privaten Fitnessklubs eher eine Randerscheinung sind oder bestenfalls im klubeigenen Kindergarten geparkt werden, richtet sich zum Beispiel das neue Aspria Uhlenhorst mit seinem Angebot ausdrücklich auch an Familien.
Nach dem Motto "Lieber etwas schlechter selbst gemacht als gut gekauft" kann man sich auch Anregungen holen, zum Beispiel auf der Messe "Kreativ Hamburg!". Die nächste Schau ist vom 24. bis 26. August 2012 in Hamburg-Schnelsen. Dort findet man bunte Wolle, Papiere, Stoffe, Karten und alles rund ums Selbermachen. "Das Publikum ist sehr gemischt. Es kommen auch sehr viele junge Besucher, viele Mütter, die mit ihren Kindern etwas gemeinsam machen wollen", sagt Steffi Kranawetter von der Kreativmesse. Noch mehr Inspiration gefällig? Am besten mal die ausgetretenen Trampelpfade verlassen und die Stadt auf kreative Weise selbst erkunden, Hinterhöfe entdecken oder einfach mal in einen Stadtteil fahren, in dem man sonst eigentlich nie ist.
Auch Steppenwölfe müssen die Zeit nicht einsam vor dem Fernseher verbringen. Das erste Mal, dass Kerstin Leuchtmann an einer organisierten Unternehmung teilnahm, war vor einigen Jahren beim Hamburger Schlagermove. "Das hat mir so gut gefallen, da bin ich dabeigeblieben". Heute leitet sie den freizeit-treff für die Region Hamburg. Unter www.freizeit-treff.de können Interessierte sich registrieren lassen und für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag an organisierten Veranstaltungen, Ausflügen und Reisen teilnehmen. Unter den bundesweit rund 3000 Mitgliedern sind ihren Angaben zufolge auch viele Menschen, die sich gerade getrennt haben oder neu in der Stadt sind und noch keinen Anschluss haben. "Wir sind aber keine Partnerbörse, sondern ein Freizeitklub", sagt Leuchtmann. 30 Aktionen werden monatlich angeboten, gemeinsam geht es zum Tanzen, Wandern, ins Theater, Oper, Kino oder zum Rosenmontag gemeinsam nach Köln.
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Warum eigentlich nicht die Frühjahrsmüdigkeit mit einem selbst gemachten frühlingsfrischen Wandanstrich vertreiben statt sie als Ausrede für Nichtstun zu benutzen? Baumärkte bieten kostenlose Heimwerkerkurse an. Hornbach richtet sich dabei besonders auch an Frauen. Dort können sie beherzt zum Bohrer greifen. Selbst größere Renovierungsarbeiten müssen keine Männerdomäne sein. Und da wir schon dabei sind: Es sollen auch schon Männer in Nähkursen gesehen worden sein.
Wie aber überlistet man nun den inneren Schweinehund, wenn es ihn zur Regenerationsphase mal wieder nur aufs Sofa zieht? "Routine der Routine entgegensetzen", rät Reinhardt. "Gewohnheiten zu durchbrechen ist nicht einfach - was hilft, sind Aktivitäten, die ebenfalls zur festen Routine erklärt werden, zum Beispiel einmal die Woche Freunde treffen, einmal die Woche Sport treiben oder einmal die Woche ein Familienabend." Kreativitätscoach Hennig Prox rät hingegen eher zu spontanen Aktionen. Mal etwas Neues ausprobieren: Schlittschuhe oder Inliner leihen, wenn man das nie macht.
Bei Vera Wessel-Zell geht es im Frühjahr wieder nach draußen, mit Spraydosen bewaffnet. Dann bietet die Künstlerin zusätzlich großforma-tige bunte Streetart und Graffiti in der offenen Garage an. Das finden besonders die Jugendlichen cool und oft springt der Funke auch auf die Eltern über.