Am Montag wurde bekannt, dass die Feinstaubbelastung in Deutschland sich trotz Umweltzonen sogar verschlechtert habe - eine Medianschau.
Umweltzonen gibt es mittlerweile vierlorts in Deutschland - dennoch haben sich die Feinstaubwerte nicht verbessert. Im Gegenteil: Sie sind im Vergleich zu den Vorjahren schlechter geworden. Nachdem die Meldung gestern veröffentlicht wurde, nahmen zahlreiche Zeitungen in Deutschland Stellung zu dem Thema:
Neue Osnabrücker Zeitung: Umweltzonen allein reichen nicht
Mit bloßem Auge ist Feinstaub kaum erkennbar, die Folgen für den Menschen sind dafür umso gravierender. Dass die Belastung mit den teuflischen Staubpartikeln wieder gestiegen ist, muss alle aufschrecken, die um die Gesundheit der Bürger in Deutschland besorgt sind.
Nicht nur die primären Feinstäube während eines Verbrennungsprozesses sind dabei ein Risiko. Hochgefährlich sind besonders die sogenannten sekundären Feinstäube, Partikel also, die durch chemische Reaktionen etwa zu Schwefel- oder Stickstoffdioxid werden. Augen und Atemwege werden gereizt, Allergien wahrscheinlicher. Für mehr als zwei Drittel des Stickstoffdioxids ist der Autoverkehr verantwortlich, vor allem der Diesel- und Lkw-Verkehr.
Deshalb sind die Umweltzonen in deutschen Städten zumindest ein Anfang bei der Mission „Saubere Luft“. Mehr aber auch nicht. Denn die EU-Vorgabe verleitet zur Lethargie, getreu dem Motto: Die grüne Plakette wird’s schon richten. Aber ohne eigenes Zutun aller beteiligten Sektoren dürfte der Plan fehlschlagen.
Zunächst müssten die Besitzer von Diesel-Stinkern diese so weit wie möglich mit Filtern nachrüsten, zumal das derzeit noch gefördert wird. Zweitens sollte jeder darüber nachdenken, ob und wann er sein Auto tatsächlich in Bewegung setzt. Drittens sind auch die Bauern gefragt. Denn die Landwirtschaft trägt durch Überdüngung zur Belastung mit Stickstoffdioxid bei. Originaltext: Neue Osnabrücker Zeitung
+++trotz Umweltzonen - Feinstaubwerte gestiegen+++
Schwäbische Zeitung: Weg mit den Umweltzonen!
Falls es stimmt, dass kaum eine Methode, Feinstaub in groben Mengen zu produzieren, besser funktioniert als ein gepflegter Zigarettenkonsum, dann wäre es interessant zu erfahren, was Altkanzler Helmut Schmidt in seinem 75-jährigen Raucherleben angerichtet hat. Grob geschätzt hätte er 500 Jahre am Münchner Stachus alle um ihn herum vorhandene Luft einschnaufen müssen, um eine ähnliche innere Wirkung zu erzielen. Eine Provokation? Jawohl, eine Provokation! Aber bisweilen sind auch hanebüchene Vergleiche geeignet, hochgradige Albernheiten als solche zu erkennen.
Die 54 deutschen Umweltzonen zählen dazu. Seit gestern wissen wir, dass die Feinstaubbelastung im Vergleich zum Vorjahr wieder mal gestiegen ist. Seit Langem wissen wir, dass etwa der Pkw-Sektor mit lediglich neun Prozent am Feinstaub beteiligt ist. Seit ebenso langer Zeit wissen wir, dass Industrie, Privathaushalte, Reifenabrieb und viele andere Faktoren eine deutlich größere Rolle spielen, und dass sich vor allem das Wetter keinen Deut schert um die Beachtung der Umweltzonen. Dennoch ist diese unselige EU-Verordnung mit ihren mehr oder weniger willkürlichen Grenzwerten und ihren Strafandrohungen noch immer in Kraft. Und dennoch wird der unschätzbare Wert der Umweltzonen von geneigten Fachleuten gebetsmühlenartig betont, selbst und gerade dann, wenn die objektiven Fakten beharrlich dagegen sprechen. So etwas nennt man eine ideologiebelastete Diskussion.
Und die Moral von der Geschicht’? Man möge bitte schön rational – das heißt technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar – eine Verbesserung der Luftqualität anstreben. Die Politik darf das gern flankieren mit gesetzlichen Vorschriften, die nachvollziehbar vernünftig sind. Aber man soll es bleiben lassen, die Menschen mittels monströsem Aufwand – da hat sogar der ADAC mal recht – zu gängeln, ohne dass sich ein nennenswerter positiver Effekt einstellen würde. Die Umweltzonen gehören schlicht abgeschafft.
Originaltext: Schwäbische Zeitung
Westfalen-Blatt
„Feinstaub in der Atemluft ist eine ernste Gesundheitsgefahr. Grundsätzlich sind also alle Bestrebungen, die Belastung zu verringern, begrüßenswert. Die Umweltzonen mit Fahrverboten für angebliche oder tatsächliche Stinker haben sich allerdings als begrenzt hilfreich erwiesen. Entstanden ist ein bürokratisches Monstrum, das Besitzer älterer Autos quasi enteignet. Wenn eine Großfamilie mit ihrem Kleinbus die eigene Wohnung nicht mehr ansteuern darf, weil die Familienkutsche die Grenzwerte partout nicht mehr erfüllten kann, schlägt soziale Härte ungefedert durch. Dabei trägt der Autoverkehr nur ein Bruchteil zur Belastung in den Städten bei. Baumaschinen, Dieselloks, Lastwagen, veraltete Heizungen und nicht zuletzt die Industrie pusten ein Vielfaches in die Atmosphäre. Dabei gibt es bereits Ideen, den Lieferverkehr so zu organisieren, dass nicht jeder Speditions-Brummi die Innenstadt ansteuern muss. Bessere Bus- und Bahnverbindungen würden den Verzicht auf Autos erleichtern. Klar: Das alles würde viel mehr Geld kosten. Aber Bürokratie allein schafft eben noch keine gute Luft.“
Rheinische Post
„Die Luft in deutschen Innenstädten ist nicht besser geworden. Das überrascht: Die meisten Beobachter werden vermutet haben, dass Rußfilter, Umweltzonen und Fahrverbote längst Wirkung zeigen. Wir haben einiges dafür getan, dass der Ausstoß von Schadstoffen sinkt – vor allem Autofahrer fühlen sich gemolken. Die Bilanz der Messgeräte spricht eine andere Sprache: Seit 2007 hat sich die Belastung durch Feinstaub und Stickoxide kaum verringert. Bei bestimmten Wetterlagen atmen die Menschen in der Nähe von größeren Straßen schlechte Luft, deren Gesundheitsgefährdung bekannt ist. Wer das konsequent verhindern will, muss zu drastischen Maßnahmen greifen. Die Ergebnisse des Umweltbundesamtes motivieren zu einem Vorschlag, den niemand öffentlich machen wird. Fahrverbote bei bestimmten Wetterlagen: beispielsweise derzeit. Wenn ein Hochdruckgebiet, Autoverkehr und erhöhter Heizbedarf zusammentreffen, steigen die Feinstaubwerte. Da sollte das Auto zu Hause bleiben und die Heizung am besten aus. Was ist stattdessen sinnvoll? Wo immer Schadstoffe vermieden werden können, müssen wir das tun. Umweltschutz ist nicht mit Verboten zu erreichen, sondern mit Einsicht und verbesserter Technik.“
Südwest Presse: Kommentar zu Umweltzonen
Bloße Schikane, sagen Gegner. Vorbeugender Gesundheitsschutz geht nicht anders, meinen Befürworter. Was bewirken die Umweltzonen? Langzeitstudien belegen, dass weniger Menschen an Herz-Kreislauf- und Lungenkrankheiten sterben, wenn sie entfernt von verkehrsreichen Straßen leben. Klar ist auch: Nur der Feinstaub aus Verbrennungsprozessen ist hoch giftig. Für Reifenabrieb oder andere Staubpartikel gilt dies nicht. Experten sagen deshalb: Sinkt an stark befahrenen Straßen etwa der Dieselruß aus Fahrzeugen um 6 bis 12 Prozent, geht das Gesundheitsrisiko für die Bewohner um 30 bis 60 Prozent zurück. Allerdings muss die Umweltzone dazu ausreichend groß sein; die Ausnahmen dürfen nicht allzu großzügig vergeben werden. Dies sollten alle Kritiker prüfen, bevor sie wieder in den Satz einstimmen: Das bringt sowieso nichts. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Entstehen der einschlägigen Atemwegserkrankungen widerlegen dies zweifelsfrei, ob in Europa oder China. Als Fortschritt ist zudem zu bewerten, dass es zunehmend gelingt, Fahrzeuge zu entwickeln, die weniger Abgase ausstoßen als ihre Vorgänger. Dass dies bei Stickoxiden nur mit einer kleinen Chemieanlage funktioniert, macht klar, dass es energetisch wie ökologisch Unfug ist, wenn meist einzelne Personen ein tonnenschweres Gefährt bewegen, um von A nach B zu gelangen. Es wird Zeit, Mobilität umweltfreundlicher zu gestalten.
Originaltext: Südwest Presse
WAZ: Nur im Paket – Kommentar von Jürgen Polzin
Über Sinn und Unsinn von Umweltzonen wird nun wieder gestritten. 2011 gab es mehr Feinstaub in den Städten, sagt die Statistik des Umweltbundesamtes. Ganz vorne liegen die Straßenschluchten in Revier, wie in Gelsenkirchen oder Herne. Mehr Staub, trotz Fahrverboten? Ist das der Beweis dafür, was Kritiker von Umweltzonen, angeführt von den Lobbyverbänden der Autofahrer, immer schon ahnten: Nutzen gleich null? Umweltzonen haben Wirkung, doch ist das von vielen Faktoren abhängig. In Berlin, wo anders als hier im Revier nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette fahren dürfen, hat die Belastung abgenommen. Doch übertragen lässt sich das schlecht. Im industriellen Ballungsraum Ruhrgebiet ist die Grundbelastung mit Staub höher. Es gibt Orte, an denen die Industrie oder Haushalte mehr Probleme verursachen als Autos. Und es gibt Wetterlagen, bei denen Fahrverbote sinnlos sind, weil der Luftaustausch nicht stattfindet. Umweltzonen sind kein Allheilmittel, keine Allzweckwaffe, sondern nur ein Instrument. Dem Ruhrgebiet, das täglich dem Verkehrsinfarkt nahe ist, hilft langfristig nur ein Gesamtpaket, das alle Verursacher in die Pflicht nimmt.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung