“Abendblatt Sonntags“-Reporterin lernt in Hamburgs erstem privaten Poker-Klub das Zocken und Bluffen.

Aus jedem Blatt kann etwas werden. "Deshalb sollte man nicht voreilig die Flinte ins Korn werfen", erklärt mir Stephan Kolba (33), Mitinhaber von "Fish Hooks", dem ersten privaten Poker-Klub in Hamburg. Sehr privat wirkt das Interieur im ehemaligen Cafe Lago an der Großen Elbstraße allemal. Gedämpftes, warmes Licht, Loftcharakter, authentische Pokertische mit grüner Samt-Oberfläche und gepolsterten Rändern.

Das Fish Hooks hat eine sehr intime, fast konspirative Atmosphäre an diesem Sturmflut-Donnerstag. An der Bar sitzen zwei Leute. Nur zwei der etwa zehn Pokertische sind mit Spielern besetzt. Gut, denke ich mir, genau der richtige Abend, um Pokern zu lernen. Dafür bin ich hier. Kolba, seine drei Mitstreiter Dirk Pöschke (38), Felix Estl (33) und Michael Kania (30) und geschultes Personal bringen es Anfängern bei. Wir setzen uns an einen der Pokertische. "Soll ja so ähnlich sein wie Kniffeln", sage ich zu Kolba und merke, wie uncool "Kniffeln" im Vergleich zu "Pokern" klingt. Aber Kolba ist so höflich und charmant, dass er mir recht gibt. "Ich kann zwar nicht kniffeln, aber das erzählen viele Anfänger", sagt er.

Karten-Dealer Michael Kania sitzt bereits am Tisch und mischt die Karten. "Die meisten verstehen die Regeln nach etwa zwanzig Minuten - obwohl der Slang in den ersten zehn Minuten sicher etwas verwirrt." Meine kurze innere Entspannung weicht einem Anflug leichten Adrenalinausstoßes. Ich habe Angst, mich vor all den schweren Jungs, die ich hier erwarte, zu blamieren, sollte ich die Regeln nicht verstehen. Dann heißt es wieder: Frauen und Strategie. Aber wo sind die schweren Jungs überhaupt? Das Publikum ist gemischt. Poker ist anscheinend das Hinterzimmer-Image losgeworden. Einige sehen aus wie Studenten, andere wie Büroleute aus der Neustadt. Jeder muss 15 Euro Startguthaben zahlen, um mitspielen zu können. An unseren Tisch setzen sich Pöschke, drei weitere Spieler und eine Spielerin. "Tanja ist auch Anfängerin", sagt Kolba und schaut mich wohlwollend an. Ich bin beruhigt. Schließlich habe ich noch nie gepokert.

Für Profis sind Anfänger ein unkalkulierbares Risiko

Na ja, auf jeden Fall nicht so richtig. Ich weise die Profis stolz darauf hin, dass mir eine Freundin vor einigen Jahren mal erklärt hat, wie es geht. Und gebe sodann kleinlaut zu, es danach nie wieder gespielt zu haben. Da war doch was mit Straßen? "Royal Flush" schießt es mir durch mein Gehirn. Ein gutes Blatt, oder? "Eigentlich das beste Blatt, das es gibt", sagt Kolba. Hat er nur einmal gesehen. Und einmal hat er gehört, dass es jemand in der Hand hatte.

Los geht's. Jeder kriegt einen Haufen Jetons. 20er, 50er, 100er und einen 500er. Insgesamt 1500 für den Start. Nein, um Geld wird hier nicht gespielt. Das darf nur der Staat. Noch ahne ich nicht, dass es nicht unbedingt Geld ist, das den Ehrgeiz weckt. Aber: "Die meisten Menschen spielen erst richtig, wenn es um etwas geht, wenn es einen Einsatz gibt", sagt Kania. Und seien es bunte Jetons. Aber ab Februar plant der Klub, jeden Freitag ein Turnier mit Sachpreisen zu veranstalten.

Kania erklärt, dass zunächst ein Mindestumsatz gesetzt werden muss: Ein Spieler setzt einen Small Blind und sein linker Nachbar einen Big Blind, gewöhnlich das Doppelte der Small-Variante. "Die Blinds werden alle zwölf Minuten um das Doppelte erhöht", sagt Kania und stellt eine Stoppuhr. Klar, denke ich mir, immer weniger Spieler pokern um immer mehr Chips. Dann teilt er zwei Karten an jeden aus. Es wird spannend. Da ist sie, die Erinnerung an zahllose Western-Filme, in denen Cowboys in verrauchten Saloons saßen und nach dem fünfzehnten Whiskey Farmen und ganze Viehherden verspielten.

Alle werfen einen Blick auf ihre Karten. Ich auch. Ich hebe mit der rechten Hand nur die obere Kante der Karten hoch. Mit der anderen Hand decke ich sie zusätzlich ab. Pik 10 und Herz 8. Hm. Abwarten. Aus jedem Blatt kann doch etwas werden. Alle setzen, gehen mit. Es geht um 40. "Call" sagt man dann einfach und legt die Jetons vor sich hin. Kania legt drei Karten in die Mitte. "Das nennt man Flop", sagt er und deckt sie auf. Ich hab in der Zwischenzeit schon wieder vergessen, welche Karten ich habe, schaue noch einmal unauffällig drauf. Eine 10 im Flop, eine in meiner Hand. Ein Paar. Ich vergewissere mich an meinem "Poker Guide", einer Spick-Karte für Anfänger, auf der alle möglichen Kartenkombinationen abgebildet sind. Gar nicht mal so übel, denke ich und erhöhe den Einsatz. Natürlich schaue ich dabei ganz selbstsicher in die Runde. Dann deckt Kania eine vierte und eine fünfte Karte auf. Die vierte wird "Turn" genannt, weil sich damit noch alles ändern kann. Die fünfte wird "River" genannt, "denn am Fluss endet alles", sagt der Kartendealer.

Showdown, alle zeigen ihre Karten. Kania schaut fachmännisch in die Runde. Tatsächlich. Ich habe die Runde gewonnen. Mein erster Sieg! Ich glaube es nicht! Innerlich höchst verzückt, versuche ich, keine Miene zu verziehen, sondern erlaube mir die klischeehafte, typische Bewegung von Poker-Siegern: Ich ziehe den Haufen Jetons mit beiden Händen zu mir rüber. Und bin natürlich viel zu cool, sie zu zählen. Dafür baue ich Türmchen.

Michael Kania erklärt die Etikette, die ich unwissend eingehalten habe: "Der Spieler darf die Jetons erst dann zu sich ziehen, wenn der Dealer sie ihm hingeschoben hat." So will es der gute Ton am Poker-Tisch. Alles andere ist verpönt.

Mein Ergeiz steigt. Ich ertappe mich bei dem Gedanken: Wenn das alles Geld gewesen wäre. Neue Runde. Alle setzen, jetzt geht es schon schneller. Ich versuche mich an meinem ersten Poker-Face. Auch diese Runde gewinne ich, mit einem noch besseren Blatt. Einem Flush. "Das ist der Grund, warum Profis nicht gern mit Anfängern spielen. Die sind so unkalkulierbar. Und merken keinen Bluff", sagt Kania. Bluff?

Völlig ruiniert, aber für eine Anfängerin gut gezockt

Von mir aus kann das die ganze Nacht so weitergehen. Nächste Runde. Ich setze großzügig, gehe bei jeder Erhöhung mit. Der Small Blind steigt auf 40, dann auf 80. Die nächsten Runden sind verloren. Egal, ich habe immer noch genug Chips. Der Kerl neben mir holt aber rasant auf. Der will noch nie gespielt haben? Glaube ich nicht und fange an, vorsichtiger zu setzen. Ich schiebe eine Runde.

Mein Nachbar gewinnt schon wieder, auch die nächsten Runden. Mir will einfach kein Blatt mehr gelingen. Denk nach, sag ich mir. Denk nach. Setzen? Mitgehen? Schieben? Der Small Blind ist mittlerweile bei 160, der Big Blind bei 320. Ich werde risikofreudig. Oder größenwahnsinnig? Setze alles, was ich noch habe. "All in" heißt das im Poker-Slang. Dann, wenn man nicht mehr viel zu verlieren hat.

Abwarten, cool bleiben. Flop, Turn, River. Ich verliere. Nach etwa eineinhalb Stunden bin ich völlig ruiniert. "Sie haben für eine Anfängerin ganz gut gespielt, recht aggressiv. Glückwunsch!", sagt Kania. Ich glaube ihm einfach und stolziere zufrieden aus dem Klub. Wahrhaftig, ich habe gepokert! Und werde es bald wieder tun. Denn aus jedem Blatt kann etwas werden!