Hamburg. Wann lohnt sich eine Paartherapie? Eine Expertin beantwortet die wichtigsten Fragen und verrät, wie Sie den richtigen Therapeuten finden.

Beziehungen durchlaufen Höhen und Tiefen, und nicht immer gelingt es, Differenzen aus eigener Kraft zu überwinden – in solchen Fällen kann eine Paartherapie helfen. Eine Expertin erzählt, was sie in ihrer Praxis beobachtet und gibt Empfehlungen.

Wann brauchen Paare professionelle Hilfe?

Kleinere Streitereien gehören wohl zu jeder Beziehung – in der Regel lassen sie sich durch offene Gespräche lösen. Doch wenn Konflikte immer wiederkehren und Paare an denselben Problemen scheitern, kann der Schritt zu einer Paartherapie sinnvoll sein, rät die Berliner Psychologin und Paartherapeutin Anna Wilitzki. „Das merkt man meist daran, dass Konflikte nicht abgeschlossen werden, sondern über Wochen und Monate bestehen und immer mehr Themen dazukommen“, so die Expertin.

Solche ungelösten Konflikte können zu wachsender Anspannung und häufigeren Auseinandersetzungen führen, was die Beziehung zunehmend belastet. „Sind Paare irgendwann genervt oder gestresst voneinander, selbst wenn sie nicht miteinander streiten oder gar nicht beieinander sind, ist der Punkt erreicht, an dem es eine dritte Person und aus eingefahrenen Mustern auszubrechen“, erzählt Wilitzki.

Ein junges Paar streitet sich.
Eine Therapie kann helfen, dysfunktionale Verhaltensmuster aufzudecken und Konflikte konstruktiv zu lösen.  © iStock | Filmstax

Paartherapie: Wie finden Paare den richtigen Therapeuten?

Wer sich einen Überblick über mögliche Therapieangebote verschaffen möchte, kann eine erste Orientierung durch Online-Recherchen und Therapeutenverzeichnisse erhalten. Dabei ist es besonders wichtig, auf die Qualifikationen und die fachliche Ausbildung der potenziellen Therapeuten zu achten. Ein weiterer entscheidender Faktor ist der Standort: Eine zu weit entfernte Praxis könnte durch lange Anfahrtswege zusätzlichen Stress verursachen. Auch Kundenbewertungen können wertvolle Einblicke in die Erfahrungen anderer Patienten bieten. Wilitzki empfiehlt zudem, auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen.

„Neben der Therapieform muss unbedingt auch die Wellenlänge stimmen“, so die Paartherapeutin. Es sei daher völlig in Ordnung, nicht gleich beim ersten Therapeuten zu bleiben. „Es kann sein, dass sich ein Paar gegen einen Therapeuten entscheidet, weil er zu jung, zu alt oder weiblich ist.“ Sie rät, in der ersten Sitzung zu prüfen, ob die Zusammenarbeit harmoniert. „Alle müssen das Gespräch erstmal sacken lassen.“ Eine offene Kommunikation mit dem Therapeuten und ehrliches Feedback seien dabei essenziell. Gelegentlich könne der Therapeut sogar einen passenden Kollegen empfehlen, falls die Chemie nicht stimmt.

Welche Therapieansätze stehen den Partnern zur Auswahl?

In der Paartherapie arbeiten Therapeuten nach verschiedenen Ansätzen. Bevor man sich auf einen Spezialisten festlegt, sei es ratsam, sich mit den gängigen Methoden vertraut zu machen und zu schauen, welche am besten passen könnte.

Die meisten Paartherapeuten arbeiten nach diesen vier Ansätzen:

  • Verhaltenstherapie: Hier stehen vor allem das Verhalten und die Kommunikationsmuster der Partner im Fokus.
  • Emotionsfokussierte Therapie: Dieser Ansatz konzentriert sich in erster Linie auf die emotionale Bindung zwischen den Partnern und setzt sich mit deren früheren Bindungserfahrungen auseinander.
  • Systemische Therapie: Hier werden Beziehungsmuster der Partner unter die Lupe genommen. Der Therapeut untersucht sie im Kontext des ganzen sozialen Umfelds der Betroffenen.
  • Psychoanalytische Paartherapie: Diese Form der Therapie beschäftigt sich vor allem mit unbewussten Motiven und Konflikten der beiden Partner.

Neben den verschiedenen Therapieansätzen, können sich Paare zwischen Präsenzsitzungen oder digitalen Therapieangeboten entscheiden. Einige Praxen bieten zudem die Möglichkeit, Kompakttermine am Wochenende zu vereinbaren, was besonders für Berufstätige oder Paare mit einem engen Zeitplan attraktiv sein kann. Manche Therapeuten spezialisieren sich auf spezifische Themen wie Untreue oder Sexualleben, was bei der Auswahl ebenfalls berücksichtigt werden sollte.

Therapiekosten: Was müssen Paare ausgeben?

Paartherapie zählt als Privatleistung und wird in den meisten Fällen nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. In seltenen Fällen erstatten einige private Krankenversicherungen anteilig die Kosten. „Darum müssen sich die Paare jedoch selbstständig bemühen“, so Wilitzki. „Wir Psychotherapeutinnen und -therapeuten setzen uns schon lange dafür ein, dass auch Paartherapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen wird, aber die Krankenkassen lehnen dies jedes Jahr aufs Neue ab“ – auch wenn die Studienlage eindeutig zeige, dass Beziehungs- und Eheprobleme das Risiko für psychischen Erkrankungen wie Depressionen erhöhen können.

Was Partner für eine Paartherapie bezahlen müssen, kann stark variieren. „Die Kosten hängen sehr stark davon ab, in welcher Region man lebt“, sagt die Berliner Therapeutin. Die Kosten pro Therapiesitzung liegen in der Regel zwischen 180 und 300 Euro. „Auch wenn dies zunächst nach viel Geld klingen mag, muss man bedenken, dass hiervon auch Raummiete, eigene Versicherungen, Vor- und Nachbereitungszeit sowie alle weiteren Nebenkosten mitgetragen werden müssen“, betont sie.

Paartherapeutin Anna Wilitzki
Paartherapeutin Anna Wilitzki © Nathalie Sundl

Sollten die Therapiekosten das eigene Budget übersteigen, können Familienberatungsstellen eine Alternative sein. Diese bieten oft kostenlose Beratungsmöglichkeiten an. „Hier arbeiten zwar selten ausgebildete Psychologen, aber natürlich haben die Paarberater auch hier entsprechende Weiterbildungen gemacht“, sagt Wilitzki. „Das kann in jedem Fall ein sinnvoller Start sein.“ Die Paarexpertin empfiehlt zudem, bei Paartherapeuten nach einer möglichen Ermäßigung zu fragen. Einige Therapeuten bieten vergünstigte Konditionen für Paare mit finanziellen Einschränkungen oder für Studierende an.

Wie viele Therapiesitzungen sind nötig?

Laut Wilitzki sei die Anzahl der Sitzungen von der individuellen Situation des Paares abhängig. Paare, die eine hohe Bereitschaft und emotionale Reife mitbringen, bräuchten in der Regel weniger Therapiesitzungen, als solche, die Schwierigkeiten haben, sich auf den therapeutischen Prozess einzulassen oder nicht die notwendige Energie dafür aufbringen. Sue Johnson, die Entwicklerin der Emotionsfokussierten Paartherapie geht von acht bis 20 Sitzungen aus. „Ich würde aber sagen, dass acht Sitzungen reichen, ist eher sehr, sehr selten“, sagt Wilitzki aus ihrer Erfahrung.

Was wird in der Paartherapie gemacht?

Die erste Sitzung diene in erster Linie dazu, eine vertrauensvolle Basis zwischen dem Therapeuten und den Klienten zu schaffen. „Eine Paartherapie gibt beiden die Zeit und den Raum, sich zu äußern und auch gehört zu werden“, sagt Wilitzki. Sie betont, dass Paare keine Angst haben sollten, bewertet oder verurteilt zu werden. „Da geht es viel ums Kennenlernen, erste Probleme ansprechen, aber auch um die Kindheit: Sind die Eltern noch zusammen und haben sich viel und wie ist man als Kind damit umgegangen? Gab es zwar keine Streits, aber passive Aggressivität?“

Für die Therapeutin sei es besonders schön, wenn Paare von ihrem Kennenlernen erzählen. Dies schaffe nicht nur einen angenehmen Einstieg in die Sitzung, sondern erleichtere es den Partnern auch, sich gegenüber des Therapeuten zu öffnen. Auch die Studienlage zeige, dass dies einen nachweislich positiven Einfluss auf die Zufriedenheit in der Beziehung hat. Im späteren Verlauf der Therapie stehen dann vor allem die Analyse negativer Verhaltensmuster und die gemeinsame Suche nach Lösungen im Vordergrund.

Auch interessant

Für wen ist eine Paartherapie denkbar?

„Eigentlich für jedes Paar“, sagt die Paartherapeutin. Ihre Erfahrung zeigt, dass sogar junge Beziehungen von einer Paartherapie profitieren könnten. „So könnten gleich zu Beginn Kommunikationsprobleme, negative Verhaltensmuster und Bindungsschwierigkeiten aufgedeckt und bearbeitet werden.“ Auf diesem Weg sei es möglich, einige Konflikte und Streits entweder zu vermeiden oder zumindest konstruktiv zu lösen.

Neben der Therapie gibt es laut Wilitzki noch weitere Hilfsmittel, die Paare parallel nutzen könnten, wie Podcasts oder Bücher, die sich mit Beziehungsfragen auseinandersetzen. „Das muss nicht gemeinsam sein, aber wichtig ist, dass beide etwa auf dem gleichen Wissensstand sind und sich immer gegenseitig abholen“, erklärt die Expertin. Allerdings sollten sich Partner nicht gegenseitig die Schuld an ihren Problemen zuzuschreiben. Äußerungen wie „Siehst du, daran sieht man gerade genau, dass du toxisch bist“, seien wenig hilfreich. „Wichtig ist, dass beide Partner das Gefühl haben, sie kommunizieren auch in Stress- und Streitsituationen auf Augenhöhe.“

Auch interessant

Paartherapie: Wann ist eine Beziehung nicht mehr zu retten?

Wilitzkis Erfahrung zeigt, dass es durchaus Paare gibt, für die eine Paartherapie eher zu einer Trennungsbegleitung wird. „Hat eine Partei die Beziehung schon komplett abgeschrieben und sieht keinerlei Perspektive, bringt es nichts, sie vom Gegenteil zu überzeugen“, erzählt sie.

Für manche Beziehungen gäbe es keine Chance mehr: „Es gibt immer wieder Fälle, da hat sich etwa die Frau bereits seit gut einem Jahr überlegt, sich zu trennen, diskutierte zuvor Probleme sehr lange laut mit dem Partner und ging dann in die Resignation, hat begonnen nur noch leise mit sich im Kopf zu diskutieren“. Dieser innere Konflikt könnte sich auf den Körper auswirken – und Stressreaktionen oder erhöhten Herzschlag hervorrufen, ähnlich wie bei einem aktiven Streit. „Kommt es dadurch zu einer festgeschriebenen Trennungsentscheidung, will ich auch nichts mehr dagegen machen und niemanden dann überreden, die Beziehung doch weiter zu wollen“, so die Expertin.

Expertin: Diese Faktoren sprechen gegen eine Paartherapie

Eine Paartherapie hilft in der Regel vielen Paaren, Konflikte zu überwinden und dysfunktionale Verhaltensmuster zu brechen. Doch eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. „Wenn ich nach der dritten Sitzung immer noch das Gefühl habe, eine Partei öffnet sich gar nicht“, so die Expertin, „oder betont, dass Paartherapie nicht das ist, was sie braucht oder will, dann würde ich immer abbrechen.“ Schließlich könne kein Therapeut seine Klienten zwingen, sich auf die Therapie einzulassen. Laut Wilitzki sind für eine gelungene Therapie drei Faktoren besonders wichtig: Bereitschaft, Energie und Zeit.

„Es braucht Bereitschaft, auch unangenehme Dinge zu besprechen, ehrlich zu sein, Tipps umzusetzen und auszuprobieren, gemeinsam als Paar zu arbeiten und zu wachsen“, so die Psychologin. Gleichzeitig erfordere es viel Energie und Zeit: „Sind Paar bereit, all das aufzubringen, ist es meist egal, wie groß die Liebe zum Start der Therapie noch ist oder ob es ein, zwei oder gar drei Affären gab“, so die Expertin. „Aber wenn beide Seiten wirklich etwas verändern wollen und bereit sind, sich dafür einzusetzen, dafür ein, zwei Stunden Zeit die Woche freizuräumen, dann hat jede Beziehung eine Chance.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berliner Morgenpost.