Hamburg. Eine Paartherapeutin erklärt, wie Affären die Hauptbeziehung beeinflussen und wann ein Ende sinnvoll ist. Spannende Einblicke.
Warum sich Menschen auf Affären einlassen und die eigene Beziehung riskieren, kann sehr individuelle Gründe haben. Für manche ist es die Suche nach Selbstbestätigung, andere erfüllen sich den Wunsch nach etwas Abwechslung. Eine Parship-Umfrage aus dem Jahr 2018 zeigt eine spannende Entwicklung: Während 2018 noch 97 Prozent der Befragten eine langfristige Affäre als Fremdgehen betrachteten, tun es in einer Umfrage aus diesem Jahr nur noch 85 Prozent. Nicht anders sieht aus bei One-Night-Stands aus: 2018 stuften 96 Prozent die einmaligen Seitensprünge als Untreue ein, im Mai dieses Jahres waren nur noch 82 Prozent dieser Meinung. Studienleiter Eric Hegmann erklärt sich diese Differenzen durch eine zunehmende Trennung zwischen emotionaler und physischer Treue.
Doch das, was sich am Anfang aufregend anfühlt, kann sehr schnell zum schlechten Gewissen führen und Fremdgeher vor die Frage stellen: Ist es mir wert, meine Beziehung aufs Spiel zu setzen? Die Berliner Paartherapeutin und systemische Coachin Louisa Scheel nennt drei zentrale Gründe, um eine Affäre zu beenden.
1. „Der emotionale und soziale Schaden“
In jeder langjährigen Beziehung gibt es Phasen, die für beide Partner belastend sind und sie vor große Herausforderungen stellen. Um dem Beziehungsstress zu entkommen und die Konflikte mit seinem Partner oder seiner Partnerin für einen Moment zu vergessen, lassen sich Menschen häufig auf eine Affäre ein.
Doch die Berliner Paartherapeutin warnt: „Diese Vermeidungsstrategien ändern sich aber auch in der Affäre nicht. Wenn es in der neuen Beziehung zu Herausforderungen kommt, besteht die Tendenz, erneut davonzulaufen oder die Affäre abrupt zu beenden.“ Man laufe zudem die Gefahr, destruktive Verhaltensmuster zu verfestigen, die nur noch zu mehr Enttäuschung und Unzufriedenheit führen.
Die Expertin empfiehlt die sogenannte 10-10-10-Regel zu befolgen: „Diese Regel fordert dazu auf, darüber nachzudenken, wie man sich in zehn Tagen, zehn Monaten und zehn Jahren über eine Entscheidung fühlen wird.“ Hier sollten sich Menschen Gedanken über alle Beteiligten machen: „Der emotionale und soziale Schaden kann erheblich und nachhaltig sein“, betont Scheel.
2. Der ideale Affärenpartner sei nur eine Illusion
Die Paartherapeutin weist zudem darauf hin, dass Menschen oft dazu neigen, die heimliche Beziehung zu idealisieren und die Auseinandersetzungen aktiv zu vermeiden. „Diese Illusion täuscht über die tatsächliche Komplexität der Beziehung hinweg“, erklärt sie. Dass der Affärenpartner auch negative Persönlichkeitsmerkmale hat, zeige sich oft, sobald die anfängliche Aufregung nachlässt. Häufig merkten Menschen erst dann, dass Affären „ähnliche Probleme aufweisen können wie in der Hauptbeziehung“, so Scheel. Das erkläre wiederum die Kurzlebigkeit der Affären.
3. Hormone, die für die Gefühlsachterbahn sorgen
Doch warum wirken Affären so aufregend? „Die intensiven Gefühle von Liebe und Anziehung, die eine Affäre begleiten, werden oft durch das Hormon Oxytocin verstärkt, das eine starke emotionale Bindung zwischen den Beteiligten fördert“, erklärt Scheel. Dieser Effekt hält jedoch nicht lange an: Spätestens nach neun bis 18 Monaten verfliegt das Verliebtheitsgefühl und die Leidenschaft nimmt deutlich ab. „Wenn die anfängliche Chemie nachlässt, wird es für die Beziehung schwieriger, sich selbst zu tragen“, so die Expertin. Laut Scheel sei es der richtige Moment, um einen Schlussstrich zu ziehen, bevor die eigentliche Beziehung nicht mehr zu retten ist.
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Expertentipps: Wie kann es nach der Affäre weitergehen?
Eine Affäre muss nicht zwangsläufig das Ende der Hauptbeziehung bedeuten, sagt die Berliner Expertin. Häufig seien betrogene Frauen allerdings einem enormen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, ihren Partner verlassen zu müssen, vor allem, weil sie heutzutage nicht mehr auf einen Partner angewiesen sind, beobachtet sie. Auch die New Yorker Paartherapeutin Esther Perel hält dieses Phänomen für problematisch: Frauen, die sich für die Fortsetzung der Beziehung entscheiden, würden sich oft schämen und hätten Angst vor der gesellschaftlichen Verurteilung.
Perel rät den Betroffenen dazu, nach ihren eigenen Werten und Überzeugungen zu handeln und die Entscheidung, ob man den Partner verlässt oder ihm eine neue Chance gibt, nicht von fremden Erwartungen abhängig zu machen. „Das Paar muss selbstbewusst und unabhängig entscheiden, was für sie das Beste ist, und diese Entscheidung auch gegen Meinungen von außen verteidigen“, so die Paartherapeutin.
Die New Yorker Expertin bestätigt anhand mehrerer Studienergebnisse: Eine Affäre könnte in manchen Fällen die Beziehung sogar stärken. Oft biete sie dem betroffenen Paar die Möglichkeit, die Bedürfnisse und Wünsche gemeinsam neu zu besprechen und die Beziehung nach neuen Regeln zu gestalten. In vielen Partnerschaften führe dies langfristig zu mehr Zufriedenheit und einer tieferen emotionalen Bindung.