Hamburg. Eine Berliner Psychotherapeutin erklärt, woran man ungesunde Beziehungsdynamiken erkennen kann und wann Partner handeln sollten.
Die Begriffe „devot“ und „dominant“ müssen nicht unbedingt sexuell konnotiert sein. In vielen Beziehungen spiegeln sich diese Rollen in bestimmten Verhaltensmustern wider. Während dominante Partner oft Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen, neigen devote Partner dazu, sich anzupassen und Konflikte zu vermeiden.
Expertin: Was heißt „devot“ und „dominant“ wirklich?
Simone Jank, Psychotherapeutin und Paartherapeutin aus Berlin, erklärt, wie sich beide Rollen im Beziehungsalltag zeigen: „Egal, ob es darum geht, wohin man in den Urlaub fährt oder welche Möbel gekauft werden – der dominante Part ist in all diesen Entscheidungen sehr durchsetzungsstark und grundsätzlich oft sehr zielstrebig und verantwortungsbewusst.“
Bei devoten Partnern stellt sie hingegen eine starke Anpassungsbereitschaft fest: „Sie sind sehr kompromissfähig, unterstützen ihren Partner und erfüllen ihm Wünsche. Ihre eigenen Bedürfnisse spüren sie oft nicht so stark und können sich deshalb nicht gut abzugrenzen“, sagt die Expertin.
Devot vs. Dominant: Bedeutung bei der Partnerwahl
Laut Jank sei es grundsätzlich so, dass jeder Mensch sowohl dominante als auch devote Anteile in sich hat. Die Paartherapeutin betont, dass Menschen prinzipiell zu einer der Rollen tendieren, jedoch im Laufe der Beziehung auch die gegenseitige Rolle immer wieder annehmen können. Bei der Partnersuche könnte es durchaus eine Rolle spielen: „Da gilt das Prinzip der Gegensätze: Pol und Gegenpol ziehen sich an. Das heißt, jemand, der eher dominant veranlagt ist, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit mit jemandem harmonieren, der eher zum Devoten tendiert“, erklärt sie.
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Psychologin erklärt: Warum werden Menschen dominant?
Ob jemand eher dominante oder eher devote Verhaltensweisen zeigt, hat seine Wurzeln häufig in den Erfahrungen, die Menschen mit ihren ersten Bezugspersonen gemacht haben. „Wenn jemand in der Kindheit vernachlässigt wurde, zum Beispiel, weil die Eltern emotional nicht verfügbar waren, führt das oft zu einem Ohnmachtsgefühl. Und um dieses Ohnmachtsgefühl zu kompensieren, entwickeln Betroffene häufig ein hohes Kontrollbedürfnis, und das wiederum ist ein Hauptmotiv von dominierendem Verhalten. Denn wer entscheidet und dominiert, der hat die Kontrolle über seine Umwelt“, so Jank.
Waren die Eltern unzuverlässig, übernehmen Kinder oft selbst Verantwortung – eine Gewohnheit, die sich im Erwachsenenalter als dominantes Verhalten manifestieren kann.
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Die Psychologie hinter dem Devot-Sein
Zu devoten Verhaltensweisen neigen Menschen, deren Eltern eher auf Kontrolle setzten. Eine gewisse Unzuverlässigkeit der Bezugspersonen kann ebenfalls eine Rolle spielen. Die Therapeutin erklärt: „Das wird dadurch verursacht, dass Betroffene in ihrer Kindheit oft nur dann Zuneigung erfahren haben und gemocht wurden, wenn sie sich angepasst und den Wünschen der Eltern entsprochen haben. Und dieses Verhalten wird dann so verinnerlicht, dass es sich in der späteren Paarbeziehung zeigen kann, nämlich, indem sie sich auch da unterordnen“.
Für Beziehungen muss diese Rollenverteilung nicht zwangsläufig negativ sein, betont Jank. „Es gibt viele Paare, die über Jahre mit eindeutigen Rollen leben und damit glücklich sind. Das kann Stabilität geben, wenn es mit gegenseitigem Einverständnis geschieht“, sagt die Expertin. Für Paare könnte so eine Rollenverteilung sogar Vorteile bringen: Der dominante Partner könne seinem devoten Partner ein Sicherheitsgefühl vermitteln, indem er Entscheidungen übernimmt und Verantwortung trägt.
Psychotherapeutin warnt: Bei diesen Anzeichen sollten Sie reagieren
Die Paartherapeutin warnt: „Wenn die Rollenverteilung zu extrem ist, kann einen das richtig krank machen und zum Beispiel zu Depressionen oder Panikattacken führen.“ Sobald Partner nicht mehr auf Augenhöhe miteinander umgehen und einer der beiden unterdrückt wird, sei es wichtig, rechtzeitig zu reagieren.
Doch wie lässt sich erkennen, wann Grenzen überschritten werden? „Missbrauch beginnt dort, wo der dominante Partner den anderen manipuliert und sich gewaltvoll durchsetzt“, sagt Jank. Auch Drohungen wie: „Wenn du das und das nicht machst, dann passiert das und das“ sollten als Warnsignal dienen, dass das Machtgefälle innerhalb der Beziehung ungesund geworden ist.
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Wie finden Partner ein Gleichgewicht zwischen beiden Rollen?
Ungesunde Beziehungsdynamiken zeigten sich oft in Aussagen wie „Du übertreibst schon wieder“ oder „Nur deinetwegen streiten wir so oft.“ Zudem sei auch eine finanzielle Abhängigkeit vom dominanten Partner ein Hinweis auf ein Ungleichgewicht in der Beziehung, ergänzt Jank.
Um schädliche Dynamiken zu vermeiden, empfiehlt die Expertin, regelmäßig über Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Wenn man bereits ein ungesundes Machtgefälle festgestellt hat, sollte sofort gehandelt werden: „Der dominante Partner sollte bewusst versuchen, mal die Kontrolle abzugeben und der devote Partner muss lernen, mit seinen eigenen Bedürfnissen in Kontakt zu gehen, zum Beispiel durch Achtsamkeitsübungen oder eine Therapie. In jedem Fall kann es beiden helfen, sich mit den Ursachen ihres Verhaltens auseinander zu setzen, um langfristig etwas daran zu ändern“.