Hamburg. Ob Seitensprung oder Affäre – Untreue kann tiefe Wunden hinterlassen. Warum klare Ansprachen und Offenheit entscheidend sind.
Untreue ist ein Thema, das in Beziehungen tiefe Wunden hinterlassen kann. Sie kann das fragile Fundament von Vertrauen und Nähe innerhalb einer Partnerschaft ins Wanken bringen. Wird ein Betrug aufgedeckt, stellt dies für viele Paare einen Wendepunkt dar – oft mit dem Ende der Beziehung als Konsequenz. Laut einer Studie von ElitePartner aus dem Jahr 2023 gehören wiederholtes Fremdgehen oder eine langjährige Affäre zu den häufigsten Trennungsgründen in Deutschland, während ein einmaliger Seitensprung auf Platz fünf der Liste rangiert.
Doch was unterscheidet eine Affäre von einem Seitensprung? Ab wann beginnt Fremdgehen? Die Definitionen sind vielfältig und die Grenzen oft nicht klar gezogen. Allgemein versteht man unter Fremdgehen eine sexuelle, emotionale und romantische Verbindung, die ein Partner außerhalb der Beziehung eingeht, ohne den anderen darüber zu informieren.
Wie Menschen Fremdgehen definieren kann ganz unterschiedlich sein: „Ein Fehler ist häufig, dass Paare selbstverständlich davon ausgehen, dass sie die gleiche Vorstellung von Treue in ihrer Beziehung haben, ohne wirklich darüber zu sprechen“, erklärt Diplom-Psychologin und Paarberaterin Lisa Fischbach.
Untreue in der Beziehung: Wann beginnt Fremdgehen? Eine Frage der Perspektive
Laut der Expertin gibt es keine universelle Definition dafür, wann Fremdgehen in einer Beziehung beginnt, da dies stark von der individuellen Wahrnehmung abhänge. „Was man aber sagen kann: Sobald ein Partner das Vertrauen des anderen missbraucht, weil das vereinbarte Exklusivversprechen in der Beziehung einseitig aufgekündigt wurde, kann man von Fremdgehen sprechen“, so Fischbach. Wo genau dieser Vertrauensbruch anfängt, bleibt eine persönliche Entscheidung und variiert von Mensch zu Mensch.
Eine Studie, die Fischbach 2020 für ElitePartner begleitete, verdeutlicht, wie unterschiedlich die Auffassungen zu diesem Thema sind. Von den rund 6000 befragten Personen gab ein Viertel der Frauen an, dass für sie bereits ein harmloser Flirt als Untreue gilt. Bei Männern teilten nur knapp 20 Prozent diese Ansicht. Noch deutlicher werden die Unterschiede beim Thema Küssen: Für mehr als 70 Prozent der Frauen zählt ein Kuss als Fremdgehen, während nur etwa 60 Prozent der Männer so empfinden.
„Die Studie hat gezeigt: Untreue fängt für Frauen häufig deutlich früher an als für Männer“, sagt die Beziehungsexpertin. „Großer Konsens herrscht beim Thema Sex außerhalb der Beziehung. Das gilt für die meisten der befragten Personen als Fremdgehen.“
- Beziehung: Therapeutenpaar packt aus: Das hilft uns bei Problemen
- Beziehungsprobleme: Paartherapie nötig? Expertin erklärt, wann Paare Hilfe brauchen
- Emotionen: Partner zeigt keine Gefühle? Was dahinter steckt
- Gefühlswelt: Das sind die Anzeichen für Eifersucht bei Männern
- Nach Trennung: Liebeskummer überwinden – Diese Frage sollten Sie sich stellen
Seitensprung oder Affäre? Der entscheidende Unterschied
Die Grenzen dessen, was als Untreue empfunden wird, sind demnach unterschiedlich. Während ein Online-Flirt für den einen bereits als Vertrauensbruch gilt, ist es für den anderen erst der physische Betrug. Doch was gilt als Affäre und was als Seitensprung? Hierbei gibt es klare Unterschiede, die sich durch spezifische Merkmale definieren lassen: „Bei Letzterem handelt es sich um ein einmaliges Fremdgehen, beispielsweise um einen One-Night-Stand. Bei einer Affäre kommt es zu mehrmaligen Treffen oder Sex mit immer der gleichen Person“, erklärt Fischbach.
Neben der Häufigkeit liegt ein weiterer wesentlicher Unterschied in der emotionalen Dimension. Während ein Seitensprung meist rein körperlich bleibt, entwickeln sich bei einer Affäre oft Gefühle und eine besondere Nähe zwischen den Beteiligten. „Zudem betrügt der Partner im Gegensatz zum One-Night-Stand in einer Affäre wiederholt vorsätzlich“, fügt die Psychologin hinzu. Der bewusste und wiederholte Betrug mache eine Affäre zu einer schwerwiegenden Belastung für die Beziehung.
Auch interessant
Die Auswirkungen einer Affäre sind tiefgreifend. In der ElitePartner-Studie von 2020 stimmten rund 70 Prozent der Befragten zu, dass wiederholter Sex mit jemand anderem zweifellos als Untreue gilt. Fischbach berichtet aus ihrer Praxis, wie schwer es ist, einen solchen Vertrauensbruch zu überwinden: „Ich erlebe in meiner Praxis, wie groß ein solcher Vertrauensbruch ist und wie hart der Weg für Paare zurück in eine funktionierende Beziehung sein kann.“
Besonders verletzend sei, dass der betrogene Partner häufig das Gefühl hat, während der Affäre in einer Illusion gelebt zu haben. Der Schock ist umso größer, wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Ein Seitensprung hingegen wird oft als einmaliges Ereignis empfunden, das unter Umständen schnell aufgearbeitet werden kann – vor allem, wenn Partner direkt nach dem Geschehenen ins Gespräch kommen. Der Unterschied liegt hier nicht nur in der Häufigkeit, sondern auch in der Tiefe des Vertrauensbruchs, die eine Affäre wesentlich schwerer wiegen lässt.
- Narzissmus: Frau schildert Psycho-Terror in Ehe: „Ließ alles über mich ergehen“
- Expertin im Interview: Narzissmus in Beziehung: „Frauen abhängig wie von Heroin“
- Familie: Toxische Eltern – Wann Kinder radikalen Schritt gehen sollten
Eigene Grenzen klären: Was bedeutet Untreue für mich?
Da die Definition von Untreue stark variiert, ist es für Paare besonders wichtig, frühzeitig offen über ihre jeweiligen Vorstellungen zu sprechen. „Es hilft, wenn ich mir zuerst allein Gedanken darüber mache, wo Fremdgehen für mich beginnt“, so die Empfehlung der Psychologin.
Dabei sei es auch wichtig sich zu fragen, wo die eigenen Grenzen verlaufen und auch die Ursache der empfundenen Verletzung zu hinterfragen. Fischbach verdeutlicht das mit einem Beispiel: „Angenommen, mein Partner schaut heimlich Pornos. Warum empfinde ich das als Untreue? Vielleicht, weil ein Sex praktiziert wird, den wir nicht in unserer Partnerschaft haben?“
Auch interessant
Die Paarberaterin schlägt vor, diese Gedanken zu sammeln und anschließend in einem offenen Gespräch mit dem Partner zu teilen. Sollte sich dabei zeigen, dass die Ansichten über Untreue stark auseinandergehen, sei das nicht unbedingt ein Grund zur Sorge. „Natürlich können Paare auch Ungleichheiten verhandeln“, erklärt Fischbach. So könnte beispielsweise akzeptabel sein, dass ein Partner online flirtet, während es für den anderen tabu bleibt.
Offene Kommunikation und gegenseitiges Verständnis sind dabei der Schlüssel zum Erfolg. Die Bereitschaft, sich mit unterschiedlichen Erwartungen auseinanderzusetzen und Kompromisse zu finden, kann dazu beitragen, ein gemeinsames Fundament zu schaffen, auf dem Vertrauen und Nähe wachsen können.