Hamburg. Eine Beziehung mit einem bindungsängstlichen Mann kann schnell zu einem Teufelskreis von Nähe und Distanz werden – Experte klärt auf.

Ein Wechselspiel aus Nähe und Distanz, ständige On-Off-Beziehungen, plötzlicher Kontaktabbruch: So kann sich bei einem Menschen die Bindungsangst äußern. Einer Statistik aus dem Jahr 2022 zufolge ist mehr als ein Drittel der Männer nicht an festen Beziehungen interessiert und bevorzugt unverbindliche Bekanntschaften.

Ein Paartherapeut erklärt, warum Menschen Bindungsangst entwickeln und wie man damit als Betroffener und als Partnerin bzw. Partner umgehen kann. Auch wenn die Angst vor der Nähe vor allem Männer betrifft, fürchten sich häufig auch Frauen vor der Liebe.

Liebe: Wie äußert sich Bindungsangst in Beziehungen?

Bindungsangst kommt oft zum Vorschein, wenn sich der Partner von zu viel Nähe erdrückt fühlt und sein Wunsch nach Autonomie stärker wird. Das Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung wird dann häufig gestillt, in dem sich der bindungsängstliche Partner emotional distanziert oder sogar plötzlich verschwindet. Dieses Verhalten kann durch verschiedene Themen ausgelöst werden: von Händchenhalten bis zu gemeinsamer Urlaubs- oder Heiratsplanung, sagt Eric Hegmann, Paartherapeut und Mitbegründer der Modern Love School.

Warum einige Männer keine feste Beziehung eingehen wollen, liegt vor allem daran, dass sie Angst haben, verletzt zu werden, erklärt Hegmann. Sie wollen ihre Autonomie demnach bewahren und gehen oft auf Distanz, wenn sie sich durch zu viel Bindung eingeengt fühlen. Das erklärt auch, warum eine Beziehung mit einem Partner, der an einer Bindungsangst leidet, häufig von einem emotionalen Auf und Ab geprägt ist. Einer großen Liebeserklärung kann kurz danach eine zurückhaltende Haltung folgen, sagt der Paartherapeut.

Auch eine Fehlersuche bei seinem Partner oder häufige Trennungen können weitere Anzeichen für Bindungsangst sein.

Beziehungen: Warum entwickeln Männer Bindungsängste?

Bindungsängste haben ihren Ursprung oft in der Kindheit. Sie können die Folge von schlechten Erfahrungen mit den ersten Bindungspersonen sein: Die Scheidung der Eltern oder ein emotional distanzierter Elternteil kann dazu führen, dass sich ein Kind nicht liebenswert fühlt und glaubt, sich die Elternliebe erst einmal verdienen zu müssen.

Im erwachsenen Alter entsteht daraus häufig eine Verlustangst – der Betroffene verspürt eine tiefe Angst, von seinem Partner verlassen zu werden. „Bindungsangst ist keine Krankheit, sondern ein Symptom für unverarbeitete Trennungs- und Verlusterfahrungen“, erklärt Hegmann. Was daraus folgt, ist die Bindungsangst, die wie ein Schutzmechanismus vor der Verlustangst wirkt: Wenn der Betroffene keine Bindung zulässt, geht er kein Risiko ein, verletzt oder verlassen zu werden.

Experte erklärt: So geht man als Frau mit einem bindungsängstlichen Partner um

Wichtig sei es, sich erst einmal bewusst zu machen, dass Bindungsangst nicht viel über die Liebe des Partners aussagt. Eine offene und ehrliche Kommunikation über das Problem könne in vielen Fällen weiterhelfen. Seinem Partner Vorwürfe zu machen, wirke eher kontraproduktiv. Frauen müssen dennoch davon ausgehen, dass die Beziehung mit einem Mann, der an einer tiefen Bindungsangst leidet, von ständigen Nähe- und Distanzphasen bestimmt werden kann. „Einen bindungsängstlichen Mann als Partner zu haben, kann eine Herausforderung sein“, sagt Hegmann.

Frauen, die sich immer „in den Falschen“ verlieben und häufig auf einen bindungsängstlichen Partner treffen, sollten demnach erst einmal überlegen, ob sie sich möglicherweise selbst vor zu viel Nähe schützen wollen. „Hinter der Partnerwahl können eigene, versteckte Bindungsängste stecken, die sich für die Betroffenen sogar gegenteilig, nämlich als Verlustängste, darstellen.“ Wer sich in einen unerreichbaren Mann verliebt, der will vielleicht selber keine feste Beziehung.  

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Die gute Nachricht ist: Menschen können ihre Bindungsangst überwinden. „Bindungsangst ist nichts Pathologisches, also Krankhaftes, sondern eine Schutzstrategie, die aus der Erfahrung entsteht, sich lieber nicht emotional von anderen abhängig zu machen“, sagt Paartherapeut Hegmann. Die Angst vor der emotionalen Nähe sei bloß eine Bewältigungsstrategie, die der Betroffene oft in seiner Kindheit erlernt hat. Um die Bindungsangst zu überwinden, sei zunächst einmal wichtig, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen und sich idealerweise professionelle Hilfe zu holen. Hilfreich seien Strategien, die es ermöglichen, mit Verlust- und Trennungserfahrungen einen gesunden Umgang zu finden.