Berlin. Probleme gibt es wohl in jeder Beziehung – und jedes geht anders damit um. Doch was tun Experten? Ein Therapeutenpaar rät zu 6 Schritten.

  • Gisbert Straden und Andrea Katz sind ein Paar – und helfen als Therapeuten anderen Paaren
  • Hier berichten sie, wie sie mit Streit und Problemen in ihrer Beziehung umgehen
  • Besonders 6 Schritte helfen ihnen, Konflikte zu lösen

Immer wieder begegnen wir uns in unseren Paaren auch selbst. In so manchem Paarproblem finden wir einen Anteil von uns selbst wieder. Geschichten wiederholen sich – wenn auch immer in Nuancen anders – eben von Paar zu Paar variierend. Viele Paare berichten beispielsweise von einem komplizierten Start in ihre Beziehung – die Familie ist dagegen, die Freunde können nicht damit umgehen oder ein Partner steckte zu Beginn noch in einer anderen Beziehung. Meine Frau und mich erinnert dies an unseren eigenen Start.

Wir waren beide noch in festen Händen, als ich meine Frau und heutige Kollegin auf einer Party bei Freunden kennenlernte. Ich hatte schon viel im Freundeskreis von ihr gehört. Als ich sie dann persönlich sah, war ich hin und weg. Eine faszinierende Frau, aber eben nicht allein. So sprachen wir an diesem Abend kein Wort miteinander. Nur Blicke.

Die Glaubenssätze meiner Kindheit schossen mir durch den Kopf: „Das darf nicht sein“, „Wehret den Anfängen“, „Bis dass der Tod euch scheidet“, „Die Frau ist gebunden“. Was dagegen sprach, mit der Anziehung zu ihr hinzugeben, war zu mächtig. Die Einwände meines Familiensystems schlugen unerbittlich zu. Meine Frau erzählte mir später, dass es ihr genauso ging. Unsere Glaubenssätze waren die ungeprüften Überzeugungen, die mich, die uns lähmten. Was wir füreinander empfanden, durfte nicht sein.

Gisbert Straden & Andrea Katz

Genau wie seine Frau Andrea Katz ist Gisbert Straden ausgebildeter Paar- und Sexualtherapeut. Zuvor war er als Dozent für Wirtschaftspsychologie tätig. Gemeinsam mit seiner Frau, die hauptberuflich als Lehrerin arbeitet, betreibt er die Praxis „Von Paar zu Paar“ in Berlin. In ihrer Beziehungskolumne „Wie Katz und Straden“ beleuchten sie gemeinsam Beziehungsprobleme und suchen nach Lösungen – sowohl aus der Perspektive erfahrener Therapeuten als auch aus ganz persönlicher Sicht, mit eigenen Konflikten und Herausforderung in der Beziehung.

Sorgen Erfahrungen aus der Kindheit für Probleme in der Beziehung?

Glaubenssätze – so nennen wir die Programmiersprache unseres Selbstwertes und unseres Selbstbildes. Sie entstehen unter anderem durch Erziehung und Sozialisation. Wir werden angepasst an gesellschaftliche und familiäre Denk- und Gefühlsmuster. Die ersten prägenden Bewertungssätze, die wir lernen sind: „Ich bin okay“ beziehungsweise „Ich bin nicht okay“. Diese Überzeugungen und Glaubenssätze sind die Blaupause für alles, was wir zukünftig etwa über die Art und Weise, wie in Beziehungen denken, leben und fühlen.

Wenn wir als Kleinkind angeschrien wurden, können wir nicht differenzieren „Ah, Papa hat eine Emotionsregulationsstörung und sollte einmal zu einem Therapeuten gehen.“ Wir können im Alter von 0 bis 3 Jahren nur fühlen „Ich bin nicht okay. Ich bin falsch“. Werden wir später in unserer Beziehung angeschrien, ist die Gefahr groß, dass wir uns automatisch sofort falsch und schlecht fühlen. Wir kommen oft erstmal nicht auf die Idee, dass unser Partner ein Problem haben könnte, wenn er schreit.

Glaubenssätze geben uns, je nach Erfahrung, mehr oder weniger Wahlmöglichkeiten. Wenn ich in der entscheidenden Phase meiner Prägung gelernt habe „Ich bin nicht okay“, dann habe ich nicht unbedingt die Wahlmöglichkeit zu fühlen, dass ich „okay“ bin. Den meisten Menschen ist dies nicht bewusst. Wir funktionieren einfach nach diesen Mustern und hinterfragen sie in der Regel nicht. Glaubenssätze sind Programme, die im Hintergrund laufen und durch Prägung und Wiederholung installiert wurden.

Beziehung stärken: Eigenes Verhalten verstehen und aus Fehlern lernen

Und so hatten meine Frau und ich im Nachhinein betrachtet, keine Wahlmöglichkeit unmittelbar aufeinander zuzugehen. Es dauerte noch rund zwei Jahre und einige Begegnungen bei diversen Anlässen, bis wir in Kontakt traten.

Was haben wir gelernt? Und was empfehlen wir Paaren mit einer ähnlichen Geschichte? Wir sind uns einig darin, dass es sinnvoll ist, Glaubenssätze zum Thema Beziehung zu identifizieren, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern. Wir arbeiten hier nach einer Idee von Robert Dilts, einem US-amerikanischen Psychologen.

Beziehungsprobleme bekämpfen: Glaubenssätze in 6 Schritten verändern

So gehen Katz und Straden vor:

  1. Im ersten Schritt geht es darum, überhaupt erst einmal die eigenen Glaubenssätze zu identifizieren. Welche Glaubenssätze habe ich im Zusammenhang meinen Herausforderungen in der Beziehung. Diese schreiben wir auf.
  2. Im zweiten Schritt prüfen wir, ob sie nützlich für uns sind oder ob sie uns in unserer Entwicklung hindern. Was brauchen wir also um über die „Schatten unserer Erziehung“ etc. zu springen?
  3. In einem dritten Schritt gehört unbedingt dazu, dass wir uns die Entstehungsgeschichte unserer Glaubenssätze vor Augen führen. Wann sind diese entstanden? Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist wichtig, um zu verstehen, wie wir die Person geworden sind, die wir heute sind. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, dass unsere Eltern in aller Regel nicht „schuld“ sind. Auch sie wurden geprägt wie wir und hatten ebenso mit ihren Glaubenssätzen zu kämpfen. Wir gehen erst einmal grundsätzlich davon aus: Eltern wollen in der Regel nur das Beste für ihre Kinder.
  4. In einem vierten Schritt geht es um die Überprüfung. Gelten unsere Glaubenssätze immer? Gab oder gibt es Situationen, in denen derselbe Glaubenssatz eine andere Wirkung hat? „Mit meiner Freundin/meinem Freund kann ich problemlos über dieses Thema reden – weshalb fällt mir dasselbe Thema in meiner Liebesbeziehung so schwer?“
  5. Der fünfte Schritt war für meine Frau und mich der Wichtigste: das Infragestellen der blockierenden Glaubenssätze. Letztlich müssen wir erkennen, dass uns unsere Glaubenssätze immer auch ein Stück in unsere Kindheit zurückwerfen. Stefanie Stahl, eine sehr geschätzte Kollegin, spricht vom „Schattenkind“ (Ich bin nicht okay.) oder vom „Sonnenkind“ (Ich bin okay). Wir verlieren dann die Möglichkeit zur Kontrolle über unser erwachsenes Ich und fallen in die Muster der Vergangenheit zurück. Wann sind wir unserem Glaubenssatz zum ersten Mal begegnet? Wie alt waren wir? Was war dies für eine Zeit? Bin ich heute derselbe Mensch wie vor 10, 15 oder 25 Jahren? So können wir die Kontrolle über unser kindliches Ich erlangen.
  6. Im sechsten und letzten Schritt können wir die blockierenden Glaubenssätze auflösen und durch nützliche Glaubenssätze ersetzen. Ein Beispiel: Anstatt zu sagen: „Ich muss mich anpassen und in meiner Beziehung funktionieren.“ Könnten wir sagen „Es ist richtig und wichtig meinen eigenen Standpunkt zu vertreten und ich darf auf mich aufpassen.“

Meine Frau und ich haben ein großes Plakat mit allen Glaubenssätzen aufgehängt, an denen wir arbeiten. Es ist schön zu sehen, wie wir nach und nach die überkommenden Glaubenssätze unseres Lebens abhaken können. Manche Glaubenssätze behalten wir – sind uns aber bewusst, welche Bedeutung sie für uns haben. Das Schöne ist, wir lernen uns besser kennen und wir bekommen immer mehr Wahl- und Entwicklungsmöglichkeiten als Paar.