Berlin. Je dunkler das Brot, desto gesünder? Ernährungsmediziner Dr. Riedl deckt ungesunde Irrtümer auf und erklärt, wie wir es richtig machen.
Es gibt mittlerweile unzählige Ernährungsregeln, die versprechen, uns gesünder und fitter zu machen. Doch die Informationen auf Internetseiten, in Blogs oder Ernährungsratgebern sind oft widersprüchlich. Während manche Tipps und Tricks durchaus einen wahren Kern haben, beruhen andere auf Missverständnissen oder sind schlichtweg falsch. Wir haben mit Ernährungsmediziner Matthias Riedl über drei besonders gefährliche Mythen gesprochen.
Mythos #1: Fett macht fett
„Ein Klassiker unter den Ernährungsmythen, der immer wieder auftaucht, ist der Satz ‚Fett macht fett‘“, sagt Riedl im Interview. Fett besitzt mit circa 9 Kilokalorien pro ein Gramm Fett zwar den höchsten Kaloriengehalt aller Makronährstoffe. Dennoch ist Fett nicht grundsätzlich schlecht beziehungsweise sorgt nicht direkt für Übergewicht. „Vielmehr entsteht Übergewicht durch eine langfristige Ernährung mit einem Energieüberschuss, meist verbunden mit Bewegungsmangel“, so Riedl.
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Besonders gefährlich wird der Fett-Mythos, wenn Menschen aus Angst, zuzunehmen, gesunde Fette meiden. Denn bestimmte Fette, wie etwa Omega-3-Fettsäuren, sind für unseren Körper lebensnotwendig. „Unser Körper kann sie nicht selbst herstellen, wir müssen sie mit der Nahrung aufnehmen“, sagt Riedl. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und wirken entzündungshemmend. Wer Fett pauschal meidet, läuft Gefahr, diese lebensnotwendigen Fettsäuren und fettlöslichen Vitamine nicht aufzunehmen – und das hat negative Folgen für die Gesundheit.
So machen Sie es richtig:
Für eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist es wichtig, die richtigen Fette und das richtige Fettsäuremuster zu wählen. Günstige Quellen sind zum Beispiel pflanzliche Öle wie Lein-, Walnuss-, Raps- und Olivenöl, außerdem Nüsse und Saaten, gegebenenfalls auch fettreicher Fisch wie Lachs und Hering. Achten Sie darauf, vor allem einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu essen. Gesättigte Fettsäuren, die häufig aus tierischen Produkten wie Fleisch, Butter und Sahne stammen sowie Transfettsäuren, die vor allem aus frittierten Lebensmitteln, Backwaren und Fertigprodukten stammen, sollten nur wenig gegessen werden.
Mythos #2: Eiweiß-Hype – je mehr Eiweiß, desto schlanker und fitter
Proteinriegel, Proteinshakes und eiweißreiche Snacks liegen im Trend. Influencer vermarkten sie über Social Media, die Supermarktregale sind voll davon. Doch viele dieser Produkte halten nicht, was sie versprechen. „Der Konsum von Eiweißprodukten wirbt mit dem Versprechen eines gesunden und fitten Körpers, kombiniert mit der Möglichkeit, ursprünglich ‚ungesunde‘ Lebensmittel ohne schlechtes Gewissen konsumieren zu können“, so Riedl. Das sei aus ernährungsmedizinischer Sicht fatal, weil es sich bei den Produkten vor allem um ultrahochverarbeitete Lebensmittel handelt, die viele umstrittene Zusatzstoffe wie Aromen und Süßstoffe enthalten, die langfristig unserer Gesundheit schaden können – beispielsweise der Darmflora.
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„Es stimmt zwar, dass Eiweiß zu einem langanhaltenden Sättigungsgefühl beiträgt und so beim Abnehmen helfen kann. Lebensmittel wie Schokolade, Pudding oder Schokoriegel werden durch eine Anreicherung mit Protein nicht automatisch gesünder.“ Laut Riedl ist eine hohe Zufuhr von Eiweiß aus angereicherten Lebensmitteln weder notwendig noch gesundheitlich empfehlenswert: „Gesunde Normalverbraucher oder Freizeitsportler brauchen dieses zusätzliche Eiweiß nicht. Eine ausreichende Proteinzufuhr lässt sich normalerweise durch eine ausgewogene Ernährung gut decken.“
So machen Sie es richtig:
Die Proteinzufuhr sollte bestenfalls über den Tag verteilt werden und idealerweise aus verschiedenen Eiweißquellen bestehen. Pflanzliches Eiweiß sollte dabei den größeren Anteil bilden. Tierisches Protein hat zwar eine höhere biologische Wertigkeit (heißt: es ist dem menschlichen Körperprotein in seiner Aminosäuren-Zusammensetzung ähnlicher). In tierischen Produkten sind allerdings keine gesundheitsförderlichen Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten.
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Durch die Kombination von vielen verschiedenen pflanzlichen Proteinquellen, insbesondere Hülsenfrüchten, ist der Proteinbedarf (bei erwachsenen Personen etwa 0,8 – 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht) gut zu decken. Bei älteren Menschen, Kranken, Schwangeren und Leistungssportlern ist der Eiweißbedarf leicht erhöht und sollte dementsprechend angepasst werden.
Mythos 3: Schwarzes Brot ist gesünder als weißes Brot
Beim Bäcker greifen viele lieber zum dunklen Brötchen als zum Weißmehlprodukt. Dunkel ist schließlich gesünder, oder? Doch leider sagt die Farbe des Brotes kaum etwas über seinen Gesundheitswert aus. „Durch die Zugabe von Farbstoffen, Malz oder auch Glukose kann auch ein Brot aus stark ausgemahlenem Mehl, also Weißmehl, dunkel erscheinen“, erklärt Riedl.
„Es besteht die Gefahr, dass man glaubt, eine gesündere Wahl getroffen zu haben, gleichzeitig aber weniger Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe aufnimmt, als es beim Verzehr eines Vollkornbrotes theoretisch möglich wäre.“ Verbraucherinnen und Verbraucher haben es daher schwerer, ihren Nährstoffbedarf zu decken, und nehmen auch mehr ungünstige Lebensmittelinhaltsstoffe auf, wie beispielsweise Zucker.
So wissen Sie, wie nährstoffreich Ihr Brot ist
Nur an der Farbe lässt sich kein Vollkornprodukt erkennen. Am besten immer einen Blick auf die Zutatenliste werfen. Hier sind die Zutaten nach ihrer Menge im Produkt aufgelistet. Die Verwendung von Vollkornmehlen muss dort angegeben werden, anhand der Position ist der Anteil im Lebensmittel zu erkennen. In der Bäckerei immer gezielt nach reinen Vollkornprodukten fragen.
Tipps der Redaktion: Wer sich unsicher ist, ob die eigene Ernährung gesund und vielfältig genug ist, kann eine Ernährungsanalyse in einer Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin (Anschriften unter www.bdem.de) anfertigen lassen. Bei Krankheiten wird dies auch von der Krankenkasse bezahlt.
Unser Experte
Dr. Matthias Riedl ist Ernährungsmediziner, Diabetologe und ärztlicher Direktor des Medicum Hamburg. Seit 2015 ist er Teil der von ihm konzipierten NDR-Sendung „Die Ernährungs-Docs“, in der Dr. Riedl zusammen mit anderen Medizinern Ernährungsstrategien für konkrete Patientenfälle entwickelt. Zu der Sendung wurden mehrere Begleitbücher veröffentlicht. Zudem betreibt Dr. Riedl seit 2022 in Zusammenarbeit mit der Funke Mediengruppe den Podcast „So geht gesunde Ernährung“.