Euro-Haushalt, Bankenhilfe, Reformverträge: Auf dem EU-Gipfel in Brüssel wird die nächsten beiden Tage um die „Eurozone 2.0” gerungen.

Brüssel. Gleich vier Top-Ingenieure hat die EU auf ihre größte Baustelle entsandt, um Pflöcke für eine krisenfeste „Eurozone 2.0“ einzurammen: Von direkten Bankenhilfen über einen eigenen Euro-Etat bis hin zur Kontrolle nationaler Haushalte, wochenlang haben die Präsidenten des Europäischen Rats, der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Eurogruppe an ihrem heiklen Entwurf gefeilt. Am (heutigen) Donnerstag erwartet Gipfelchef Herman Van Rompuy das Mandat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Kollegen, bis Dezember den Fahrplan für eine „echte Wirtschafts- und Währungsunion“ fertigzustellen. Ein Überblick, worum es dabei geht:

Bankunion

Sie soll letztlich garantieren, dass Banken nicht mehr in die Pleite rutschen. Und falls doch, dass sie sich untereinander auffangen, statt mit Steuergeldern gerettet zu werden. Das Sicherheitsnetz dafür sollen sich die Geldhäuser selbst schaffen: über eine gesonderte Abgabe und eine Beteiligung der Anteilseigner. Ein Fonds zur Einlagensicherung ist vorerst nicht mehr Teil des Projekts. Dessen Herzstück soll eine europäische Bankenaufsicht sein, die Kreditinstitute so scharf kontrolliert, dass sie sich nicht mehr verzocken können.

Wie genau diese Bankenaufsicht aufgebaut und für welche Geldhäuser sie zuständig sein soll, ob sie zum Jahreswechsel an den Start gehen kann oder erst später, ob direkte Bankenhilfen des ESM schon in der Übergangsphase möglich sein sollen oder erst danach - über all diese Punkte wird in der EU noch gestritten. Für Deutschland geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit, um Luft schnappende Südländer wie Spanien und Italien wollen die Geldschleusen schon ab 1. Januar 2013 aufdrehen, um ihre Schuldenbilanz zu entlasten. Für Frankreich ist dieses Datum gar der einzig notwendige Gipfelbeschluss überhaupt.

Fiskalunion

Die Sanktionen gegen Defizitsünder sind bereits verschärft worden, zudem hat der Fiskalpakt Schuldenbremsen eingeführt. Die nächste Etappe ist eine Vorabkontrolle der nationalen Haushalte in Brüssel. Bei Van Rompuy ist von einem „umfassenden integrierten Haushaltsrahmen“ die Rede. Schäuble pocht ungleich deutlicher auf neue Kompetenzen für den EU-Währungskommissar: Der soll eigenmächtig Haushaltspläne ablehnen und die Hauptstädte zum Nacharbeiten zwingen können. Das wäre ein scharfer Eingriff in die nationale Souveränität - und stößt außerhalb Berlins auf großen Widerstand.

Die Gegner der Kompetenzabgabe will Van Rompuy mit einer Belohnung locken: Für die Mitglieder der Währungsunion, deren Wirtschaft trotz oder gerade wegen ihres Spar- und Reformeifers einbricht, soll ein neuer Topf eingerichtet werden. Zusätzlich zu den Strukturmitteln aus dem Brüsseler Gemeinschaftsbudget könnten aus dieser „fiskalischen Kapazität“ ökonomische Schocks absorbiert werden. Gemeint sind etwa Konjunkturprogramme gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Auch überfällige, aber schmerzhafte Reformen ließen sich aus diesem Euro-Budget „versüßen“.

Unklar ist, wer den neuen Topf füllt. Das ginge entweder über Beiträge aus den Mitgliedsstaaten. Oder über Kapital, das die neue Kapazität dann selbst aufnehmen müsste. Merkel brachte auch die künftige Finanztransaktionssteuer als Einnahmequelle ins Spiel. Der von Frankreich unermüdlich wiederholte Ruf nach einer weitgehenden Schuldenvergemeinschaftung über Euro-Bonds findet sich in Van Rompuys Konzept nicht, allerdings regt er an, über den begrenzten Einsatz gemeinsamer Schuldscheine mit kurzer Laufzeit nachzudenken. Deutschland hat schon rigoros abgewunken.

Wirtschaftsunion

Sie bezeichnet den Versuch, die nationalen Regierungen zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaftspolitik zwingen zu können. Zwar gibt ihnen die Kommission alljährlich etliche Reformhausaufgaben auf. Doch haben die bislang nur den Status von „Empfehlungen“ – die Umsetzung liegt damit im Ermessen der Hauptstädte. Um das zu ändern, wären schwierige Änderungen der EU-Verträge notwendig. Ein möglicher Ausweg findet sich im Van-Rompuy-Bericht: Statt die EU-Regeln zu ändern, könnten die Regierungen jeweils individuelle Reformverträge mit den EU-Institutionen schließen. Darin sollten nach Vorstellung des Ratschefs nicht nur die einzelnen Reformschritte festgelegt werden, sondern auch „begrenzte und flexible finanzielle Anreize“.