Streitfragen: Zölibat, Verhütung, Finanznot, innere Reformen: Womit sich der neue Papst beschäftigen muß.
Rom. Auf den nächsten Papst wartet schon jetzt eine lange Liste schwieriger Aufgaben, die für die Zukunft der katholischen Kirche eine entscheidende Rolle spielen können. Empfängnisverhütung, Aids-Vorsorge, Zölibat für Priester und Ordensleute, Frauenordination - wie wird sich der neue Pontifex zu zentralen Themen wie diesen stellen?
Papst Johannes Paul II. übte zwar vor allem auf Jugendliche eine starke Faszination aus. Deshalb kommen sie in diesen Tagen zu Hunderttausenden nach Rom, um auf dem Petersplatz zu trauern und zu beten. Jedoch sind kaum noch junge Menschen bereit, für eine Kirchenkarriere auf ein ausgefülltes Sexualleben zu verzichten. Für den verstorbenen Papst und seine Kurienkardinäle stand der Zölibat trotzdem nie zur Diskussion. Dabei hatte das Zweite Vatikanische Konzil schon in den 60er Jahren über eine Abschaffung nachgedacht. Aus Protest und der enttäuschten Hoffnung auf eine Lockerung dieser Regel ließen sich viele Priester Ende der 60er Jahre von ihrem Dienst entbinden. Vor allem aus diesem Grund herrscht in der westlichen Welt akuter Priestermangel. Wenn der Nachfolger von Johannes Paul II. in dieser Hinsicht die Richtung änderte, käme dies der Lebenswelt vieler Gläubigen entgegen. Andererseits würden konservative Katholiken dies als einen Bruch mit heiligen Traditionen empfinden.
Ebensowenig wie über den Zölibat war mit Johannes Paul II. über Frauenpriestertum zu reden. Dabei stellen weibliche Gläubige nicht nur die Hälfte der Katholiken, sie sind auch besonders aktiv in der Kirche - sei es in der Caritas, bei der Vorbereitung von Kindern auf die Erstkommunion oder der Schmückung von Kirchen zu den Festen. Wenn ihnen der Weg zum Priesteramt geebnet würde, kämen womöglich Scharen von Frauen, die sich jetzt ausgegrenzt fühlen, zum Gottesdienst. Umgekehrt würden vor allem ältere Katholiken vermutlich den Messen fernbleiben, wenn am Altar eine Priesterin stünde.
In Afrika führt die Aids-Epidemie zum Massensterben. Trotzdem verbietet die katholische Kirche noch immer Kondome. Wenn der nächste Papst an der restriktiven Haltung zur Verhütung festhält, droht der Kirche in der Weltöffentlichkeit ein zunehmender Verlust an Glaubwürdigkeit. Präservative zuzulassen würde die katholische Kirche in westlichen Gesellschaften wieder attraktiver machen, zumal schon jetzt die Mehrheit ihrer Mitglieder sich über das Verhütungsverbot hinwegsetzt. Reformen in dieser Frage wären leichter durchzusetzen, da bestimmte Verhütungsarten bereits jetzt vom Vatikan akzeptiert werden, etwa Methoden, mit denen der Eisprung der Frau berechnet wird.
Mittlerweile gehen auch geschiedene und wiederverheiratete Katholiken in Deutschland wieder erhobenen Hauptes zur Messe. Das Kirchenrecht schließt sie aber noch immer von der Teilnahme am - laut Vatikan - wichtigsten Moment des kirchlichen Lebens, der Eucharistie, aus. Der nächste Papst wird sich angesichts weiter steigender Scheidungsraten überlegen müssen, ob geschiedene Katholiken ausgegrenzt bleiben sollten.
In der weitgehend säkularisierten westlichen Welt droht der katholischen Kirche wegen mangelnder Attraktivität ein finanzielles Desaster. Die Erzdiözese Köln beispielsweise muß in den nächsten drei Jahren fast ein Sechstel ihres Jahresetats von derzeit 385 Millionen Euro einsparen. Das Bistum Essen legt aus Geldmangel seine 300 Gemeinden zu 36 Großgemeinden zusammen. Und die Kirchensteuereinnahmen werden - auf Grund anhaltender Wirtschaftskrise und massenhafter Austritte - weiter sinken.
Touristen machen in Rom zwar gern Schnappschüsse der Schweizergardisten, die am Vatikan in ihren bunten Renaissance-Uniformen Wache stehen. In ihrer äußerst unpraktischen Aufmachung gelten sie aber gleichsam als Symbol dafür, daß die Kurie dringend reformiert werden müßte. Selbst Vatikan-Kardinäle beklagen, daß Johannes Paul II. zwar die ganze Welt bereiste und die christliche Botschaft in die entlegensten Ecken trug. Seinen eigenen Behördenapparat mit 3000 Mitarbeitern und einem Jahresaufwand von 200 Millionen Euro aber beließ er im althergebrachten Zustand. Schon einer seiner Vorgänger, Johannes XXIII. (1958-1963), hatte auf die Frage, wie viele Menschen im Vatikan arbeiteten, ironisch geantwortet: "Die Hälfte." Eine Verschlankung der Kongregationen, Räte und Ehrengarden würde den Vatikanhaushalt entlasten und möglicherweise die Effizienz erhöhen.
Nach großen Fortschritten im Dialog mit den Protestanten hat sich in den letzten Jahren wieder eisige Kälte in der offiziellen Ökumene breitgemacht. Auch beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 verbot der Vatikan den Katholiken, mit Protestanten das Abendmahl zu feiern. An der Kirchenbasis sind gemeinsame Meßfeiern aber vor allem in Deutschland weit verbreitet. Deshalb sehen viele Katholiken hier Handlungsbedarf für einen neuen Papst, denn wenn die Christen der verschiedenen Konfessionen nicht gemeinsam auftreten, drohen sie in der modernen Welt nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern auch noch mehr Einfluß auf die Gesellschaft zu verlieren.
Zu den Schwierigkeiten, die Johannes Paul II. immer wieder ansprach, ohne sie zu lösen, gehört auch das Verständnis von der Rolle des Papstes selber. Nicht nur in der Ökumene ist seine unbegrenzte Machtbefugnis über die Kirche ein Problem. Auch in den eigenen Reihen wird seit langem mehr Kollegialität gefordert. Bischöfe wollen mehr zu sagen haben und weniger von Rom aus diktiert bekommen.