Demonstration gegen Nationalismus in Istanbul. Hauptverdächtiger belastet Sicherheitskräfte. EU sieht die Verhandlung als Nagelprobe.
ISTANBUL. - Rund 1000 Menschen haben zum Prozessauftakt im Fall des ermordeten türkisch-armenischen Schriftstellers Hrant Dink gegen Faschismus und Nationalismus demonstriert. "Wir wollen Gerechtigkeit" und "Schulter an Schulter gegen den Faschismus", forderten sie gestern in Istanbul auf Plakaten und Bannern. Die Polizei begleitete den Zug mit 500 Beamten. Zur Beerdigung Dinks im Januar waren 100 000 Menschen auf die Straße gegangen, um für Meinungsfreiheit und die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern zu demonstrieren.
In dem Prozess stehen 18 Angeklagte vor Gericht. Einer der Hauptverdächtigen, der nationalistische Extremist Yasin Hayal, sagte während der Ermittlungen aus, den Mord gemeinsam mit seinen Kameraden auf Befehl von Polizeioffizieren begangen zu haben. Er bestätigte damit den Verdacht vieler demokratischer Kräfte, innerhalb von Sicherheitsapparat und Justiz bildeten Radikale einen Staat im Staat. "Ich weiß nicht, was ,innerer Staat' bedeutet. Ich weiß auch nicht, ob das legal oder illegal ist, aber eines ist sicher: Es gab in der Polizei eine Gruppe, die uns kontrolliert hat", schrieb Hayal an die Staatsanwaltschaft.
Dink war vor seinem Büro in Istanbul erschossen worden. Nach dem Anschlag wurden in der Stadt am Bosporus mehrere Polizisten entlassen, darunter auch der Chef des Polizei-Geheimdienstes. Die EU hat den Prozess als Lackmustest für die Unabhängigkeit der Justiz des Beitrittskandidaten bezeichnet.
Dink war eine Hassfigur der Extremisten, weil er offen über den Völkermord an den Armeniern während des Osmanischen Reiches sprach. Nationalisten leugnen, dass es einen Völkermord gegeben hat.
Ministerpräsident Tayyip Erdogan hatte die Bluttat als einen Angriff auf den Frieden und die Stabilität des ganzen Landes bezeichnet.