Wechsel: Wahlsieger will die Vermögenssteuer abschaffen. Die abgewählte Regierung soll die Höhe der Arbeitslosigkeit über Jahre manipuliert haben.

Stockholm. Der Parteichef der schwedischen Konservativen, Fredrik Reinfeldt (41), hat gestern nach seinem Sieg bei den Reichstagswahlen Sondierungen zur Bildung einer Mitte-rechts-Regierung aufgenommen. Reinfeldt kündigte in Stockholm die Ablösung des bisherigen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Göran Persson (58) am 6. Oktober an und sagte über seine Ziele: "Im Zentrum steht die Schaffung von Arbeitsplätzen. Nur mit mehr Jobs können wir den Sozialstaat halten."

Die Arbeitsmarktpolitik war ein großes Wahlkampfthema. Trotz guter Konjunktur war es Persson nicht gelungen, die Arbeitslosenquote wie versprochen auf vier Prozent zu bringen. Sie liegt bei rund fünf Prozent. Aber diese Zahl wird von der bisherigen Opposition und Experten infrage gestellt. Nach Meinung des britischen Wirtschaftsmagazins "The Economist" ist Schweden "Weltmeister beim Manipulieren der Arbeitslosenzahlen".

Würden EU-Maßstäbe angelegt, käme das Land auf eine Quote von 7,4 Prozent. Experten, auch in den Gewerkschaften, sprechen von ungefähr 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung, die "außerhalb des Arbeitsmarkts stehen", rund eine Million Menschen. Sie sind Frührentner, stecken in Arbeitsmarktprogrammen, sind chronisch krank oder können nicht als Arbeitslose registriert werden, weil sie keine zwei Jahre sozialversichert waren. Dieses trifft hauptsächlich auf Jugendliche zu, die neben Einwanderern das Hauptkontingent der Erwerbslosen stellen. Mit einer Quote von gut 13 Prozent liegen sie damit fast an der EU-Spitze.

Die künftigen Regierungsparteien wollen neben der Privatisierung von Staatsunternehmen auch die Vermögenssteuer abschaffen und die Bezüge für Arbeitslose senken. Reinfeldts Partei hatte bei den Wahlen ihren Stimmenanteil mit einem nie zuvor in Schweden erreichten Zuwachs von 10,9 Prozentpunkten auf 26,1 Prozent gebracht. Wegen des schlechten Abschneidens von zwei der vier künftigen Koalitionspartner fiel der Vorsprung des Bürgerblocks gegenüber dem bisherigen sozialdemokratischen Regierungslager mit 178 zu 171 Mandaten aber weniger deutlich aus.

Persson reichte seinen Rücktritt bei Reichstagspräsident Björn von Sydow ein. Er bleibt bis zum Antritt der neuen Regierung geschäftsführend im Amt. Persson sagte, die sozialdemokratische Niederlage sei Folge eines "sehr diffus verlaufenen Wahlkampfes".

Die schwedischen Sozialdemokraten haben zuletzt zwölf Jahre in Folge das Land regiert und in 65 der letzten 74 Jahre den Regierungschef gestellt. Sie erhielten mit 35,2 Prozent 4,8 Prozentpunkte weniger als 2002 und erzielten ihr schlechtestes Ergebnis seit 1914. Gleichzeitig schafften die Konservativen ihr bestes Wahlresultat seit 1928. Insgesamt wechselten mit 34 Prozent so viele Wähler wie nie zuvor ihre Partei gegenüber den letzten Wahlen.

Persson hatte schon in der Wahlnacht angekündigt, dass er im kommenden März bei einem Parteikongress auch den Parteivorsitz abgeben werde. Er hatte die Spitzenämter in Partei und Regierung Anfang 1996 übernommen, galt zuletzt aber als amtsmüde. Als Anwärterin auf die Nachfolge ist EU-Kommissarin Margot Wallström (51) im Gespräch.

In den schwedischen Zeitungen machte sich Aufbruchstimmung breit: "Schweden wacht heute in einer neuen politischen Landschaft auf", schrieb das "Aftonbladet". Die liberale Zeitung "Dagens Nyheter" titelte: "Die Allianz hat die Landkarte neu entworfen". Reinfeldt selbst sprach von einem "neuen Schweden".