Augsburg. Die Partei Die Linke will den Dauerstreit mit Sahra Wagenknecht hinter sich lassen und ihren Markenkern aufpolieren. Zum Auftakt des Bundesparteitags in Augsburg bejubelt sie ihren Co-Vorsitzenden.

Niemand regte sich lautstark über Gendersprache auf. Niemand stänkerte öffentlich über die Parteispitze. Keiner schoss quer bei zentralen Themen wie Migration und Klimaschutz. Nach dem Bruch mit Sahra Wagenknecht herrschte zu Beginn des Bundesparteitags der Linken in Augsburg ungekannte Harmonie. Fast konnte man meinen, die stets beschworenen Ziele Solidarität und Frieden zählten nun wirklich auch in der Partei.

„Die Linke ist wieder da“, sagte die Co-Vorsitzende Janine Wissler zum Auftakt in der Halle auf dem Augsburger Messegelände. Es sei aktuell zwar keine einfache Situation. Aber mit der Trennung von Wagenknecht gehe auch ein Klärungsprozess einher. Ein Kapitel sei geschlossen, ein neues werde aufgeschlagen. „Mein Eindruck ist, dass es in der Partei auch ein Aufatmen darüber gibt, dass die Konflikte der Vergangenheit hinter uns gelassen werden“, meinte Wissler. Den Aufbruch symbolisieren soll ein neues Parteilogo in leuchtendem Rot, das Wissler gemeinsam mit ihrem Co-Vorsitzenden Martin Schirdewan vorstellte.

Klassische linke Themen

Schirdewan war es dann auch, der die große Rede des ersten Tages hielt - und die Halle zum Jubeln brachte. In seinem Rundumschlag war alles dabei, was linkes Selbstverständnis ausmacht: Attacken gegen Sozialkürzungen zu Lasten von armen Kindern und armen Rentnern, Solidarität der arbeitenden Klasse, Solidarität mit Minderheiten und Menschen in Not, die Forderung nach Umverteilung des Reichtums von oben nach unten.

„Wenn irgendjemand hier im Saal seit dem Bau der Pyramiden vor 4500 Jahren jeden Tag 100 000 Euro verdient hätte, dann wäre die Person heute halb so reich wie Elon Musk“, redete sich Schirdewan in Rage. Absurd sei das. Und die Ampel tue nichts gegen die Missstände, sondern verschlimmere die Lage. „Diese Bundesregierung ist die reinste Trümmertruppe.“

„Natürlich irren wir auch“

Ein bisschen Selbstkritik streute Schirdewan auch ein, zumal die Linke nicht nur eine Serie von Wahlschlappen hinter sich hat, sondern auch in den Umfragen bundesweit unter fünf Prozent liegt. Natürlich seien nicht alle Widersprüche und Streitpunkte in der Partei ausgeräumt. Man habe auch Fehler gemacht. „Natürlich irren wir auch, das ist doch menschlich“, sagte der Parteichef.

Er nannte einen potenziellen Streitpunkt der Linken: den Gaza-Krieg. Dem Vernehmen nach fand die Parteitagsregie aber eine Kompromissformel, die eine Mehrheit mittragen dürfte. Schirdewan formulierte es so: Zur Position der Linken gehöre die eindeutige Verurteilung des Terroranschlags der Hamas auf Israel vom 7. Oktober. Aber: „Der daraufhin im Gazastreifen ausgetragene Krieg mit seinen schrecklichen Folgen insbesondere für die palästinensische Zivilbevölkerung und Tausenden von Toten muss sofort enden.“

Ein bisschen Selbstbeschwörung

Unter dem Strich bleibt für Schirdewan: Das Land brauche eine „starke linke Partei“. Gemeinsam werde man wieder auf die Erfolgsspur kommen. „Die Linke hat sich fürs Kämpfen entschieden, wir sind die Linke und wir sind wieder da!“ Ein bisschen Selbstbeschwörung war auch dabei.

Die frühere Fraktionschefin Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete hatten am 23. Oktober ihren Austritt erklärt und die Gründung einer Konkurrenzpartei namens „Bündnis Sahra Wagenknecht“ für Januar angekündigt. Während die Linke bundesweit in Umfragen nur bei 4 bis 5 Prozent liegt, schafft die noch gar nicht gegründete Wagenknecht-Partei bei der Frage nach künftigen Wahlabsichten 12 bis 14 Prozent. Diese Werte sind noch nicht aussagekräftig. Aber klar ist: Es wird für die Linke ein harter Weg zum Comeback.

Die Europawahl im Juni wird die erste Messlatte. Und die ist an diesem Wochenende auch das eigentliche Thema in Augsburg. Ab Samstag werden die Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt. An der Spitze soll neben Schirdewan die Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete in den Wahlkampf ziehen, die als Seenotretterin im Mittelmeer bekannt geworden war. Auch der „Arzt der Armen“ Gerhard Trabert, einst Präsidentschaftskandidat der Linken, will für die Partei ins Europaparlament. Schirdewan sprach von einer Schicksalswahl. Er meinte das Schicksal Europas, aber es gilt wohl auch für seine Partei.