Berlin. Patienten müssen oft lange auf einen Termin warten. Doch die Ärzte warten auch manchmal umsonst auf Patienten. Deutschlands oberster Kassenarzt verlangt eine Ausfallgebühr - und erntet bissige Reaktionen.

Sieben von zehn Arztpraxen beklagen Probleme mit verpassten Terminen ihrer Patientinnen und Patienten. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, forderte daher eine Ausfallgebühr für nicht wahrgenommene Termine - und handelte sich damit den Vorwurf der versuchten Abzocke ein. Die Krankenkassen brachten im Gegenzug eine Entschädigung für Patienten ins Gespräch, die lange auf den Kontakt zum Arzt warten müssten.

Laut einer Online-Umfrage der KBV geht es bei rund 44 Prozent der betroffenen Praxen um 5 bis 10 Prozent aller Termine, zu denen Patienten nicht erscheinen. Bei rund 16 Prozent der Praxen ist demnach sogar bis zu einem Fünftel aller Termine betroffen. Die Ergebnisse lagen der Deutschen Presse-Agentur vor. Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtete zuerst darüber.

Forderung nach Ausfallhonorar

„Es ist nicht nur ärgerlich, wenn Patienten Termine in Praxen buchen und diese einfach verstreichen lassen“, sagte Gassen. „Praxen können Termine ja nicht zweimal vergeben.“ Die Termine seien geblockt und stünden dann für andere Patienten nicht zur Verfügung. Lächerlich seien von daher Forderung nach schnelleren und mehr Terminen. „Angemessen wäre vielmehr eine von den Kassen zu entrichtende Ausfallgebühr, wenn deren Versicherte Termine vereinbaren und dann nicht wahrnehmen.“

Der Spitzenverband der Krankenkassen wies die Forderung umgehend zurück. „Ein immer tieferer Griff in die Taschen der Beitragszahlenden löst keine Probleme“, sagte Helge Dickau vom GKV-Spitzenverband der dpa. „Stattdessen wäre es nur ein weiterer Zusatzverdienst für eine Berufsgruppe, die schon jetzt zu den Spitzenverdienern gehört.“ Dickau sagte: „Wie wäre es denn mit einem finanziellen Ausgleich für Patientinnen und Patienten, die viele Stunden Lebenszeit in Warteschleifen und Wartezimmern ärztlicher Praxen verbringen?“

Wartezeit auf Arzttermine

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sparte nicht mit Kritik an Deutschlands oberstem Kassenarzt. „Der Kassenärztechef sollte sich zunächst um die Überprüfung der Präsenzzeiten seiner Mitglieder kümmern“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. „Schließlich ist die mangelnde Erreichbarkeit für Patientinnen und Patienten das größte Problem.“ Auch deshalb suchten viele kranke Menschen Hilfe in den Notaufnahmen. Brysch hatte bereits im Frühjahr unter Berufung auf eine Umfrage kritisiert, dass viele Patientinnen und Patienten oft 30 Tage und mehr auf einen Arzttermin warten müssten.

Wege zum Arzttermin

Welcher Weg führt noch zu Terminen außer direkt über die Praxis? Eine Möglichkeit ist die Terminservicestelle. Das geht im Internet oder unter der Telefonnummer 116 117. Die Mediziner erhalten einen Zuschlag für Termine über diese Servicestellen. Einen Anspruch, bei einem bestimmten Arzt oder Psychotherapeuten einen Termin zu bekommen, gibt es dabei aber nicht - und auch hier kann es bis zum Termin Wochen dauern.

Zudem sind auch die Servicestellen mitunter überlastet. So ging beispielsweise die Erreichbarkeit der Stelle in Baden-Württemberg beim ersten Anrufversuch von 55 Prozent im vergangenen Jahr auf zuletzt 32 Prozent im März 2023 zurück, wie die „Ärzte Zeitung“ unter Berufung auf Angaben des Landessozialministeriums berichtete.

Eine Alternative sind Apps für Arzttermine, die man etwa mit dem Smartphone nutzen kann. Auch bieten Krankenkassen oft Unterstützung bei der Terminsuche an.

Schon jetzt Strafgebühr für ausgefallene Termine

Ausfallhonorare können bereits heute auf Patientinnen und Patienten zukommen, wenn sie Termine versäumen. Brysch wies darauf hin, dass Praxen bisweilen solche Strafgebühren verlangten. „Jetzt noch eine zweite Gebühr von den Versichertenbeiträgen zu fordern, ist Abzocke“, sagte der Stiftungsvorstand daher.

Laut Verbraucherzentrale Bundesverband sind Ausfallhonorare von Arztpraxen für verpasste oder abgesagte Arzttermine heute aber nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein Ausfallhonorar könne fällig werden, wenn Patientinnen und Patienten ohne Terminabsage nicht erscheinen und die Praxis für größere Termine nicht kurzfristig einen Ersatzpatienten einbestellen könne. Der Ratschlag der Verbraucherschützer: „Bei festen Terminen sollte die Absage schriftlich oder per E-Mail erfolgen, damit diese belegt werden kann.“