Dresden. Polizei fasst neun Verdächtige. Insgesamt deutlich weniger Teilnehmer an erster Pegida-Demo in 2016. Anzahl von Bürgerwehren steigt.
Auch im neuen Jahr hat die fremdenfeindliche „Pegida“-Bewegung wieder mehrere Tausend Anhänger mobilisieren können. Am Montagabend beteiligten sich in Dresden bei kalter Witterung und leichtem Schneefall laut der studentischen Statistik-Initiative „Durchgezählt“ zwischen 3.500 und 4.000 Menschen an einer Demonstration. Zuletzt hatte „Pegida“ drei Tage vor Heilig Abend zwischen 6.000 und 8.000 Menschen auf die Straße gebracht.
Zum Gegenprotest hatte am Montag erneut die Bewegung „Gepida“ („Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter“) aufgerufen. Laut „Durchgezählt“ versammelten sich bis zu 180 Teilnehmer unter dem Motto „Kaltland - Wir zeigen Wärme“ auf dem Postplatz neben dem Zwinger. Nach Abschluss ihrer Gegenkundgebung schlossen sich die Demonstranten einer Kerzenprozession für den Frieden an. Zu dieser hatten am Montagabend die Dresdner Nagelkreuzzentren nach dem Friedensgebet in der Kreuzkirche geladen.
Nach Angaben der Polizei haben am Abend mehrere Männer im Bereich des Postplatzes einen Slowaken zusammengeschlagen. Nach Angaben des Opfers waren die Täter mit schwarz-weiß-roten Mützen bekleidet und waren anschließend in einen Linienbus eingestiegen. Die Polizei stellte daraufhin die Identitäten von neun der Businsassen fest. Die Ermittlungen dauern an.
Kirche will Dialog mit Pegida
Der Beauftragte für Weltanschauungs- und Sektenfragen der evangelischen Landeskirche Sachsens, Harald Lamprecht, plädiert derweil trotz zunehmender Radikalisierung der „Pegida“-Bewegung für einen Dialog mit deren Anhängern. Der Gesprächsfaden dürfe nicht abreißen, sagte Lamprecht dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dresden. Allerdings dürfe es auch keine „Hätschel- und Tätschelpolitik für diese Gruppe geben“, weil sie das salonfähig mache. Lamprecht kritisierte einen zunehmenden Rassismus und Ausländerhass bei den Demonstrationen von „Pegida“. Zugleich rief er zu Gegenprotesten auf.
Bereits bei der Demonstration vor Weihnachten hatte „Pegida“-Chef Lutz Bachmann angekündigt, dass es in der kommenden Woche wohl keinen Protest der fremdenfeindlichen Bewegung in Dresden geben soll. Er rief seine Anhänger dazu auf, statt dessen zur Kundgebung des „Pegida“-Ablegers „Legida“ nach Leipzig zu reisen. Dort war die asylfeindliche Bewegung genau vor einem Jahr erstmals aufmarschiert. Vertreter der Stadt und der Kirche haben bereits einen friedlichen Protest für den 11. Januar angekündigt. Geplant ist eine Menschenkette rund um die historische Leipziger Innenstadt. Am Montagabend hatten in Leipzig erneut mehrere hundert Menschen gegen „Legida“ protestiert.
Verfassungsschutz bestätigt Bürgerwehr-Anstieg
Unterdessen bilden sich in Sachsen einem Zeitungsbericht zufolge immer mehr Bürgerwehren, um auf Streife zu gehen. „Einige davon werden von Rechtsextremen oder Rechtspopulisten initiiert oder mitgetragen“, sagte der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath, der Leipziger Volkszeitung (Dienstagsausgabe). Die Menschen sollten „sehr genau hinschauen, wem sie hinterherlaufen und für wen sie auf Streife gehen“, fügte er hinzu.
Hinter der steigenden Anzahl sogenannter Bürgerwehren stehe das sinkende Sicherheitsgefühl vieler Menschen. „Deshalb müssen wir uns fragen: Was ist los, damit so etwas nötig zu werden scheint?“, sagte Meyer-Plath. Das sächsische Innenministerium stellte dem Bericht zufolge klar: Bürgerwehren agieren ohne rechtliche Grundlage und verstoßen gegen das staatliche Gewaltmonopol. Sie dürften „die Grenze zur Selbstjustiz nicht übertreten“, hieß es weiter.
Polizei-Gewerkschafter: "Gefährliche Entwicklung"
Sachsenweit patrouillierten Bürgerwehren unter anderem in den Städten Leipzig, Chemnitz, Dresden und Görlitz, aber auch im Erzgebirge und in der Oberlausitz. Häufig seien es Anwohner, um Diebe abzuhalten. „Die Menschen fühlen sich nicht mehr sicher und haben kein Vertrauen mehr in den Freistaat. Deshalb sind sie der Meinung, selbst etwas unternehmen zu müssen“, erklärte Hagen Husgen, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, „das ist eine gefährliche Entwicklung“. Auch Husgen warnte vor Selbstjustiz. Allerdings könne er es den Menschen auch nicht verübeln, wenn sie ihr Eigentum mit nachbarschaftlicher Hilfe schützen wollten, erklärte er laut Zeitungsbericht. In Sachsen fehlten überall Polizisten.
Rein rechtlich könne gegen die Wehren nur selten vorgegangen werden, hieß es weiter. So lange sich die Wächter für Ordnung und Sicherheit korrekt verhalten, blieben sie unbehelligt. Das bedeute: Außer Reizspray oder Knüppeln dürften sie keine Waffen tragen und keine Gewalt ausüben.