München. Im NSU-Prozess redet die Hauptangeklagte grundsätzlich nicht. Doch jetzt hat sie sich einem Gerichtspsychiater etwas geöffnet.
Nur selten bekommen Beobachter des Münchner NSU-Prozesses wenigstens eine Ahnung davon, welche Gedanken die Angeklagte Beate Zschäpe beschäftigen mögen. In den Verhandlungen schweigt sie beharrlich. Jetzt aber hat Zschäpe sich dem Münchner Gerichtspsychiater Norbert Nedopil wenigstens ein bisschen geöffnet und Einblicke gewährt. Es ging dabei nicht um die Anklagevorwürfe, zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde und zwei Sprengstoffanschläge, sondern eher um Persönliches.
Nedopil verfasste für das Gericht ein schriftliches Gutachten über sein Gespräch mit Zschäpe, das die Prozessbeteiligten in der Geschäftsstelle des Münchner Oberlandesgerichts einsehen durften. Darin finden sich auch Äußerungen Zschäpes über ihr konsequentes Schweigen im Prozess. Am Anfang, vor zwei Jahren, als das Gerichtsverfahren begann, da sei ihr das noch leicht gefallen. Da habe sie gedacht, dass sie es durchhalten werde.
Zschäpe findet Schweigen „belastend“
Jetzt dagegen falle es ihr immer schwerer, an ihrer Strategie festzuhalten. Sie empfinde das Schweigen zunehmend als „belastend“. Das liegt möglicherweise auch an einer charakterlichen Eigenschaft der Angeklagten. Nedopil soll sie in seinem Gutachten als „narzisstisch“ bezeichnen. Damit meinen Psychiater in der Regel eine Persönlichkeitsstörung, bei der übersteigerte Eitelkeit, mangelndes Einfühlungsvermögen und Überempfindlichkeit gegen Kritik zusammenkommen.
Manche sichtbare Reaktion Zschäpes im Prozess wäre damit wohl verständlicher. Gelegentlich wirkte sie aufgekratzt und nervös – selten, wenn es um die Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ ging, die die Anklage ihr vorwirft. Sondern meist, wenn Zeugen allzu private Dinge über sie erzählten.
Zschäpe tuschelte wegen Klau-Vorwürfen
Zuletzt war das am 192. Prozesstag im März zu beobachten. Da erzählte ein Bekannter aus der Jugend, Zschäpe habe als Teenager in Geschäften viel geklaut. Sie habe zu einer Clique gehört, die sich regelmäßig in dem Treppenaufgang eines Wohnhauses in Jena-Winzerla traf. Dort hätten Ladendiebstähle als eine Art Mutprobe gegolten. Zschäpe habe „extrem geklaut“, oft Dinge, „die sie gar nicht brauchte“, einfach nur „aus Spaß“. Während der Zeuge das erzählte, tuschelte Zschäpe auf der Anklagebank viel und hektisch mit ihren Anwälten.
Einer ihrer Verteidiger, Wolfgang Stahl, mühte sich dann, den Zeugen in seiner Gewissheit zu erschüttern. Einmal protestierte ein Anklagevertreter gegen seine Fragen und warf dem Anwalt „Suggestion“ vor. Stahl erwiderte entwaffnend offen, es sei sein „erklärtes Ziel“, den Zeugen zu verunsichern. Das klappte aber nicht. Der blieb bei seiner Aussage.
Rätselhafte Treppenhaustreffen
Zschäpe warf dem Anwalt immer wieder Blicke zu. Der konfrontierte den Zeugen dann mit „Verteidigerwissen“: „Nach meiner Kenntnis als Verteidiger gehe ich davon aus, dass Frau Zschäpe nicht bei diesen Treppenhaustreffen dabei gewesen ist.“ Es sah ein bisschen so aus, als habe Zschäpe ihren Anwalt etwas sagen lassen, was sie selbst gern gesagt hätte, womit sie aber ihre Schweigestrategie gebrochen hätte.
Als Zschäpe jetzt mit Gutachter Nedopil sprach, habe sie sich auch über ihre Verteidiger geäußert, sagen Prozessbeteiligte. Das, was sie sagte, sei wenig schmeichelhaft gewesen. Sie finde es zusätzlich „belastend“, dass sie „auf die Fehler ihrer Anwälte aufpassen“ müsse. Das passt zu ihrem gescheiterten Versuch, ihre Verteidiger auszuwechseln. Dass sie weiter nicht zufrieden zu sein scheint, geht auch aus einem Vermerk in der Prozessakte hervor. Verfasst hat ihn eine Polizistin des Bundeskriminalamtes, die im Januar und Februar 2015 Telefongespräche Zschäpes überwacht hatte. Darin sprach sie von einem „vierten Anwalt“, mit dem sie Kontakt halte. Dieser habe ihr auch „Unterwäsche und einen Blumenstrauß“ zukommen lassen.