Der Tag, der alles veränderte. Beobachtungen am Grenzübergang Gudow
Mit dem 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, veränderte sich für uns Lokalredakteure, die in den Außenredaktionen der „Bergedorfer Zeitung“ im Schleswig-Holsteinischen saßen, schlagartig der Arbeitsalltag. Zuvor von den Kollegen aus der Zentralredaktion als „die aus dem trostlosen Zonenrandgebiet“ verspottet, berichteten wir plötzlich mitten aus dem Geschehen – „menschelnde“ Geschichten von der innerdeutschen Grenze, die tags zuvor noch als undenkbar galten.
Etwa von dem alten hellblauen Trabi, der am „Morgen danach“ noch etwas zögerlich auf der A24 auf den Grenzübergang Gudow/Zarrentin zurollt. Am Steuer des Zweitakters sitzt, wie sich kurz darauf herausstellt, ein LPG-Mitarbeiter aus dem benachbarten Vellahn gleich hinter der Grenze. Er streckt uns wartenden Journalisten aus der Seitenscheibe einen Zehnmarkschein entgegen und fragte in unverkennbar breitem Mecklenburgisch: „Wo gifft dat denn hier Bononen?“ Er habe am Morgen schnell die Kühe versorgt und „wolle nun mal sehen, ob das stimmt, was der Schabowski da gestern im Fernsehen erzählt hat“, schiebt er hinterher.
Sekunden später steigt ein Uniformierter zu dem Mann im grünen Arbeitsdrillich in den Trabant und verabschiedet sich lächelnd von den Umstehenden mit den Worten: „Wir beide fahren eben mal nach Büchen, Bananen kaufen!“ Während der Trabant in Richtung Westen davonknattert, erfahren wir von einem schmunzelnden BGS-Beamten: „Das war unser Chef!“
Eine gute halbe Stunde später braust der hellblaue Trabant über die Behelfsauffahrt wieder auf die Raststätte Gudow. Von Weitem sieht man auf der Fahrerseite einen Arm, der eine Hand voll Bananen aus dem Fenster reckt. Auf dem Parkplatz stellen sich der LPGler und der BGSler den Journalisten noch für ein Foto, das den Beginn einer deutsch-deutschen Freundschaft belegen soll. Auf die Frage, warum er neben den Bananen denn auch noch den Zehner in der Hand hat, entgegnet der Trabifahrer augenzwinkernd und dabei auf den Beamten deutend: „Di het he betohlt!“ Dann dreht er sich zu dem BGS-Hauptkommissar um und hat nur noch ein Problem: „So, un wo koom ik nu wedder no Huus? Mien Frou töövt mit dat Middageten op mi!“