30- bis 59-Jährige sehen das Leben zunehmend bestimmt vom Internet. Angst vor Folgen der alternden Gesellschaft
Berlin. Die Generation Mitte der 30- bis 59-Jährigen fühlt sich getrieben von permanenter Veränderung. Vor allem das Internet wirkt im Beruf und im Privatleben als Beschleuniger. Auch die Folgen einer Alterung der Gesellschaft spüren die Bürger. Dies zeigt die Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) durchgeführt hat.
Die Generation Mitte verfolgt die digitale Revolution mit großer Skepsis, treibt den Wandel aber gleichzeitig mit dem eigenen Verhalten stetig voran. Meinungsforscherin Renate Köcher spricht von einem „Megatrend Vernetzung“, dem sich der Großteil der Bevölkerung nicht entziehen könne. Nur einer von fünf Bundesbürgern könnte sich heutzutage noch vorstellen, ohne Internet auszukommen. Zwei Drittel der Menschen informieren sich inzwischen im Netz über Produkte oder Unternehmen, mehr als die Hälfte nutzt digitale Medien zur Kommunikation und schätzt es, auf diese Weise jederzeit erreichbar zu sein. Auch Bankgeschäfte, Einkäufe oder Reisebuchungen werden immer häufiger online erledigt.
Für die Deutschen ist das Internet Fluch und Segen zugleich. Immerhin für gut jeden zweiten Bürger überwiegen aber die Vorteile des digitalen Wandels die damit verbundenen Nachteile. Dabei gilt: Je jünger die Menschen sind, desto positiver empfinden sie die Veränderungen. So sehen fast 70 Prozent der 30- bis 39-Jährigen mehr Vor- als Nachteile. Unter den 50- bis 59-Jährigen urteilen nur 42 Prozent so. Auch die soziale Stellung spielt eine große Rolle. Denn während eine deutliche Mehrheit der oberen Schicht die Digitalisierung positiv bewertet, überwiegt in der unteren Schicht eindeutig die Skepsis.
Doch auch die Vielnutzer und Technikbegeisterten sehen Gefahren in der Entwicklung. So erwarten vier von fünf Deutschen, dass künftig der Alltag immer stärker von Technik dominiert wird. Aber lediglich vier Prozent begrüßen diese Entwicklung. Gut 70 Prozent fürchten überdies eine zunehmende Überwachung und eine weiter steigende Flut an E-Mails und SMS. Wiederum heißt nur eine winzige Minderheit von fünf Prozent diesen Trend gut. Jeder Zweite rechnet damit, dass viele Berufsgruppen durch Maschinen ersetzt werden. Und auch dies ist für kaum jemanden eine Wunschvorstellung. Viele befürchten zudem künftig ein Sterben der Buchläden und Zeitungen und verödete Innenstädte.
Für Allensbach-Chefin Köcher ist dieser Widerspruch zwischen begeisterter Techniknutzung bei gleichzeitig massivem Unbehagen über die Folgen des Wandels bemerkenswert. Auf diese Weise würde die Generation Mitte zu einem „Zukunftsmacher wider Willen“. Die Bürger wünschten sich mehr Datensicherheit im Netz und hofften dabei auf den Staat. Doch eine Vorstellung davon, wie ein besserer Schutz vor Missbrauch der Daten durchsetzbar sein könnte, hätten die Menschen nicht, sagte Köcher. Auf das eigene Handeln habe die Furcht vor Datenmissbrauch und Überwachung im Regelfall keinerlei Auswirkungen. So hätten zwei Drittel der Bürger schon online Reisen gebucht, jeder zweite sei Mitglied in mindestens einem sozialen Netzwerk, und fast zwei Drittel hätten ihre persönlichen Daten an ein oder mehrere Bonusprogramme oder Kundenkarten gegeben.
Neben der Digitalisierung wird die Alterung der Bevölkerung als zweiter großer Treiber des gesellschaftlichen Wandels erlebt. Die demografische Veränderung bringt allerdings aus Sicht der Bürger fast ausschließlich Nachteile. So rechnen mehr als 80 Prozent mit stark steigenden Rentenbeiträgen und einem höheren Renteneintrittsalter. Die meisten glauben zudem, dass es künftig nur noch eine Grundrente geben werde. Auch höhere Krankenkassenbeiträge sind nach Ansicht der überwältigenden Mehrheit der Befragten unausweichlich. Fast jeder Zweite rechnet gar mit dem Zusammenbruch der Sozialsysteme, da immer weniger Arbeitnehmer in Zukunft immer mehr Ältere finanzieren müssten. Und mit 23 Prozent rechnet nur noch eine Minderheit der Generation Mitte damit, im Alter keine finanziellen Sorgen zu haben.
Um die Folgen des demografischen Wandels abzufedern, fordern die 30- bis 59-Jährigen vor allem eine bessere Unterstützung junger Familien. Außerdem sollten die Pflegeberufe attraktiver werden. Mehr Zuwanderung aus dem Ausland sowie Anreize für ein Arbeiten im Rentenalter sieht dagegen nur eine Minderheit als probate Mittel gegen die Folgen der Alterung an. Renate Köcher wies allerdings darauf hin, dass bislang noch alle Bundesfamilienminister mit Versuchen gescheitert seien, die seit Jahrzehnten kontinuierlich niedrige Geburtenrate wieder zu erhöhen. Ohnehin ließe sich selbst bei einer erfolgreicheren Familienpolitik der demografische Wandel allenfalls sehr langfristig beeinflussen.
Bei vielen Menschen der Generation Mitte ist der demografische Wandel auch im Alltag angekommen. So beschäftigt die Frage, wie es mit den eigenen Eltern weitergeht, ein Drittel der 30- bis 59-Jährigen stark. Vor allem die Älteren unter ihnen fürchten, dass ihre Väter und Mütter später einmal nicht mehr allein leben könnten. „Alle Generationen haben als Leitbild die eigene Autonomie im Alter“, sagte Köcher. Man möchte weder die Eltern ins Heim geben noch selbst einmal in eine solche Einrichtung müssen. Doch das Altwerden in den eigenen vier Wänden erfordere eine gut ausgebaute Dienstleistungsinfrastruktur, die nach Ansicht der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland nicht vorhanden ist.
Trotz der Sorgen, mit denen die Deutschen den rapiden Wandel der Gesellschaft beobachten, ist das Gros erstaunlich zufrieden mit der eigenen Lebenssituation. Auf einer Skala von null (völlig unzufrieden) bis zehn (völlig zufrieden) liegt der Durchschnitt der Antworten bei sieben und damit beachtlich hoch. Auch beim Job zieht die Mehrheit eine positive Bilanz. Und selbst die finanzielle Lage wird überwiegend als gut beurteilt. Allerdings zeigen sich deutliche soziale Unterschiede. Menschen mit geringer Bildung und niedrigem Einkommen bewerten ihre Lebenssituation mit 5,9 klar schlechter als dies der Rest der 30- bis 59-Jährigen tut. Vor allem mit ihrer finanziellen Situation hadern viele Menschen aus der unteren sozialen Schicht.
Köcher weist allerdings darauf hin, dass es derzeit insgesamt deutlich mehr sogenannte Wohlstandsgewinner gibt als dies bei früheren Umfragen der Fall gewesen ist. So sagen 37 Prozent der Generation Mitte, ihnen gehe es heute besser als vor fünf Jahren. Nur knapp ein Viertel meint das Gegenteil. Vor allem die 30- bis 39-Jährigen sehen sich als Profiteure. Unter den Älteren ist das Verhältnis von Gewinnern und Verlierern dagegen ausgeglichen. Schaut man auf den gesellschaftlichen Status, zeigt sich jedoch, dass sich die sozial Schwachen mehrheitlich abgehängt fühlen.