Die SPD weist Londoner Austrittsdrohungen wegen des Streits um Juncker zurück
Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will das EU-skeptische Großbritannien trotz Streits um den künftigen Kommissionspräsidenten in der Gemeinschaft halten. Es sei ihr „nicht egal, ob Großbritannien Mitglied der Europäischen Union ist oder nicht“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie wolle deswegen daran arbeiten, bei der von ihr angestrebten Entscheidung für den konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker „ein höchstes Maß an Einigung hinzubekommen“. Die SPD forderte die Kanzlerin auf, britischen Widerständen gegen Juncker im Kreis der Staats- und Regierungschefs nicht nachzugeben.
Merkel betonte, ihr liege daran, dass in den Verhandlungen über die EU-Spitzenpersonalien „ein europäischer Geist“ bewahrt werde, „selbst wenn es kontroverser Entscheidungen bedarf“. Dies brauche Zeit, daher müsse Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen, sagte sie in Berlin. Zu sprechen sei im Europäischen Rat auch über das Programm der EU-Kommission in den nächsten fünf Jahren. Die CDU-Chefin unterstrich, dass sie für den früheren luxemburgischen Regierungschef eintrete. „Ich arbeite in all den Gesprächen, die ich führe, dafür, dass Jean-Claude Juncker die notwendige Mehrheit im Rat bekommt.“
Der britische Premierminister David Cameron soll laut „Spiegel“ beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche unter anderem Merkel mit einer Warnung unter Druck gesetzt haben: Er könne bei einem Votum für Juncker als EU-Kommissionspräsident den Verbleib Großbritanniens in der EU nicht länger garantieren.
Die SPD warnte davor, sich von Drohungen aus London beeindrucken zu lassen. Dass Cameron auf eine Art Vetorecht gegen den bei der Europawahl siegreichen Juncker poche, sei inakzeptabel, erklärte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Es sei gut, dass nun auch Merkel Juncker durchsetzen wolle. „Alles andere wäre aus unserer Sicht eine Farce gewesen.“ SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der „Frankfurter Rundschau“: „Es ist absurd, dass wir seit einer Woche ernsthaft darüber diskutieren, ob ein Wahlsieger auch das angestrebte Amt übernehmen darf.“ Der EU-Vertrag sehe keine Vetoposition Großbritanniens vor.
Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte in Berlin: „Das Argument, dass man die Briten sonst nicht in der EU halten kann, wenn Herr Juncker Präsident wird, das halte ich für vorgeschoben.“ Er lege zwar Wert darauf, dass Großbritannien in der EU bleibe. „Aber das Problem macht sich nicht fest am Kommissionspräsidenten.“