Als erste Hamburgerin wechselt Doris König, Präsidentin der renommierten Bucerius Law School, an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Für das Amt soll ausdrücklich eine Frau gesucht worden sein.
Hamburg. Als die Juristin Doris König 2012 als erste Frau Präsidentin der privaten Bucerius Law School wurde, dachte sie, dies sei die Krönung ihrer Karriere. Doch die 56-jährige Juristin hat sich getäuscht: Am Mittwoch wurde sie vom Wahlausschuss des Bundestages zur neuen Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt. Es ist das erste Mal, dass ein Hamburger oder eine Hamburgerin an das höchste deutsche Gericht wechselt, seit der frühere Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem 1999 Bundesverfassungsrichter wurde. „Ich gehe mit Freude und Zuversicht in das neue Amt, auch wenn mir die vergangenen eineinhalb Jahre als Präsidentin der Bucerius Law School viel Freude gemacht haben“, sagte König dem Abendblatt. „Das wird eine große Herausforderung.“
Die gebürtige Kielerin war von 1989 bis 1992 Richterin am Hamburger Landgericht. Als die Bucerius Law School im Jahr 2000 gegründet wurde, übernahm sie den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre, Völker- und Europarecht, bevor sie 2012 schließlich an die Spitze der Hochschule aufstieg – ein begehrter Job, gilt die von der „Zeit“-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius ins Leben gerufene Hochschule doch als ausgesprochen renommiert. Bereits seit 2008 ist König außerdem deutsches Mitglied des Ständigen Schiedshofs in Den Haag. Die Völkerrechtlerin hat sich besonders mit Europa- und internationalem Seerecht befasst. Außerhalb von Fachkreisen gilt die Juristin allerdings bisher als nur mäßig bekannt. Das dürfte sich nun ändern.
Professor Michael Göring, der Vorstandsvorsitzende der „Zeit“-Stiftung, beglückwünschte König am Mittwoch zu ihrem „ehrenvollen Ruf“, bekannte aber: „Wir sehen ihren Gang nach Karlsruhe mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Das Bundesverfassungsgericht gewinnt eine großartige Juristin, wir hingegen verlieren eine vorbildliche akademische Lehrerin und Führungskraft an der Spitze der ersten privaten Hochschule für Rechtswissenschaft in Deutschland.“
Ihre Wahl zur Bundesverfassungsrichterin ist dem Vernehmen nach Teil einer Paketlösung, auf die sich die Große Koalition geeinigt hatte. Die SPD-Fraktion hatte König vorgeschlagen, die CDU Zustimmung signalisiert. Für das Amt soll ausdrücklich eine Frau gesucht worden sein. Nachfolgerin des bereits Ende Januar aus dem Amt geschiedenen Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Klaus Tolksdorf, soll Bettina Limperg, Amtschefin im baden-württembergischen Justizministerium, werden. Nach dem Grundgesetz werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts auf zwölf Jahre je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt. Doch nur das Plenum des Bundesrats wählt die Richter in öffentlicher Sitzung, für den Bundestag entscheiden zwölf in einem Wahlausschuss versammelte Abgeordnete unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Meist allerdings handeln die großen Parteien ihre Kandidaten bereits zuvor aus. So war ihre Wahl auch für Doris König keine Überraschung. Dennoch: „Da die Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht auch eine politische Entscheidung ist, war ich sehr erleichtert, dass alles glattgegangen ist“, sagte sie am Mittwoch.
An der Bucerius Law School ist König auch für ihre erfrischend fröhliche Art bekannt. Sie hat mit viel Disziplin für ihren Erfolg gearbeitet. In ihrer Familie ist die redegewandte 56-Jährige die erste Akademikerin. Die Mutter war Hausfrau, der Vater Kommunalbeamter. Schon als Mädchen zeichnete sich König durch gute Leistungen, Sprachbegabung und ihr großes Interesse für andere Länder aus. Sie entschied sich für ein Jurastudium – und hat dies nie bereut. Schon früh entdeckte die Studentin ihr Interesse für ihre späteren Forschungsschwerpunkte Internationales See- und Völkerrecht.
Dass ihre Karriere so erfolgreich verlief und sie als Frau an die Spitze einer Hochschule rückte, liege auch daran, dass sie keine Kinder habe, hat sie einmal gesagt. Das Thema Gleichstellung liegt der Juristin sehr am Herzen. Sie glaubt, es könnten noch viel mehr Frauen in der Wissenschaft eine führende Rolle haben. Das Potenzial sei da. Das beobachtet sie auch an der Hochschule, die sie jetzt verlässt: An der Bucerius Law School sind rund 40 Prozent der Studenten weiblich. Privat hat sich Doris König 2004 einen Lebenstraum erfüllt, als sie auf den Kilimandscharo stieg – eine Grenzerfahrung, die auch den Durchhaltewillen der Juristin zeigt.