Überraschende Personalien in der Großen Koalition. Hamburgerin Özoguz neue Staatsministerin für Integration
Berlin. Selbstbewusste Sozialdemokraten und ein Kabinett mit Überraschungen: Drei Monate nach der Bundestagswahl wird Deutschland zum dritten Mal von einer Großen Koalition regiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekommt es mit einer SPD zu tun, die sich angesichts der breiten Zustimmung ihrer Mitglieder zum Koalitionsvertrag und mit sechs Ministern auf Augenhöhe mit der Union sieht. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel wird als Wirtschaftsminister zusätzlich zuständig für die Energiewende. Größte Überraschung bei der Union: Mit Ursula von der Leyen (CDU) wird erstmals eine Frau das Bundesverteidigungsministerium führen.
Nachdem die SPD-Mitglieder mit 76 Prozent den Regierungsvereinbarungen eines schwarz-roten Bündnisses zugestimmt hatten, steht der Wiederwahl der CDU-Vorsitzenden Merkel zur Regierungschefin an diesem Dienstag im Bundestag nichts mehr im Weg. Dann sollen auch die Minister vereidigt und vom Bundespräsidenten ernannt werden.
Gabriel wird ein neues Wirtschafts- und Energieministerium übernehmen. Durch einen Neuzuschnitt der Ministerien bündelt die SPD das zentrale Thema Energiewende in ihren Ressorts Wirtschaft und Energie sowie Umwelt, Reaktorsicherheit und Bau. Zudem bekommt sie mit dem Verbraucherschutz im Justizministerium eine wichtige Abteilung aus dem Agrarressort der CSU.
SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks soll das neue Umwelt- und Bauressort leiten, der bisherige saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas das neu zugeschnittene Justiz- und Verbraucherministerium. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wird wie schon von 2005 bis 2009 Außenminister. Generalsekretärin Andrea Nahles übernimmt das Ressort für Arbeit und Soziales. SPD-Vize Manuela Schwesig leitet das Familienministerium. SPD-Fraktionschef soll Thomas Oppermann werden.
Die SPD holt sich zudem Experten von außen in ihre Ministerien. Das bisherige Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Jörg Asmussen, wird Staatssekretär im Arbeitsministerium. Der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, soll Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherministerium werden. Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, geht als Staatssekretär ins Umweltressort.
Die CDU stellt neben Kanzlerin Merkel den Kanzleramtsminister und besetzt fünf Ministerien, die CSU drei. Nachfolger des scheidenden Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) soll Umweltminister Peter Altmaier (CDU) werden. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wird Gesundheitsminister, Johanna Wanka (CDU) bleibt Bildungsministerin und Wolfgang Schäuble Finanzminister. Verteidigungsminister Thomas de Maizière kehrt auf den Posten des Innenministers zurück.
CSU-Chef Horst Seehofer schickt den bisherigen Generalsekretär Alexander Dobrindt, Hans-Peter Friedrich und Gerd Müller als Minister ins neue Bundeskabinett. Dobrindt soll Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur werden, Innenminister Friedrich wechselt ins Agrarressort, Müller wird Entwicklungshilfeminister. Der bisherige Verkehrsminister Peter Ramsauer scheidet aus dem Kabinett aus.
Neuer CDU-Generalsekretär soll der Bundestagsabgeordnete Peter Tauber werden, hieß es in Parteikreisen. CSU-Generalsekretär wird voraussichtlich Andreas Scheuer, bisher parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium.
Auch eine Hamburgerin hat einen Platz am Kabinettstisch: Die SPD-Vizevorsitzende Aydan Özoguz wird neue Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Die bisherige Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) soll Staatsministerin im Auswärtigen Amt werden.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte das neue schwarz-rote Kabinett. Bei Alexander Dobrindt (CSU) als Verkehrsminister könne er „nur den Kopf schütteln“. Er sei auch „sehr neugierig“ auf Sigmar Gabriel (SPD), der „Energie und Wirtschaft zusammengespannt“ habe. „Im Koalitionsvertrag geht es weniger um Innovation und Zukunft als um kurzfristige Lobbyinteressen zweier großer Konzerne, nämlich von E.on und RWE“, sagte Hofreiter. Die Linkspartei kündigte an, offensiv um das knappe Viertel der SPD-Mitglieder zu werben, die gegen den Koalitionsvertrag gestimmt hatten. „Wir machen ab sofort eine Politik für alle, die links gegen die Große Koalition sind“, sagte Parteichef Bernd Riexinger der „Leipziger Volkszeitung“.