Auch in Hamburg wurden verdächtige Fleischprodukte aus den Regalen genommen. Verbraucherschützer beklagen die Informationspolitik.
Hamburg. Aldi, Lidl, Edeka - der deutsche Einzelhandel stoppt den Verkauf verdächtiger Fleischprodukte. Auch in Hamburg war Pferdefleisch in einer von acht untersuchten Proben entdeckt worden. Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) macht sich für drastischere Maßnahmen stark.
"Diese Vorfälle und die Eingriffsmöglichkeiten der Behörden zeigen, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichen", so Prüfer-Storcks. "Wir brauchen die gesetzliche Grundlage, auch im Fall von Täuschungen die Produkte nennen zu dürfen. Die Hürden, die Ministerin Aigner bislang den Verbraucherschützern auferlegt, sind hier deutlich zu hoch. Außerdem brauchen wir auf EU-Ebene weiterreichende Kennzeichnungspflichten, insbesondere eine Herkunftskennzeichnung von weiteren Fleischarten."
Die EU-Staaten wollen bei der Fahndung nach falsch gekennzeichnetem Pferdefleisch jetzt Gentests machen. Die EU-Kommission übernimmt einen Anteil der Kosten an den Untersuchungen, die bis spätestens Ende März abgeschlossen sein sollen. In diesem Zeitraum sollen die nationalen Behörden 2250 Gentests an Rindfleischprodukten durchführen. Auf jedes Land entfallen dabei zwischen zehn und 150 Proben. Außerdem wollen die Staaten bei Pferdefleisch nach Rückständen des entzündungshemmenden Medikaments Phenylbutazon fahnden. Es ist für den Einsatz bei Tieren, die auf dem Teller landen sollen, nicht zugelassen.
Der Discounter Lidl hat den Verkauf eines Nudelgerichts gestoppt. Die "Tortelloni Rindfleisch" des Herstellers Gusto GmbH seien in Deutschland aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes vom Markt genommen worden, teilte eine Sprecherin mit. In dem Produkt war in Österreich ein nicht deklarierter Anteil an Pferdefleisch gefunden worden, wie das dortige Gesundheitsministerium mitgeteilt hatte. Das Gericht war bei Lidl Österreich erhältlich. Produziert wurde es laut Angabe der Behörde von dem Stuttgarter Hersteller "Gusto". Bei einer von zwei genommenen Proben war Pferdefleisch nachweisbar.
Aldi Süd nimmt zwei Fertiggerichte aus den Regalen, nachdem eigene Analysen Pferdefleisch nachgewiesen haben. Das teilte eine Sprecherin des Unternehmens mit. Bei den betroffenen Produkten handele es sich um "Ravioli, 800 g Dose (Sorte Bolognese)" und um "Gulasch, 450 g Dose (Sorte Rind)", der nur in Nordrhein-Westfalen verkauft wurde. Der Verkaufsstopp erfolge auf Bitten der Lieferanten. Nach aktueller Sachlage bestehe kein gesundheitliches Risiko für die Verbraucher. Kunden könnten die betroffenen Produkte in den Filialen von Aldi Süd gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben.
In Hamburg hat die amtliche Lebensmittelüberwachung Proben von Tiefkühl-Lasagne, von Burgern und Mousaka genommen. Die Spur des dabei entdeckten Pferdefleisches (eine von acht Proben) führt über Nordrhein-Westfalen zu Betrieben in Luxemburg und Frankreich. Bei Edeka waren "geringe Mengen" von Pferdefleisch im Tiefkühlprodukt "Gut & Günstig Lasagne Bolognese" gefunden worden. Die Gesundheitsbehörde hatte bei Proben festgestellt, dass die betroffenen Produkte aus den Regalen genommen worden seien.
Derweil haben die Verbraucherzentralen ungenügende amtliche Informationen für die Kunden kritisiert. "Wer heute eine Einkaufsentscheidung treffen will, bekommt von den Behörden keine ausreichende Hilfe", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Gerd Billen. Es gebe keine zentral eingestellten Behörden-Angaben etwa zur Einordnung des Problems oder konkreten Produkthinweisen. Billen rief die Länder auf, auch in Verbraucherbefragungen zu investieren.
Das in Pferdefleisch entdeckte Medikament Phenylbutazon ist nach Experten-Einschätzung keineswegs harmlos. "Es ist ein stark wirksames Mittel gegen Entzündungen im Körper und keinesfalls total unproblematisch", sagte Petra Zagermann-Muncke von der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker. Als Nebenwirkungen seien schwere allergische Reaktionen - Hautausschläge oder Asthma - oder Blutbildschäden möglich, auch unabhängig von der Dosis.
Phenylbutazon wird bei Pferden auch als Dopingmittel verwendet. Tests der britischen Lebensmittelaufsicht hatten ergeben, dass Fleisch von acht mit dem Medikament gespritzten Pferden in die Nahrungskette geraten ist. Die britischen Behörden schätzten das Risiko für Menschen als gering ein.
Nach Angaben französischer Ermittler soll der Hersteller Comigel 4,5 Millionen Fertiggerichte mit falsch deklariertem Pferdefleisch der Firma Spanghero hergestellt haben, die an mindestens 28 Unternehmen in 13 europäischen Ländern verkauft wurden.
Derweil wurde in den Speisen mehrerer Schulen, Krankenhäuser und Restaurants in Großbritannien Pferdefleisch gefunden. Dies zeigten Tests, die die britische Lebensmittelbehörde vornehmen ließ. Pferde-DNA sei in Lasagnen und in Burgern aus den Speiseplänen gefunden worden.