Chef des Verbandes der Familienunternehmer Lutz Goebel fordert Regierung zum Sparen auf und warnt vor neuen Sozialleistungen.
Hamburg. Erst war es nur das Betreuungsgeld. Dann kam die Lebensleistungsrente dazu. Nun wird über die Wiedereinführung der Eigenheimzulage nachgedacht - und hier platzt den deutschen Unternehmern im Mittelstand der Kragen. Zu viele soziale Wohltaten kosten zu viel Geld. Lutz Goebel beäugt die schwarz-gelbe Bundesregierung mit Skepsis. Der Chef des Verbandes der Familienunternehmer (ASU), der selbst einer Krefelder Firmengruppe vorsteht, sagt im Gespräch mit dem Abendblatt: "Das Betreuungsgeld ist nicht akzeptabel, die sogenannte Lebensleistungsrente von Frau von der Leyen ebenso wenig."
Die Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiche vom Konsolidierungskurs ab. "Wir müssten einen ausgeglichenen Haushalt haben, wir müssten sogar unsere Schulden tilgen - und nicht neue Sozialleistungen erfinden." Die unternehmerische Disziplin vermisst Goebel in Berlin. "Die Bundestagswahl ist also eine Richtungswahl. Dabei kann man als Unternehmer derzeit nicht einmal sicher sein, dass in einer möglichen Großen Koalition CDU und CSU nicht doch einer Vermögenssteuer zustimmen."
Hier lauert die Urangst der mittelständischen Wirtschaft derzeit. Durch die Krise sind sie gut gekommen, die Unternehmer aus dem Kern des deutschen Erfolgsmodells. Am Horizont jedoch schimmern Euro-Krise, Energiewende - und ein irrlichternder SPD-Kanzlerkandidat. So zumindest sieht es Goebel. "Vor einem halben Jahr dachte man, Peer Steinbrück ist der richtige Mann. Heute hat er zwei Drittel seiner Positionen geräumt, um in der SPD besser anzukommen. Ich glaube nicht, dass die Wirtschaft sich von ihm vertreten fühlt." Von der Agenda 2010 und der Rente mit 67 wolle die SPD nichts mehr wissen, "obwohl diese Schlüssel zu unseren heutigen Erfolgen sind".
Steinbrücks Spiel mit einer Vermögenssteuer hält er für aberwitzig. Goebel sagt: "Das Thema wird verniedlicht. Man meint, den Reichen ja nur ein Prozent vom Vermögen wegzunehmen. Aber die komplizierte Mechanik der Vermögenssteuer ist so konzipiert, dass Unternehmer am Ende schon ab 237.000 Euro Ertrag nach Steuern die neue Vermögenssteuer zahlen müssen. Aus diesem Ertrag müssten aber eigentlich Investitionen in neue Produkte, energiesparende Technologien und zusätzliche Arbeitsplätze finanziert werden. Aber genau das kassiert die Vermögenssteuer der SPD ein."
Goebel schlägt den großen Bogen: In Europa gebe es krisenhafte Tendenzen, hierzulande laufe die Wirtschaft recht rund. "Wir haben ohne Steuererhöhungen die höchsten Steuereinnahmen der Geschichte, die Sozialkassen sind gut gefüllt, die Agenda 2010 hat gewirkt. Wir haben es offensichtlich richtig gemacht. Da ist es doch widersinnig, wenn wir jetzt die Steuern erhöhen und damit unseren Motor abwürgen."
Dennoch warnen die Unternehmer vor der Gewissheit, dass für Deutschland die Euro-Krise vorbei sei. "Was mich in der Diskussion über die Euro-Krise irritiert: Man sagt, es gibt einen Dominoeffekt, alles bricht zusammen, wenn die Griechen aus dem Euro-Raum austreten. Davon glaube ich kein Wort. Im Gegenteil: Der Euro wird nur überleben, wenn die ausscheiden, die auch langfristig die Stabilitätskriterien nicht erfüllen können wie Zypern oder Griechenland."
Die Unternehmer zwickt es aber auch im eigenen Betrieb. Die Mitarbeiter werden älter, nicht immer sind die richtigen Fachkräfte zu finden. Goebel sagt: "Als die neuen Regeln zur steuerlichen Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen eingeführt wurden, habe ich in meinem Unternehmen gesagt: Den Beitrag, den wir jetzt sparen, packen wir in eine Altersvorsorge, als Gehaltsumwandlung. Wir schenken den Mitarbeitern den Arbeitgeberbeitrag, und wenn ein Arbeitnehmer 158 Euro im Monat in diese Altersvorsorge einzahlt, hat er keinen Cent weniger in der Tasche. 75 Prozent der Mitarbeiter haben mitgemacht."
Goebel fordert, dass wie versprochen der Renteneintritt flexibler wird, einfach weil es so unterschiedliche Lebensmodelle gebe. In seiner Firma hat Goebel zwölf Mitarbeiter über 65 Jahre, der älteste ist 80. "Der Mann verkauft Ersatzteile und hat alle siebenstelligen Ersatzteilnummern im Kopf. Die älteren Mitarbeiter sind eine wahre Wonne, der eine bringt Aufträge aus den Golfstaaten mit, der andere ist 73 und beschafft Ersatzteile, die nicht zu bekommen sind." Diese Flexibilität wünscht sich der Unternehmer von der Politik.