Schavan zieht die Konsequenzen aus der Aberkennung des Doktortitels und tritt als Bildungsministerin zurück. Wanka soll folgen.
Berlin. Noch bei keinem Rücktritt eines Kabinettsmitglieds hat die Bundeskanzlerin so viel Gefühl gezeigt. „Sehr schweren Herzens nur habe ich den Rücktritt angenommen“, sagt Angela Merkel, als sie am Sonnabend mit ihrer Freundin Annette Schavan im Kanzleramt deren Verzicht auf das Amt der Bundesbildungsministerin mitteilt. „Sehr schweren Herzens“, betont sie noch einmal. „Ich danke ihr von ganzen Herzen“, sagt sie zum Schluss und lächelt Schavan dabei an. Es ist das einzige Lächeln während dieses siebenminütigen Auftritts. Beide sind dunkel gekleidet, beide wirken gefasst, aber angeschlagen.
Schavan zieht die Konsequenzen aus der Aberkennung ihres Doktortitels am vorigen Dienstag. „Die Vorwürfe treffen mich tief“, bekennt die 57-Jährige. Sie wird klagen gegen die Entscheidung der Universität Düsseldorf, die ihr vorsätzliche Täuschung in ihrer vor 33 Jahren geschriebenen Promotionsarbeit vorwirft. „Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht“, betont sie noch einmal. Sie wirkt entschlossen.
Die Kanzlerin und ihre Ministerin hatten sich noch am Freitagabend besprochen. Merkel war gerade schlaflos von einem Gipfel-Marathon aus Brüssel zurückgekommen und Schavan von einer anstrengenden Südafrika-Dienstreise. Beide Frauen sehen bei ihrer Erklärung im Kanzleramt erschöpft und blass aus. Kein Wunder nach dem Programm, das sie in den vergangenen Tagen absolvieren mussten. Aber es ist auch Ausdruck davon, wie schwer es beiden fällt, diesen Schritt zu gehen. Hätte Merkel eine Möglichkeit gehabt, Schavan zu halten – sie hätte es getan.
Während ihrer Dienstreise habe sie gründlich über die politischen Konsequenzen nachgedacht, erzählt Schavan – und liefert selbst den Grund, warum sie im Amt nicht zu halten war: „Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU. (...) Es geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden.“
Nicht nur das Amt wäre beschädigt worden, sondern auch Merkel. Sie hatte vor zwei Jahren bereits den Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als Verteidigungsminister angenommen, dem ebenfalls der Doktortitel entzogen worden war. Da nützt es wenig, dass Guttenberg nachweislich in viel größerem Umfang kopiert und getäuscht hatte. Und 2013 ist Bundestagswahljahr. Die Kanzlerin hätte sich immer wieder den Vorwurf anhören müssen, dass sie an der Spitze des Bildungsministeriums kein Vorbild für Schule, Wissenschaft und Forschung beschäftigt.
Aber gerade ein Vorbild sieht Merkel in Schavan. Sie sei die anerkannteste und profilierteste Bildungspolitikerin in Deutschland. Auf die Doktortitel-Affäre geht die Kanzlerin am Samstag mit keinem Wort ein. Vielleicht kann sie glauben, dass Schavan Flüchtigkeitsfehler gemacht hat – aber eine vorsätzliche Täuschung traut sie ihr nicht zu.
17 Jahre stand Schavan im Dienst der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Erst zehn Jahre als Kultusministerin in Baden-Württemberg und dann sieben Jahre als Bundesbildungsministerin. „Gute Jahre, für die ich sehr dankbar bin“, sagt Schavan und bezieht ihrer Mitarbeiter in Berlin und Stuttgart ein. Ihre Nachfolgerin wird die promovierte ostdeutsche Mathematikerin Johanna Wanka, zuvor schon Ministerin in Brandenburg und Niedersachsen. Sie passt in Merkels Schema. Sie habe beste Voraussetzungen, sagt die Kanzlerin.
Das „Zeit“-Magazin“ fragte Schavan für die Ausgabe Ende Januar, wie man sie in Erinnerung behalten solle. „Als eine Politikerin, die ihre Verantwortung wahrgenommen hat“, antwortete Schavan damals. In dem Gespräch gab sie auch preis, dass sie schon über ihr Leben nach der Politik nachgedacht hat. Wenn es vorbei sei, wolle sie sich ins Auto setzen und nach Hause fahren. Zuerst ins Rheinland zu ihrer Mutter und ihren Brüdern nach Neuss. Danach könnte sie sich drei Monate Rom vorstellen. Und danach drei Monate Paris.
Schavan dankt Merkel noch für ihre Worte, für ihr Vertrauen und für ihre Freundschaft. „Freundschaften hängen nicht an Amtszeiten und gehen über diesen Tag hinaus.“ Vielleicht fahren sie später einmal gemeinsam nach Paris. Merkel will Französisch lernen, wenn sie einmal nicht mehr Kanzlerin ist.