Bis zum Ende der Legislaturperiode muss der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss fertig sein und im Bundestag beraten werden.
Berlin. Die Bundestagsabgeordneten müssen sich möglicherweise in der Sommerpause auf eine Sondersitzung einstellen: Der Abschlussbericht des Neonazi-Untersuchungsausschusses wird wahrscheinlich nicht vorher fertig. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte, angesichts des knappen Zeitplans solle das Parlament zur Not im August oder September über die Ergebnisse beraten. Auch mehrere Obleute sprachen sich dafür aus. Regulär wäre bereits Ende Juni die letzte Sitzungswoche dieser Legislaturperiode. Bei ihrer Sitzung am Donnerstag in Berlin nahmen sich die Parlamentarier die Pannen der Thüringer Behörden im Fall NSU vor.
Der Untersuchungsausschuss arbeitet seit Anfang 2012 die Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle NSU auf. Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ werden zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde zur Last gelegt. Die Bande war erst im November 2011 aufgeflogen.
Immer neue Enthüllungen über Pannen bei den Ermittlungen hatten dem Ausschuss in den vergangenen Monaten viel zusätzliche Arbeit beschert. Die Zeit wird nun knapp. Edathy erklärte, wenn der Abschlussbericht bereits Ende Juni im Parlament beraten würde, müsste der Ausschuss seine Zeugenbefragung bis Ende März abschließen. Das Gremium brauche aber die Sommermonate für seine Arbeit. „Es wäre gegenüber der Öffentlichkeit nicht vermittelbar, wenn wir noch viele offene Fragen haben, aber mit Verweis auf einen beginnenden Wahlkampf die Zeugenbefragung vorzeitig einstellen“, mahnte er. „Das wäre unvernünftig und der Sache nicht angemessen.“
Die Vertreter der anderen Fraktionen im Ausschuss äußerten sich ähnlich. Nun müssen sich die Fraktionsspitzen über den Zeitplan abstimmen. Die Linke-Obfrau Petra Pau mahnte, der Bundestag sei gut beraten, auf parteipolitische Hickhack in der Frage zu verzichten.
Bei seiner ersten Sitzung seit dem Jahreswechsel beleuchtete der Ausschuss die Pannen bei der Fahndung nach dem Terrortrio in dessen Heimat Thüringen. Die drei waren dort 1998 abgetaucht. Die Suche nach ihnen blieb erfolglos.
Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Gera räumte ein, die Kooperation der Behörden sei schlecht gelaufen. Oberstaatsanwalt Gerd Michael Schultz, der in Gera für Verfahren mit politischem Hintergrund zuständig ist und dabei in den 90er Jahren auch mit Ermittlungen gegen die späteren NSU-Mitglieder zu tun hatte, beklagte sich über die Arbeit der Verfassungsschützer. Sie hätten ihre Informationen nicht weitergegeben, selbst aber immer wieder Akteneinsicht verlangt. Außerdem habe die Behörde versucht, Einfluss auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu nehmen. Auch das rechtliche Vorgehen gegen Neonazis im Land habe Mängel gehabt. Viele Verfahren seien ergebnislos eingestellt worden.
Die Ausschussmitglieder kritisierten das Vorgehen der Thüringer Behörden scharf. Unionsobmann Clemens Binninger (CDU) sagte, es sei erschütternd, dass die rechte Szene mit so wenig Konsequenzen habe rechnen müssen. „So kann man Rechtsextremismus nicht bekämpfen.“ Die SPD-Obfrau Eva Högl sagte, der Verfassungsschutz habe die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft maßgeblich behindert. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland beklagte, die rechte Szene habe damals Narrenfreiheit in Thüringen gehabt.