Zum Auftakt der Klausur in Wildbad Kreuth überlagern Trennung der Wulffs, Querelen der FDP und Berliner Flughafen die Sachthemen.
Wildbad Kreuth. Der Zufall hat schon einen schlechten Geschmack. Oder er interessiert sich eben mehr für Klatsch als für das ernste politische Geschäft. Manchmal kann man es ihm ja nun auch nicht verdenken. Jedenfalls hat es der Zufall gewollt, dass genau ein Jahr, nachdem der damalige Bundespräsident Christian Wulff in Abwesenheit die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth störte, eben dieser Wulff erneut die Christsozialen und ihre Anliegen in den Schatten stellte.
Damals ging es um die noch nicht vollzogene Trennung von seinem Amt, nun um die vollzogene von seiner Frau. Damals fieberten viele der CSU-Bundestagsabgeordneten auf Wulffs Interview im Fernsehen hin. Damals immerhin konnten die Anwesenden noch etwas zu der Affäre bemerken. "Wir stehen zu diesem Bundespräsidenten", sagte etwa Parteichef Horst Seehofer. Am Montag versagt er sich jedes klare Wort: "Kein Kommentar." Generalsekretär Alexander Dobrindt, Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt - sie alle reagieren peinlich berührt bis amüsiert auf Fragen zu diesem Thema. Ein unausgesprochenes "Muss denn das sein?" schwingt da mit. Muss denn das sein, dass wir dazu befragt werden? Muss denn das sein, dass uns schon wieder die Schau gestohlen wird? Es sind nicht nur die Wulffs, die von der Sacharbeit, der sich die Landesgruppe bis Mittwoch nach Worten von Hasselfeldt ausschließlich widmen will, ablenken. Eine weitere Trennungsgeschichte wirft ihre langen Schatten ins Hochtal in der Nähe des Tegernsees: die der FDP von ihrem Vorsitzenden - wieder eine nicht vollzogene.
Bei feuchtem Tauwetter appellieren die CSU-Spitzen vor dem Tagungsgebäude an die Liberalen, sich endlich zu sammeln. Von "Sorge" spricht Dobrindt und nennt Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel einen "Desperado", der aufhören solle, "Solotänze" aufzuführen. Niebel hatte auf dem Dreikönigstreffen der FDP am Sonntag einen personellen Neuanfang gefordert und damit den Vorsitzenden Philipp Rösler desavouiert. "Synchronschwimmen" solle er lernen, meint Dobrindt. Vielleicht mit Generalsekretär Patrick Döring oder Fraktionschef Rainer Brüderle? Ein kurios schiefes Bild rundet seine Analyse des desaströsen Erscheinungsbildes des Koalitionspartners ab: "Bei der FDP in der Badewanne wird das Wasser langsam eng."
Seehofers Wünsche sind eine Spur bescheidener. Dass die Liberalen auf einmal das Synchronschwimmen lernen, wagt er wohl nicht mehr zu träumen. "Es wäre schon gut, wenn die Beschäftigung mit der eigenen Partei beendet wird", sagt er. Vor allem im Interesse der Wahl in Niedersachsen müssten die Debatten beendet werden. Ob Rösler nun ein guter oder ein schlechter Parteichef ist, ob er überhaupt Chef bleiben solle, dazu kein Wort.
In Anbetracht der Klagen über die FDP wirken die Beteuerungen, über die Wahl 2013 hinaus mit den Liberalen zusammenarbeiten zu wollen, sehr bemüht. "Das ist unsere Priorität", sagt Seehofer. "Wir haben einen Wunschpartner, dafür werden wir alles tun." Alles? Fast. Denn eine Zweitstimmenkampagne, wie sie schon die CDU in Niedersachsen abgelehnt hat, will auch Seehofer nicht zugunsten des darbenden Partners lancieren.
Schließlich ist da noch ein Dritter, der der CSU die Show stiehlt: Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Überraschend zurückhaltend reagiert die CSU-Spitze auf das Debakel um den Hauptstadtflughafen. Ein souveränes "In Bayern wäre das nicht passiert" ist nicht zu hören. Nur Dobrindt wird leicht polemisch: "Ich kann nur hoffen, dass der Flughafen fertig wird, bis das Beamen erfunden ist." Einen direkten Angriff auf Wowereit unternimmt keiner. Dabei wäre Kreuth traditionell der passende Rahmen für markige Sprüche in Richtung Berlin. Doch die CSU gibt sich handzahm. Vielleicht fürchtet sie, ihre Einmischung könnte die Koalitionsparteien in der Hauptstadt am Ende noch dazu bringen, sich hinter Wowereit zu scharen. Nach dem Motto: Aus Bayern lassen wir uns schon gleich gar nichts sagen. Vergessen werden darf auch nicht, dass die CDU mit Wowereit koaliert. Und die Zeiten, da man das Kreuther Treffen nutzte, sich von der Schwester abzugrenzen, sind längst vorbei.
Statt die politischen Folgen der erneuten Verschiebung der Flughafeneröffnung zu bewerten, verweisen die CSU-Politiker aufeinander: Hasselfeldt will erst hören, was der Verkehrsminister dazu sagt. Seehofer zeigt ebenfalls auf Peter Ramsauer. Den solle man fragen, empfiehlt er den Journalisten. Als die ihm im Chor verkünden, dass Ramsauer sie zuvor wortlos stehen gelassen habe - erst am Abend tritt er noch einmal vor die Presse -, zuckt der Parteichef etwas ratlos mit den Schultern. Hätte er vielleicht von "Zar Peter" anderes erwartet? Ach ja, da war doch noch was: Mit seinen unfeinen Umschreibungen von CSU-Politikern in Bayern und Berlin hatte Seehofer vor Weihnachten für reichlich Unmut in der Partei gesorgt. "Zar Peter" für Ramsauer war noch eine der netteren Titulierungen. Alles "Schnee von gestern", heißt es nun mehrmals, Neujahr hätte es schließlich Neuschnee gegeben in Kreuth. Solche Polit-Metaphorik ist freilich gefährlich; bei gut drei Grad plus changiert das Weiß schon wieder nach tristem Grau.
"Wir beschäftigen uns nicht mit alten Geschichten", wischt Seehofer letzte Bedenken beiseite. Er sei sehr zufrieden mit seiner Mannschaft, gerade in Berlin. Politische Neuheiten unterblieben am ersten Tag in Kreuth. Die CSU hat ihre Wünsche, über die sie nun diskutieren wird, schon in den vergangenen Tagen verkündet: Sie will die EU-Kommission zum Sparen zwingen, die Rente für ältere Mütter aufbessern, gleiche Löhne für Zeitarbeiter schon nach dem dritten Arbeitsmonat durchsetzen. Seehofer erneuerte seine Forderung nach einer Pkw-Maut. "Wir brauchen die Pkw-Maut", sagte er. Bisher steht die CSU mit dieser Forderung in der Koalition allein. Seehofer ficht das nicht an: "Die CSU hat oft alleine begonnen und war dann später Anführerin einer breiten Mehrheit." Also - CDU und FDP - hört die Signale aus Kreuth. Wulffs Ehe, Wowereits Flughafen, Röslers Zukunft, ist doch alles nicht so wichtig. Oder?