Durfte Thüringen geheime Akten mit Klarnamen von V-Leuten ungeschwärzt weitergeben? Sensibles Informanten-Netz könnte zerstört werden.
Berlin. Im Zusammenhang mit der Weitergabe ungeschwärzter geheimer Akten aus Thüringen warnt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vor einer Enttarnung von V-Leuten. „Wir brauchen auch in Zukunft V-Leute, und das geht nur, wenn das Vertrauen in den Schutz ihrer Identität gewährleistet ist und sie sich darauf verlassen können, dass ihre Namen nicht bekannt werden“, sagte er der „Welt“ (Donnerstag). V-Leute gäben wichtige Einblicke in die Extremismus-Szene geben. „Wir dürfen dieses Informantenwesen keinesfalls zerstören.“
Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Wolfgang Bosbach (CDU) erklärte: „Das Vorgehen in Thüringen stößt beim Verfassungsschutz des Bundes und der Länder auf größte Bedenken, weil dies ihre Arbeit in erheblichen Maß beeinträchtigt.“ Zwar sei die Debatte über eine Reform des Verfassungsschutzes notwendig. „Aber man muss dabei aufpassen, dass nicht Erkenntnisquellen zugeschüttet werden, auf die man dringend angewiesen ist.“
Am Mittwoch war aus Verfassungsschutzkreisen bekanntgeworden, dass größte Sorge herrscht über eine mögliche Enttarnung weiterer V-Leute bei der Aufarbeitung der Neonazi-Morde. Hauptgrund ist demnach die Lieferung der Akten aus Thüringen an den NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag. In den Dokumenten sollen auch Klarnamen von V-Mann-Führern und anderen Verfassungsschutzmitarbeitern ersichtlich sein.
Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) verteidigte sein Vorgehen: „Wir erleben derzeit eine Krise der Sicherheitsbehörden. Man kann nicht so weitermachen wie bisher und Akten vorenthalten“, sagte er der „Welt“. Die Vertraulichkeit der Unterlagen bleibe zudem gewahrt. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte das Handeln Geiberts in den vergangenen Tagen wiederholt gerechtfertigt.