Die Kanzlerin lobt beim Kanada-Besuch Sparwillen und Wachstumsstrategie des Landes. Vor Kritik an ihrer Politik schützt sie das nicht.
Ottawa. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in Kanada die Haushaltspolitik des Landes gelobt und als Vorbild für Europa bezeichnet. Ein strikter Sparkurs verbunden mit einer Wachstumsstrategie könne auch die Probleme in Europa überwinden, sagte sie am Mittwochabend zu Beginn ihrer zweitägigen Kanada-Reise. Kanada drängt die europäische Union unterdessen zu einem entschlosseneren Handeln in der Euro-Krise.
Den Weg Kanadas – „mit großer Haushaltsdisziplin, sehr großer Konzentration auf Wachstum und die Überwindung der Krise und keinem Leben auf Pump“ – halte sie auch für die richtige Lösung in Europa, sagte Merkel am Mittwochabend in Ottawa bei einem Empfang des deutschen Botschafters. Sie werde bei ihren Gesprächen mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Stephen Harper auch über den „politischen Willen berichten, die Euro-Krise zu überwinden und über unsere Entschlossenheit in Europa für eine gemeinsame Währung zusammenzustehen“, sagte Merkel weiter.
Die kanadische Seite hatte sich vor der Ankunft von Merkel unzufrieden über den europäischen Umgang mit der Krise gezeigt. „Es ist nicht genug getan worden. Sie müssen mehr tun“, argumentierte Finanzminister Jim Flaherty. Er rief die europäischen Staaten auf, die Staatsschuldenkrise entschlossen anzugehen und ihre Banken zu rekapitalisieren. Die Situation sei frustrierend, da bereits seit Jahren klar sei, was getan werden müsse. Weil es jedoch keine gemeinsame Finanzpolitik innerhalb der Europäischen Union gebe, seien die notwendigen Schritte nicht eingeleitet worden.
Kanada, zweitgrößtes Land der Erde, verfügt über ein solides Wirtschaftswachstum und hat sein Staatsdefizit in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt. Aber auch die solide kanadische Wirtschaft ist von den Auswirkungen der Euro-Krise und einem schwächelnden Europa-Geschäft betroffen. Die Wachstumsprognose wurde für dieses Jahr leicht auf 2,1 Prozent nach unten korrigiert.
Am späteren Mittwochabend war die CDU-Vorsitzende mit dem konservativen Harper zu einem Abendessen unter vier Augen zusammengetroffen. Dieser lud Merkel in seine Sommerresidenz ein - eine eher seltene Geste des kanadischen Regierungschefs. Die beiden berieten mehr als zwei Stunden bei geräucherter Lende und kanadischem Wein über das geplante Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen Kanada und der EU, die Euro-Krise sowie über den Konflikt in Syrien und die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm. Beide Seiten seien stark an einem baldigen Abschluss des Abkommens interessiert, hieß es danach. Die zwei Regierungschefs wollten am Donnerstagmittag (Ortszeit) vor die Presse treten.
Am Donnerstagmorgen wird Merkel zunächst mit dem Generalgouverneur David Lloyd Johnston sprechen, der das offizielle Staatsoberhaupt, die britische Königin Elizabeth II. in Kanada vertritt. Nach einem Besuch im Parlament ist die Presseunterrichtung gemeinsam mit Premier Harper geplant.
Merkel wird ihre Reise dann mit einem Besuch der Dalhousie-Universität in Halifax beenden. Sie wird am Freitagmorgen bereits wieder zurück in Berlin erwartet.