Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Abgeordneten gestärkt: Sie müssen über eine mögliche Bespitzelung informiert werden.
Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat erneut die Kontrollrechte des Bundestages bezüglich der Geheimdienste gestärkt. Antworten auf Fragen der Abgeordneten dürfe die Bundesregierung nicht pauschal mit dem Hinweis auf eine notwendige Geheimhaltung ablehnen, heißt es in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss (Az: 2 BvE 5/06). Entsprechend hatte das Bundesverfassungsgericht kürzlich auch zu den Rechten des BND-Untersuchungsausschusses entschieden.
Die Grünen-Fraktion und vier ihrer Mitglieder hatten 2006 eine Kleine Anfrage gestellt, um herauszufinden, in welchem Umfang der Bundesnachrichtendienst (BND) und die Geheimdienste der Länder Informationen über Abgeordnete des Bundestages sammeln. Anlass war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Bespitzelung von Abgeordneten in Schweden.
Die Bundesregierung verweigerte eine Antwort: Sie habe bereits dem Parlamentarischen Kontrollgremium und teilweise auch dem Ältestenrat des Bundestages berichtet. Weitergehende Auskünfte gefährdeten die Arbeit der Nachrichtendienste. Das Kontrollgremium besteht derzeit aus neuen Abgeordneten aller Fraktionen; es wurde 1978 eingerichtet, um die sensible nachrichtendienstliche Tätigkeit zu überwachen.
Wie nun das Bundesverfassungsgericht entschied, können Auskünfte an das Kontrollgremium oder Ausschüsse des Bundestages die Rechte des Parlaments und seiner Abgeordneten selbst nicht verdrängen. Bislang gebe es auch kein Gesetz, das die Auskunft auf diese Gremien beschränke.
Den Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verwarf das Bundesverfassungsgericht als zu pauschal und für die Abgeordneten nicht nachvollziehbar. Denn es sei zumindest nicht offenkundig, dass mit einer Auskunft über vorhandene Erkenntnisse gleichzeitig auch Einzelheiten zu Arbeitsweise und Strategien der Geheimdienste preisgegeben würden. Die Bespitzelung von Abgeordneten berge erhebliche Gefahren für ihre politische Unabhängigkeit sowie die demokratische Willensbildung insgesamt, betonten die Karlsruher Verfassungshüter. Wen die Bundesregierung den Geheimnisschutz dennoch höher gewichte, müsse sie dies besonders begründen.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte, das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Entscheidung „der Entdemokratisierung Einhalt geboten“. Die große Koalition müsse die Rechte der Abgeordneten achten, „statt das Land in Hinterzimmern und unter Ausschluss des Parlaments zu regieren“. Mit der Fraktion hatten die vier Abgeordneten Volker Beck, Irmingard Schewe-Gerigk, Jerzy Montag, und Josef Winkler das Bundesverfassungsgericht angerufen.