Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert auf dem dritten Petersberger Dialog ein konsequentes Umdenken. Grüne kritisieren Merkels Arbeit.
Berlin. Es ist zwar der dritte "Petersberger Klimadialog". Aber verhandelt wird nun schon zum zweiten Mal in Berlin. Draußen, auf dem Pariser Platz, posieren Touristen lärmend und lachend vor dem Brandenburger Tor. Im noblen Kongresszentrum zwischen US-Botschaft und Hochschule der Künste dämpft roter Teppich die Schritte. Vertreter aus 35 Ländern haben sich um den runden Konferenztisch versammelt. Frankreich sitzt neben Gambia, Japan neben Mexiko, Russland neben Saudi-Arabien. Gemeinsam wollen sie den nächsten Klimagipfel Ende des Jahres in Doha in Katar vorbereiten.
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) sitzt neben dem katarischen Vizeregierungschef Abdullah bin Hamadi al-Attijah. Beide wissen, dass die Zeit drängt. Ende des Jahres läuft das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz aus. Und noch gibt es keine neue Vereinbarung, in der Ziele zur Reduktion von Kohlendioxid (CO2) festgeschrieben sind. Bis 2015 soll ein neues Abkommen ausgehandelt werden, dass 2020 in Kraft tritt. Und auf der Doha-Konferenz sollen erste konkrete wichtige Schritte vereinbart werden.
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Um die Verhandlungen voranzubringen, will Altmaier einen neuen "Gemeinschaftsgeist" stiften. "Wir wissen, dass die heutigen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten", sagt Altmaier zum Auftakt der Konferenz. Und al-Attijah sagt: "Wir müssen jetzt handeln, um sicherzustellen, dass wir politische und rechtliche Kontinuität haben."
Al-Attijah richtet sich mit einer freundlichen, fast flehenden Einladung an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die neben Altmaier Platz genommen hat: "Wir brauchen Ihre Weisheit. Wir brauchen Sie in Doha." Merkel sagt, sie wolle prüfen, ob sie teilnehmen kann, und versichert: "Wenn der Umweltminister kommt, kommt er mit all meinen guten Gedanken."
Immerhin hatte Merkel einmal den Ruf einer "Klimakanzlerin". Wie wichtig ihr das Thema offensichtlich immer noch ist, demonstriert sie mit ihrem Appell an die Konferenzteilnehmer, der internationalen Klimapolitik endlich neuen Schwung zu geben. "Es bringt nichts, auf Zeit zu spielen", warnt Merkel. Doha müsse die notwendigen Erfolge bringen. Die Folgen des Nichthandelns im Klimaschutz wären verheerend. Die Erderwärmung würde nicht unter zwei Grad Celsius bleiben, sondern die globale Temperatur würde um drei oder im schlimmsten Fall sogar um vier Grad ansteigen. "Ein verbindliches Regelwerk, das sage ich ganz offen, klingt wie Musik in meinen Ohren", sagt Merkel. Klimaschutz erfordere von allen Veränderungen. Aber Veränderungen lösten manchmal Ängste aus. "Wir müssen anders mit den Rohstoffen der Erde umgehen", mahnt Merkel und wirbt für ein neues Verständnis von Wirtschaftwachstum. "Wir werden die Aufgabe nur schaffen, wenn wir Wachstum als mehr betrachten als nur als quantitatives Wachstum", sagt Merkel und verweist auf die Energiewende in Deutschland. Wenn der Umstieg auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien gelinge, könnten andere Länder davon lernen.
Merkel hat Erfahrung mit Klimaverhandlungen. Als Umweltministerin war sie 1995 bei der ersten Uno-Klimakonferenz in Berlin. Sie war auch dabei, als 1997 in Japan das Kyoto-Protokoll beschlossen wurde. Darin verpflichteten sich die Industrienationen, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2012 im Vergleich zu 1990 im Durchschnitt um 5,6 Prozent zu senken.
Inzwischen aber reicht es nicht mehr aus, wenn nur die industrialisierten Länder Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen. Schwellenländer wie China und Indien gehören heute in absoluten Zahlen zu den größten Klimasündern, auch wenn der Pro-Kopf-Ausstoß nach wie vor deutlich niedriger ist als in Europa und den USA. Vor allem vor dem Klimagipfel 2009 in Kopenhagen waren die Erwartungen groß, Schwellen- und Entwicklungsländer mit in ein Klimaschutzabkommen einbinden zu können. Die Verhandlungen scheiterten. Ein Jahr später im mexikanischen Cancún einigte sich die internationale Staatengemeinschaft auf das gemeinsame Ziel, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Der Klimagipfel 2012 im südafrikanischen Durban endete mit dem Beschluss, nach Ablauf des Kyoto-Protokolls ein Nachfolgeabkommen zu vereinbaren. Ein "unglaublich wichtiges" Ergebnis, sagt Merkel heute.
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Der Petersberger Klimadialog wurde nach dem gescheiterten Weltklimagipfel 2009 in Kopenhagen vom damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ins Leben gerufen. Er soll den internationalen Klimaschutz bei den Uno-Klimaverhandlungen wie auch bei der nationalen Klimapolitik der Teilnehmerstaaten voranbringen. Auch China und die USA, die zusammen mehr als die Hälfte des weltweiten Ausstoßes an Kohlendioxid erzeugen, sind dabei. Europa hat an den globalen Treibhausgas-Emissionen nur noch einen Anteil von 15 Prozent. Dennoch erwarten Schwellen- und Entwicklungsländer von den EU-Staaten eine Vorreiterrolle beim internationalen Klimaschutz.
Umweltexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker fordert auf heute.de: "Wir müssen Klimaschutz richtig profitabel machen und endlich Energieeffizienztechniken einsetzen, die lange in den Schubladen liegen." Zugleich müssten Energie und Rohstoffe jedes Jahr entsprechend teurer werden.
Die Opposition wirft der Bundesregierung Untätigkeit nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei der Energiewende vor. "Weder kommt der Netzausbau voran, noch wird an der Steigerung der Energieeffizienz gearbeitet; und erst recht gibt es keine Konzepte gegen soziale Verwerfungen durch steigende Energiepreise", sagt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Ähnlich äußert sich auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin: "Unter Merkel ist Deutschland vom Treiber zum Bremser des Klimaschutzes geworden."
Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, die Linke-Politikerin Eva Bulling-Schröter, fordert Bundesumweltminister Altmaier auf, endlich seine Hausaufgaben zu machen. "Es ist zutiefst unglaubwürdig, wenn Altmaier die Bedeutung des Zwei-Grad-Klimaziels hervorhebt, während die Bundesregierung sich in der EU nicht einmal klar und unmissverständlich für eine Minderung der Treibhausgas-Emissionen um 30 Prozent einsetzt", kritisiert sie.