Der Entwurf war im Bundestag kurz nach Anpfiff des EM-Halbfinalspiels Deutschland-Italien mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition verabschiedet worden. Nur wenige Abgeordnete waren anwesend, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Der Innenausschuss des Bundestags hatte die Vorlage aus dem Bundesinnenministerium in seiner Sitzung am Vortag geändert.

München. Die Bundesregierung geht davon aus, dass das umstrittene Meldegesetz wieder verändert wird. Die schwarz-gelbe Regierung, die den Gesetzesentwurf eingebracht hatte, habe zwar keinen Einfluss mehr auf das weitere parlamentarische Verfahren. Sie hoffe aber, dass er doch noch geändert werde, und der Datenschutz darin einen größeren Raum erhalte, machte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin deutlich. In der ursprünglichen Gesetzesfassung der Bundesregierung war vorgesehen, dass die Bürger der Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörden ausdrücklich zustimmen mussten. In der verschärften Gesetzesfassung ist nun vorgesehen, dass die Bürger aktiv Widerspruch einlegen müssen. Im September muss der Bundesrat dem Gesetz noch zustimmen. Schon vergangene Woche hatte abendblatt.de das Thema aufgegriffen und damit die zurzeit bundesweit heftig geführte Debatte über das neue Gesetz angestoßen.

+++Adressenverkauf durch Ämter – Widerspruch zwecklos+++

+++Ministerin Aigner distanziert sich von Meldegesetz+++

Der Entwurf war im Bundestag kurz nach Anpfiff des EM-Halbfinalspiels Deutschland-Italien mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition verabschiedet worden. Nur wenige Abgeordnete waren anwesend, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Der Innenausschuss des Bundestags hatte die Vorlage aus dem Bundesinnenministerium in seiner Sitzung am Vortag geändert.

Wie aus Koalitionskreisen zu erfahren war, ist die umstrittene Verschärfung des Meldegesetzes „auf ausdrücklichen Wunsch der CSU zustande gekommen“. In der Koalition zeigt man sich daher irritiert über die Kritik der CSU-Spitze. CSU-Chef Horst Seehofer und Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatten angekündigt, das verschärfte Gesetz stoppen zu wollen. Aigner sagte, in der ursprünglichen Gesetzesfassung sei „aus guten Gründen“ vorgesehen gewesen, dass die Bürger der Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörden ausdrücklich zustimmen müssen. In der verschärften Gesetzesfassung ist nun vorgesehen, dass die Bürger aktiv Widerspruch einlegen müssen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte zuvor allerdings vorschnelle Kritik abgelehnt. Wer sich „inhaltlich“ mit dem neuen Gesetz auseinandersetze und dieses mit den Meldegesetzen der Länder vergleiche, der werde feststellen, dass der Datenschutz gegenüber der jetzigen Rechtslage verbessert werde, sagte Friedrich am Montag vor einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. „Dann legt sich die Aufregung vielleicht ein bisschen.“ Das werde auch der Bundesrat in seinen Beratungen feststellen. „Ich warne vor Schnellschüssen“, sagte der Minister, dessen Haus den Gesetzentwurf in seiner ursprünglichen Fassung vorgelegt hatte.

Friedrich wollte sich auch auf Nachfrage nicht zu „seiner“ ursprünglichen Gesetzesfassung bekennen oder sich gegen die vom Bundestag beschlossenen Verschärfungen positionieren. „Ich kritisiere die Beschlüsse des Deutschen Bundestages als Mitglied der Bundesregierung nicht“, sagte er und betonte: „Wissen Sie, in Berlin ist es so, dass das Parlament die Regierung kontrolliert und nicht umgekehrt.“ Friedrich wollte aber darüber hinaus auch nicht sagen, warum er sich ursprünglich für die Einwilligungslösung und gegen die Widerspruchslösung entschieden hatte.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hat Schwarz-Gelb mit Blick auf das umstrittene Meldegesetz Klientelpolitik vorgeworfen. "Klar ist, dass dieses Vorhaben – so wie es der Bundestag jetzt beschlossen hat – ein Geschenk für die Werbewirtschaft ist“, sagte Peter Schaar am Montag im Deutschlandfunk. Das Gesetz enthalte "massive Verschlechterungen“ für die Bürger, kritisierte Schaar. Sie müssten einer Weitergabe ihrer Daten durch Ämter an Unternehmen ausdrücklich widersprechen – statt diese schriftlich zu erlauben. Die Erfahrung zeige aber, dass nur wenige Bürger diesen Widerspruch überhaupt einlegten, sagte Schaar. Und selbst dann könnten Unternehmen, die bereits alte Daten von Bürgen hätten, diese bei den Ämtern aktualisieren – sogar wenn diese aus "dubiosen Quellen“ stammten. "Da hilft selbst kein Widerspruch.“ SPD und Grüne wollen das Gesetz im Bundesrat stoppen.

Hessens Datenschutzbeauftragter sagt dem vom Bundestag verschärften Meldegesetz ein schnelles Ende voraus. „Wir freuen uns über das vernichtende Presseecho“, sagte der Sprecher des Datenschutzbeauftragten, Robert Piendl, am Montag. „Da der Bundesrat zustimmungspflichtig ist, sind wir zuversichtlich, dass diese Reform im Entwicklungsstadium stecken bleibt.“ Vom derzeitigen Gesetzentwurf halte seine Behörde nichts. „Das Meldeamt darf den Bürger nicht in die Bringschuld setzen“, sagte Piendl. Er bevorzugt die sogenannte Einwilligungslösung. Hier müsste das Meldeamt den Bürger vor dem Verkauf seiner Daten fragen.

Mit dem neuen Gesetz sind mehrere Länder nicht einverstanden. Bayerns Ministerpräsident Seehofer sagte in München: „Wenn das stimmt, was ich bisher weiß, dann wird Bayern dem nicht zustimmen.“ Seehofer betonte, seinen Parteikollegen, Bundesinnenminister Friedrich, treffe keine Schuld. Dessen Entwurf zum Meldegesetz sei „in Ordnung“ gewesen.

Auch aus dem rot-grün geführten Rheinland-Pfalz kam Kritik. Das Kabinett habe sich wegen der Sommerpause noch nicht mit dem Thema beschäftigt, dennoch sei eine Zustimmung im Bundesrat äußerst unwahrscheinlich, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Mainz. Unzufrieden ist auch der Bundesdatenschutzbeauftragte. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, mahnte, es dürfe „noch nicht mal der Anschein entstehen, dass Daten ohne Einwilligung des Betroffenen weitergeben werden könnten“. Der Bundesrat müsse für Nachbesserungen sorgen.

Auch die Landesregierung in Kiel will die Änderungen am Meldegesetz nicht mittragen, die Adresshändlern den Zugriff auf persönliche Daten bei den Ämtern erleichtern sollen. „Die Landesregierung wird der Regelung, so wie sie jetzt vorliegt, im Bundesrat auf jeden Fall nicht zustimmen“, sagte Vize-Regierungssprecher Lars Bethge am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Sie werde sich bemühen, eine Mehrheit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses zusammenzubekommen. Schleswig-Holstein wird von einer Koalition aus SPD, Grünen und SSW regiert. Der Landesdatenschutzbeauftragte Thilo Weichert sprach von einem unsäglichen Gesetz, das die Regierungsfraktionen im Bundestag am 28. Juni beschlossen hatten. Der Bundesrat befasst sich mit dem Vorhaben im September.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Michael Hartmann, warf der schwarz-gelben Koalition vor, „einseitig die Interessen der Adresshändler“ bedient zu haben. Dies hätten seine Parteikollegen und er auch im Innenausschuss deutlich gemacht. Sie seien aber von Union und FDP überstimmt worden. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, „das Schlimmste“ an dem neuen Gesetz sei die Regelung zur Aktualisierung bereits vorhandener Daten. Damit könnten auch illegal beschaffte Adressen aktualisiert werden, warnte sie im ZDF-„Morgenmagazin“.

Mit Material von dpa/dapd