Schon Atommacht? Der Streit um Teherans Nuklearprogramm droht zu eskalieren
Hamburg. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat eindringlich vor einem Militärschlag gegen den Iran gewarnt. "Ich warne davor, militärische Optionen in den Raum zu stellen. Das sind jenseits aller gefährlichen Weiterungen für die Region Debatten, die die iranische Führung eher stärken als schwächen", sagte der Außenminister im Abendblatt-Interview. Medienberichten zufolge gibt es bereits israelische Pläne für einen Einsatz gegen iranische Atomanlagen.
Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zum iranischen Atomprogramm hatte sich der Verdacht erhärtet, dass Teheran mit ausländischer Hilfe die entscheidenden Schritte zum Bau einer Atombombe geschafft hat.
Nach Informationen der "Washington Post" haben ehemalige sowjetische Wissenschaftler dem Iran geholfen, an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. So habe unter anderem ein früherer sowjetischer Waffenspezialist für Teheran über mehrere Jahre an der Entwicklung hochpräziser Sprengzünder mitgearbeitet. Die Zeitung berief sich auf westliche Diplomaten und Nuklearexperten. Der Iran habe zudem von technischem Wissen aus Pakistan und Nordkorea profitiert.
Westerwelle deutete derweil die Möglichkeit weiterer internationaler Sanktionen gegen den Iran an. "Es ist klar: Wenn der Iran nicht kooperiert, wird die internationale Gemeinschaft nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagte der Außenminister. Nach der Übergabe des Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde müsse entschieden werden, "welche politische und diplomatische Antwort wir geben".
Der Außenminister erinnerte den Iran an seine Pflicht, die Details seines Atomprogramms offenzulegen. Er habe vor wenigen Tagen in Istanbul seinen iranischen Amtskollegen Ali Akbar Salehi "noch einmal eindringlich aufgefordert, bei der Nutzung der Atomkraft mit der internationalen Gemeinschaft transparent und nachvollziehbar zusammenzuarbeiten". Westerwelle betonte: "Der Iran hat das Recht, die Atomenergie zivil zu nutzen. Aber er hat zugleich die Pflicht, eine militärische Nutzung auszuschließen." Auch Russland schaltete sich in den eskalierenden Atomstreit mit Teheran ein und warnte vor einem möglichen Angriff auf den Iran. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte: "Ein Angriff wäre ein sehr ernster Fehler, dessen Folgen unabsehbar wären." Er fügte hinzu: "Militärschläge bringen keine Lösungen, sondern nur viele Opfer."
Russland hatte vor Kurzem ein Nachgeben von allen Seiten gefordert, um die stockenden Verhandlungen zu erneuern. Dazu hatte Lawrow vorgeschlagen, dass der Iran zunächst einen vertrauensvollen Schritt unternehmen müsse. Im Gegenzug könne die Sechsergruppe aus Russland, China, Frankreich, den USA und Großbritannien sowie Deutschland dann die gegen Teheran verhängten Sanktionen lockern.
Der neue IAEA-Bericht zu Iran enthält nach Angaben von Diplomaten neue Details über das iranische Atomprogramm. Unter anderem soll es Informationen geben, die auf ein Computermodell eines Atomsprengkopfes hindeuten. Die iranische Führung bestreitet, an einer Computersimulation für Atomsprengköpfe zu arbeiten. Die Anschuldigungen seien haltlos.