Nach Wahlsieg in Berlin verhandelt die SPD mit Grünen und CDU über Koalition

Berlin. Sigmar Gabriel blickte schon einmal weit voraus. Die SPD-Anhänger müssten sich nun bis Mai gedulden, um nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein wieder ausgiebig klatschen zu können, rief der SPD-Vorsitzende gestern den applaudierenden Mitarbeitern im Willy-Brandt-Haus zu. Ein tolles Ergebnis habe die SPD in Berlin vorgelegt, von dem auch die Bundespartei einiges lernen könne. Zu verdanken sei dies auch ihrem exzellenten Kandidaten. Klaus Wowereit verteilte ebenfalls Komplimente. Statt Irritation habe es im Berliner Wahlkampf von der Bundespartei diesmal Rückenwind gegeben, sagte er erfreut. "Das war ja nicht immer so", war er sich mit Gabriel einig.

Trotz des eher schlappen Ergebnisses von 28,3 Prozent in der Hauptstadt gab sich die SPD-Führung zufrieden. Als einzige Partei hat die SPD bei der Abgeordnetenhauswahl konstant gute Ergebnisse in Ost und West erzielt.

Die Jungsozialisten (Jusos) bringen Wowereit nun sogar schon als SPD-Kanzlerkandidaten ins Gespräch. "Wenn man einen Kanzlerkandidaten sucht, sollte man sich auch anschauen, wer schon Wahlen gewonnen hat", sagte der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt dem "Tagesspiegel".

Ein weiterer Grund für die Zufriedenheit der Parteispitze war auch, dass die nach Baden-Württemberg vorübergehend ins Wanken geratene Machtverteilung mit den Grünen sich aus SPD-Sicht wieder zurechtgerückt hat. Nun beginnt in Berlin das Koalitionspoker - und der 57 Jahre alte Wowereit kann sich zwischen ebendiesen Grünen und der CDU entscheiden.

Der Entscheidungsdruck ist zunächst nicht groß. Gewiss ist nur eins: Die SPD wird Grüne und CDU gegeneinander ausspielen, um das Optimum für sozialdemokratische Politik herauszuholen. Es gehe dabei auch um eine Haltung, ob man die Stadt weiterentwickeln wolle, sagte Wowereit. Oder begnüge man sich damit, "kleine Korrekturen zu machen und da noch ein Biotop zu schaffen". Ob es sich Wowereits SPD am Ende tatsächlich auch mit einer Koalition mit der bislang ungeliebten CDU anfreunden könnte, bleibt vorerst offen. Für die Bundes-SPD wäre Rot-Schwarz in Berlin kein günstiger Vorbote für den erhofften Machtwechsel mit den Grünen in zwei Jahren.

Die Berliner Grünen jedenfalls machten Wowereit schon einmal klare Avancen. "Es gibt eine stabile Mehrheit, und die SPD hat jetzt den Auftrag, aus dieser Mehrheit etwas zu machen", sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. "Wir sind bereit." Sein bedingungsloses Nein zum umstrittenen Weiterbau der Stadtautobahn A 100 von Neukölln nach Treptow wiederholte er nicht. Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast will nach eigenen Angaben an den Gesprächen teilnehmen, den "Staffelstab" zu gegebener Zeit aber weiterreichen. Die Grünen hatten bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am Sonntag 17,6 Prozent erzielt - ihr bislang bestes Ergebnis in Berlin.

Der langjährige und bewährte Partner Linke bleibt für die SPD bei den Verhandlungen über eine Koalition im Abgeordnetenhaus außen vor. Rot-Rot haben die Berliner nach fast zehn Jahren abgewählt. Die Linke hatte bei der Wahl 1,7 Prozentpunkte verloren und war bei 11,7 Prozent gelandet. Nach der Wahlschlappe hat die Bundesspitze der Linken Fehler eingeräumt. "Eine Partei, die zerstritten erscheint, ist bei Wahlen nicht attraktiv", sagte Parteichef Klaus Ernst. Für die Zukunft forderte er von seiner Partei Geschlossenheit, ein schärferes Profil und einen Verzicht auf weitere Personaldebatten.

Der Berliner Spitzenkandidat Harald Wolf suchte die Gründe für die Wahlschlappe sowohl in der Landes- als auch in der Bundespolitik. "Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam", sagte er.