Am Sonntag wird der neue Schweriner Landtag gewählt. Bisher fanden relativ wenige Bürger den Weg an die Wahlurnen.
Schwerin/Waren. Der Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern ist beendet, nun haben die Bürger das Wort. Auf ihren Abschlussveranstaltungen warnten Vertreter jeglicher demokratischer Couleur gemeinsam noch einmal eindringlich vor dem erneuten Einzug der rechtsextremen NPD in den Schweriner Landtag.„Demokratie ist nicht nur eine Staats- und Rechtsform, sie muss eine Lebensform werden“, sagte Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD).
Rund 1,4 Millionen Bürger sind aufgerufen, ein neues Landesparlament zu wählen. Zugleich werden die Kreistage der künftig bundesweit größten Landkreise und die Landräte gewählt. Umfragen zufolge zeichnet sich ein Wahlsieg der Sozialdemokraten unter Führung von Ministerpräsident Erwin Sellering ab.
Politiker der demokratischen Parteien hatten per Anzeige in Sonntagsblättern nochmals für eine hohe Wahlbeteiligung geworben. Dennoch begannen die Wahlen eher schleppend, wohl auch wegen des sommerlichen Wetters.
Auf eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent brachte es die Insel Ruden. Ulla Toth und Conrad Marlow, die beiden einzigen Bewohner des Eilands, hatten sich am Morgen mit ihrem Boot „Odin“ auf den Weg zum acht Kilometer entfernten Festland gemacht. Im Fischerdorf Freest gaben sie ihre Stimme ab. „Es hat alles wie geplant geklappt“, sagte Toth. Seit 2003 lebt das Paar auf der gut zwei Kilometer langen und 400 Meter breiten Insel zwischen Rügen und Usedom, die nur von Ausflugsschiffen oder vom Seenotkreuzer angesteuert wird. Die Bootstour zum Wahllokal hat für die beiden Insulaner bereits Tradition.
Entspannt ging es auch im kleinsten Wahlbezirk Mecklenburg-Vorpommerns in Jasnitz (Landkreis Ludwigslust) zu. In dem Ortsteil der Gemeinde Picher sind nur 58 Wahlberechtigte registriert. Den ersten Schub von Wählern habe es zum zweiten Frühstück gegeben, den nächsten erwartete Wahlvorsteher Markus Hübner zur Kaffeezeit am Nachmittag. „Jeder, der kommt, setzt sich an den großen Tisch, dann wird geplaudert“, sagte er. Kaffee gebe es sowieso, Kuchen würden die Wähler mitbringen. Bei der Wahlbeteiligung sei der Ort immer relativ gut gewesen, erinnerte sich Hübner. Wenn allerdings eine Familie ausfalle, etwa wegen einer Familienfeier, drücke das die Wahlbeteiligung heftig.
Als erste der Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gab am Morgen die Grünen-Politikerin Silke Gajek ihre Stimme ab. Ihrer Partei werden gute Chancen gegeben, erstmals in den Schweriner Landtag einzuziehen. „Die Stimmung im Wahlkampf war für uns sehr gut, in Umfragen lagen wir stets bei sieben bis acht Prozent. Ich bin sicher, dass wir es schaffen“, gab sich die 49-Jährige zuversichtlich. Gelingt es den Grünen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, wären sie in allen deutschen Landesparlamenten vertreten.
Gut gelaunt und entspannt ist Mecklenburg- Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering als SPD-Spitzenkandidat am Sonntag mit Ehefrau Britta zur Wahl gegangen. Die Umfragen seien für die SPD sehr gut gewesen – "jetzt geht es um die Frage, gehen alle wählen?“, sagte er. Nach seinem Traumergebnis für die SPD gefragt, sagte Sellering nur: "Stärkste Partei zu werden.“
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Bei der Landtagswahl 2006 landete die SPD mit 30,2 Prozent knapp vor der CDU (28,8). Die Linke erzielte mit 16,8 Prozent eines ihrer schlechtesten Ergebnisse, die FDP mit 9,6 Prozent einen Rekordwert. Die rechtsextreme NPD erreichte 7,3 Prozent, die Grünen scheiterten mit 3,4 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Die 71 Sitze im Landtag verteilen sich derzeit so: SPD 23, CDU 22, Linke 13, FDP 7 und NPD 6. Die Wahlbeteiligung betrug 2006 nur 59,1 Prozent.
Am Freitag und Samstag boten vor allem CDU und Linke nochmals Politprominenz auf, um Wähler zu gewinnen. In Neustrelitz und Neubrandenburg warb Kanzlerin Angela Merkel erneut um Zustimmung für die CDU und warnte vor einer Rückkehr zu Rot-Rot. „Nur eine starke CDU kann dafür sorgen, dass die Linken nicht in die Regierung kommen“, sagte die CDU-Vorsitzende.
Ihren Auftritt zum Wahlkampfabschluss am Samstag in Waren musste Merkel aber absagen, weil ihr Vater, Horst Kasner, am Freitag gestorben war. An ihrer Stelle sprach der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff. „Auch 2011 kann die CDU gewinnen, das zeigt die Wahl in Sachsen-Anhalt“, machte er den CDU-Anhängern Mut.
Für die Menschen zwischen Schwerin und Greifswald stehe viel auf dem Spiel, erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Samstag. Die Wahl werde darüber entscheiden, ob Mecklenburg-Vorpommern weiter auf der Erfolgsspur bleibe – oder wieder in rot-rote Tristesse zurückfalle.
Für die SPD wollten am späten Samstagnachmittag in Schwerin noch Ministerpräsident Sellering und drei weitere Minister in einem Telefonforum Fragen von Wählern beantworten. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, hatte am Freitagabend zum Wahlkampfabschluss seiner Partei in Schwerin die Wähler aufgefordert, mit ihrer Entscheidung auch ein Signal nach Berlin zu senden. „Sollte die Linke geschwächt aus der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern hervorgehen, wäre das Signal: Das hat sich erledigt“, sagte er. Gehe die Linke gestärkt aus den Wahlen hervor, dann würden „die in Berlin“ ihre Politik ändern, „bevor wir einen Antrag stellen.“
Der letzten Umfrage zufolge könnte die SPD (35 Prozent) gegenüber der Wahl 2006 ihren Vorsprung auf den Koalitionspartner CDU (28) und die ebenfalls als Regierungspartner bereitstehende Linke (16,5) vergrößern. Sellering, der eine zweite Amtszeit anstrebt, hat sich nicht auf einen Koalitionspartner festgelegt. Die FDP muss nach den Umfragen um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Ähnlich sind die Aussichten für die rechtsextreme NPD. Die Grünen hoffen auf ihren erstmaligen Einzug in das Landesparlament.