Innenminister Friedrich schickt die fehlerhaften Geräte nach Hamburger Feldversuch zurück ins Labor. Die EU sucht nach Lösungen für die Sicherheit im Flugverkehr
Berlin. Es müssen sich unfreiwillig komische Szenen am Hamburger Flughafen abgespielt haben. Wenn ein Passagier zu sehr unter den Achseln schwitzte, schlug der Körperscanner Alarm. Bei anderen reichte schon eine Kleidung mit zu vielen Falten, um bei der elektronischen Ganzkörperprüfung auffällig zu werden. Viel zu oft mussten nach Ansicht des Bundesinnenministeriums die Kontrolleure die Passagiere durch Fehlalarme der beiden getesteten Körperscanner aufwendig per Hand nachkontrolliert werden. Die Abfertigung verzögerte sich - dabei sollten die Geräte die Kontrolleure ursprünglich entlasten. Das Ministerium zieht die Konsequenz: Für einen flächendeckenden Einsatz sind die Geräte noch nicht tauglich. Auch soll es bis auf Weiteres keinen weiteren Feldversuch geben.
Der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte Ende September 2010 mit großen Hoffnungen die zehnmonatige Testphase mit zwei Geräten eingeläutet. Der Minister war seinerzeit selbst zum Hamburger Flughafen gekommen, um den Betrieb zu starten. Dort sprach er von einem "echten Gewinn für die Sicherheit im zivilen Luftverkehr" und lobte an den Geräten die "gesundheitliche Unbedenklichkeit, Wahrung der Persönlichkeitsrechte und einen Mehrwert für die Luftsicherheit". Mithilfe der Geräte sollten am Körper verborgener Sprengstoff und Waffen - etwa aus Keramik - aufgespürt werden. Zuvor hatte die Bundespolizei verschiedene Geräte getestet. Aufgrund der Nähe zum Testlabor in Lübeck war dann Hamburg als Testflughafen ausgewählt worden. Zwischen dem 27. September 2010 und dem 31. Juli 2011 ließen sich dann rund 809 000 Passagiere am fünftgrößten Airport Deutschlands durchleuchten. Diese Zahl spreche für eine hohe Akzeptanz der Geräte, so Sicherheitskreise. Ursprünglich nur für sieben Monate geplant, wurde der Versuch um drei Monate verlängert. Erst zum Schluss wurde die Fehlerquote geringer.
Doch nicht gering genug für den Minister. Anfang August bekam de Maizières Amtsnachfolger Hans-Peter Friedrich (CSU) die Ergebnisse serviert: Bei nur 31 Prozent der Passagiere wurde kein Alarm ausgelöst, bei 69 Prozent waren Nachkontrollen erforderlich. Bei 54 Prozent wurde überflüssiger Alarm ausgelöst, bei 15 Prozent handelte es sich um echten Alarm. Eine Fehlerquote von "deutlich unter 50 Prozent" sei allerdings erforderlich, um überhaupt weitere Tests anzugehen, heißt es nun aus dem Ministerium. Dort verlautete auch, dass Friedrich entschieden habe, dass die Software noch verbessert werden müsse. Grundsätzlich halte man aber an den Scannern fest, wenn die Software in der Lage ist, die bisherigen Mängel zu vermeiden. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft begrüßte Friedrichs Entscheidung. Präsident Klaus-Peter Siegloch sagte, Körperscanner könnten die Technologie der Zukunft sein. Aber dazu müssten sie ausgereift sein und fehlerfrei funktionieren, ohne den Passagieren zusätzliche Belastungen oder Zeitverzögerungen zuzumuten. "Passagierkontrollen sind das Nadelöhr eines jeden Flughafens", so Siegloch. Vertreter des Hamburger Flughafens und der zuständigen Wirtschaftsbehörde wollten gestern keine Bewertung der Resultate abgeben. An der Erarbeitung und der Auswertung des Feldtests seien weder der Flughafen Hamburg noch die Luftsicherheitsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg beteiligt gewesen, hieß es zur Begründung. Anders als etwa in den USA, wo Scanner mit Röntgenstrahlen eingesetzt werden, arbeiten die in Hamburg getesteten Geräte vom Typ "L-3 ProVision ATD" mit aktiver Millimeterwellentechnik, die in etwa wie eine Wärmebildkamera funktioniert. Und anders als die Röntgenscanner, die durch ihr bildgebendes Verfahren als "Nacktscanner" verschrien sind, produzieren die Hamburger Testscanner keine detaillierten Körperbilder, sondern zeigen quasi Strichmännchen an. Werden die Geräte auf verdächtige Stellen aufmerksam, zeigen sie dort ein gelbes Quadrat auf dem Piktogramm.
Doch Röntgenscanner soll es in Deutschland auf keinen Fall geben, auch europaweit ist ein Verbot angedacht. Hier könne man ein Risiko von Gesundheitsschäden nicht ausschließen - bei den Scannern mit Millimeterwellen schon. Grundsätzlich sind die Geräte derzeit nur im Testverfahren an europäischen Flughäfen zugelassen. Die Niederlande, Großbritannien, Italien, Frankreich und Finnland nehmen wie Deutschland daran teil. Allein, eine EU-Verordnung, die die Zulassung von Körperscannern als reguläres Kontrollmittel von Passagieren regeln soll, ist noch in Arbeit.
Die in Hamburg zum Einsatz gebrachten Geräte werden nun in Lübeck im Labor der Bundespolizeiführungsakademie hinter verschlossenen Türen verbessert. Inzwischen seien mehrere Unternehmen mit der Entwicklung von Körperscannern beschäftigt, heißt es im Innenministerium. Aber von der Serienreife seien alle noch weit entfernt.
Auslöser für den bundesweit ersten und bislang einzigen Feldtest war der vereitelte Sprengstoffanschlag eines Nigerianers auf ein US-Passagierflugzeug Ende 2009. Der Mann hatte den Sprengstoff in seiner Unterhose versteckt. Seitdem ringen die EU-Staaten um eine gemeinsame Linie in der Sicherheitstechnik an Flughäfen.