Liberale Parlamentarierin Sylvia Canel will gegen Plan der Kanzlerin stimmen. Nord-CDU für breite Bundestagsbeteiligung
Berlin. In der Debatte um die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF kann sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht auf die Stimmen der Hamburger Koalitionsabgeordneten verlassen. Die FDP-Parlamentarierin Sylvia Canel sagte dem Abendblatt, sie werde der Ausweitung nicht zustimmen. "Der Bundestag ist vom Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen, es fehlt an Transparenz und demokratisch legitimierter Kontrolle. Zudem ist der systematische Ausbau der Staatsschuldenwirtschaft politisch gefährlicher als die Insolvenz einzelner Länder." Auch ihr Parteifreund, der Hamburger Abgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen, zeigte sich skeptisch. Er habe sich noch nicht entschieden, ob er der Aufstockung so zustimmen werde. "Wir haben vor einem Jahr den ersten Rettungsschirm verabschiedet, und ich sehe nicht, dass es Griechenland besser geht oder etwas gegen die Strukturkrise im Land unternommen wurde." Man könne nicht einfach noch ein Signal zum "Weiter so" geben. Müller-Sönksen fügte hinzu, Merkel müsse bis zur Abstimmung viele offene Fragen klären. "Klar ist: Wir Parlamentarier werden uns unser Haushaltsrecht nicht nehmen lassen. Das muss in jedem Fall gewährleistet sein." Zudem müsse man so etwas wie eine Vergleichs- und Insolvenzordnung etablieren, in der der Umgang mit finanziell angeschlagenen Staaten künftig geregelt wird. "Wir müssen eine nachhaltige Entscheidung treffen, schließlich geht es dabei um Deutschlands finanzielle Zukunft."
Bei der Debatte geht es um die auf dem Euro-Krisengipfel im Juli beschlossene Aufstockung des Euro-Rettungsschirms von 440 auf 780 Milliarden Euro. Der deutsche Anteil der Bürgschaften würde dann 211 Milliarden Euro betragen. Über die Änderungen muss noch der Bundestag abstimmen. Der "Focus" hatte von 23 Abgeordneten aus den Reihen von Union und FDP berichtet, die wohl gegen den EFSF stimmen wollten. CSU-Chef Horst Seehofer gab der Kanzlerin gestern Rückendeckung. Nach einer Sondersitzung der CSU warb er für eine Zustimmung zu Merkels Kurs. Er habe allen Grund zu der Annahme, dass es eine "breite Unterstützung" durch die CSU geben werde, fügte er hinzu. Zunächst müsse aber formuliert werden, in welcher Form das Parlament beteiligt werde.
Genau das fordern auch die vier Hamburger CDU-Abgeordneten. Landesgruppen-Chef Dirk Fischer sagte dem Abendblatt, er sei grundsätzlich bereit, der Aufstockung zuzustimmen. "Allerdings muss der Bundestag vor der Abstimmung ausführlich über seine Beteiligungsmöglichkeiten, seine Rechte und das gesamte Verfahren informiert werden." Landeschef Marcus Weinberg und der Parlamentarier Rüdiger Kruse sprachen sich ebenfalls für eine angemessene Beteiligung des Bundestags aus. Der Abgeordnete Jürgen Klimke verteidigte Merkels Kurs. Er werde der EFSF-Ausweitung zustimmen, "weil nur so die Kanzlerin ihr Credo des stabilen Euro umsetzen kann. Sie ist der Garant, dass die Mitgliedsländer ihre Haushalte in Ordnung bringen und Wettbewerb in Gang setzen."
Für die Beratungen nimmt sich das Parlament mehr Zeit als geplant. Der Bundestag wird nun erst am 29. September statt am 23. abstimmen, wie das Abendblatt aus Koalitionskreisen erfuhr. Der Bundesrat soll am 30. September zusammenkommen. Wie das Parlament das Gesetz umsetzen soll - ob ein neuer EU-Ausschuss gegründet wird oder allein der Haushaltsausschuss über Kredittranchen berät -, soll bis Ende September entschieden werden. Es heißt, die Haushaltspolitiker seien beauftragt, Vorschläge zu machen.