Parteifreunde sollen von Boettichers Rücktritt lange vorbereitet haben
Kiel. In der Affäre um die Beziehung des ehemaligen CDU-Spitzenkandidaten Christian von Boetticher mit einer Minderjährigen geraten Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und die CDU-Führungsspitze unter Druck. "Der Umgang mit Christian von Boetticher war unter aller Sau", sagte der Vorsitzende der Jungen Union im Kreis Pinneberg, Nicolas Sölter. Führende CDU-Politiker hätten seit Langem von der früheren Beziehung von Boettichers zu der 16-Jährigen gewusst und "haben ihn ins offene Messer laufen lassen". Auch von Boetticher sieht sich wohl als Opfer einer Intrige. Er war am Sonntag zurückgetreten, nachdem Medien über die Affäre berichtet hatten.
Die Führungsriege der Nord-Union hat mit Blick auf immer neue Vorwürfe die Flucht nach vorn angetreten. Carstensen und auch der neue Hoffnungsträger Jost de Jager beteuerten, dass sie die Affäre nicht an Medien durchgesteckt haben. "Es gab keine Intrige", versicherte der Landtagsabgeordnete Tobias Koch. Von Boetticher habe sich mit der Beziehung zu einer Minderjährigen selbst das politische Grab geschaufelt, meinte ein CDU-Funktionär. Fakt ist, dass sich von Boettichers Schicksal bereits am 28. Juli abzeichnete. An diesem Tag beichtete er Carstensen die Affäre, lehnte einen Rücktritt aber ab. Anfang August gab es daraufhin in Kiel die ersten Krisengespräche und damit eine wachsende Zahl von Mitwissern. Auch de Jager soll im Bild gewesen sein. Nach erneuten Versuchen, von Boetticher zur Aufgabe zu bewegen, zog Carstensen am 9. August die Notbremse. Er legte seinem Kronprinzen den Rücktritt nahe, informierte die CDU-Chefin Angela Merkel.
Kurz darauf schlug die Kieler CDU-Spitze die ersten Pflöcke für einen Neuanfang ein. So soll de Jager intern zugesagt haben, dass er im Notfall Parteivorsitz und Spitzenkandidatur übernehme. Auch über einen neuen Fraktionschef wurde nachgedacht. Am vorvergangenen Freitag war es Carstensen, der den letzten Akt einläutete. Er überredete von Boetticher, in einer Sondersitzung des geschäftsführenden Landesvorstands (GLV) am Sonntag Farbe zu bekennen, und sorgte dafür, dass die GLV-Mitglieder informiert wurden. Ins Bild gesetzt wurde fast zeitgleich FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. "Ich bekam einen Anruf von Carstensen."
Offen ist, wer in den nächsten Stunden die Medien einschaltete, klar hingegen, dass Carstensen in den Sonntagszeitungen mit dem Hinweis, die Affäre habe nicht nur eine rechtliche Dimension, die Marschroute für die GLV-Sitzung vorgab. Nach dem tränenreichen Rücktritt von Boettichers dauerte es keine vier Tage, bis alle Posten des Ex-Hoffnungsträgers neu vergeben waren. In der CDU-Spitze ist man überzeugt, die Krise gut gemanagt zu haben. "Wir mussten handeln, weil von Boetticher die Sache aussitzen wollte."
Begründet wird das forsche Vorgehen auch damit, dass SPD-Chef Ralf Stegner früh von der Affäre gewusst habe. Stegner dementierte das. Auch für das Gerücht, ein früherer JU-Funktionär aus dem Kreis Plön habe Facebook-Protokolle des Liebesgeflüsters zwischen von Boetticher und der Schülerin, gibt es keine Belege.