Bundespräsident mahnt auf zentraler Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag des Mauerbaus zu Offenheit – Schweigeminute am Mittag.
Berlin. Den uneingeschränkten Einsatz für Freiheit und den Kampf gegen Extremismus haben Politiker und Zeitzeugen bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag des Mauerbaus in Berlin angemahnt. Bundespräsident Christian Wulff rief die deutsche Gesellschaft am Sonnabend zu mehr Offenheit auf. Jeder müsse in Deutschland die Möglichkeit haben, sich frei zu entfalten, sagte er. Am Mittag wurde in der Hauptstadt eine Schweigeminute abgehalten.
Unter den Zuhörern waren in der Gedenkstätte Bernauer Straße Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Es war der erste öffentliche Auftritt Merkels nach ihrem Urlaub.
Wulff erinnerte an die Schicksale „zerrissener Familien, Partnerschaften und Freundschaften“ nach dem 13. August 1961, einem „verhängnisvollen Tag unserer deutschen Geschichte“. Er betonte: „Die Erinnerung an die Leben erstickende Mauer mahnt uns, die Offenheit unserer heutigen Welt und die Präsenz des Fremden in ihr auszuhalten, auch wenn es häufig anstrengend sein mag.“ Offenheit und die Bereitschaft einer Gesellschaft, sich zu verändern, würden am Ende belohnt. „All dies erfordert Mut.“
Wulff betonte, das Streben nach „mehr wirklicher Freiheit“ bedeute Entfaltungsmöglichkeiten für jeden. Die nach Deutschland gekommenen müssten besser integriert werden. „Mehr aus sich zu machen, muss tatsächlich allen möglich sein.“
„Beschämend“ nannte das Staatsoberhaupt rückblickend auf die Zeit der deutschen Teilung die damals „um sich greifende Gleichgültigkeit in Westdeutschland“. Unrecht von links habe weniger empört als Unrecht von rechts. „Viele gewöhnten sich an die Mauer, viele verharmlosten sie.“
Dagegen hätten viele DDR-Bürger „heldenhaften Mut“ bewiesen. Es seien sehr oft Christen gewesen, die sich mit den Zuständen nicht abgefunden hätten, sagte Wulff. „Daran möchte ich erinnern gerade heute in einer Zeit, in der nicht wenige Kirche und Religion gänzlich ins Private zurückdrängen wollen.“
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bezeichnete den Tag des Mauerbaus als den „traurigsten Tag in der jüngeren Geschichte Berlins“. Nichts sei danach so gewesen wie vor diesem „Schicksalstag“, sagte der SPD-Politiker. Der Bau der Mauer habe die Berliner „ins Mark“ getroffen. Fassungslos hätten sie mit ansehen müssen, wie der SED-Staat die Teilung der Stadt „zementierte“.
Nach den Worten Wowereits versuchten viele Menschen noch „in letzter Sekunde“, in den Westen zu gelangen. Die Bilder davon erzählten vom „Freiheitsdrang der Berliner“ und dokumentierten die „Unmenschlichkeit und das Unrecht“ der Mauer. Der Berliner Regierungschef betonte, ihn sporne diese Erfahrung an, nicht nachzulassen im Kampf gegen totalitäres Denken und Handeln. Er kritisierte zugleich scharf jene, die heute „Mauer und Teilung nostalgisch verklären“.
Ansprachen hielten auch die Zeitzeugin Freya Klier, die von ihrem gescheiterten Fluchtversuch berichtete, und Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Der CDU-Politiker mahnte mehr Engagement bei der Aufarbeitung der Geschichte auch im Schulunterricht an. Jugendliche müssten lernen, dass extremistische Ideologien links und rechts nur zu Unfreiheit und Unterdrückung führten.
Bei einer anschließenden ökumenischen Andacht in der Kapelle der Versöhnung erinnerten der evangelischen Landesbischof Markus Dröge und der katholische Weihbischof Matthias Heinrich an das durch die Mauer verursachte Leid. Doch aus der „Kraft dieser Schwachen wuchs schließlich das Herbstwunder 1989“, sagte Dröge. Am Standort der Kapelle auf dem ehemaligen Todesstreifen befand sich bis 1985 die Versöhnungskirche. Sie wurde „zur besseren Sicherung des Grenzgebietes“ auf Geheiß der DDR-Obrigkeit gesprengt.