Lufthansa testet Bio-Kerosin. Der Wettbewerb zwischen Treibstoff- und Nahrungsproduktion birgt Risiken - und Chancen.
Hamburg. Gestern um 11.15 Uhr startet Lufthansa-Flug LH 013 von Hamburg in Richtung Frankfurt. 150 Fluggäste sind an Bord, Geschäftsreisende, Wochenendpendler. Kurz vor dem Start macht der Kapitän eine Durchsage: "Wir fliegen heute besonders umweltfreundlich." Ein Triebwerk des Airbus A321 wird mit herkömmlichem Treibstoff betankt, das andere mit einer Mischung aus Kerosin und Bio-Sprit. Sechs Monate testet die Lufthansa AG den neuen Brennstoff, achtmal täglich hebt der Flieger ab. Etwa 6,5 Millionen Euro kostet das Forschungsprojekt. Das Unternehmen will in dieser Zeit den Ausstoß von Kohlendioxid um 1500 Tonnen reduzieren.
Es ist der erste Langzeittest mit Bio-Sprit im kommerziellen Betrieb. Die Branche steht unter Druck: Ab 2012 müssen Fluggesellschaften in der Europäischen Union Zertifikate kaufen, sobald sie mehr Schadstoff produzieren als vereinbart. Für die Luftfahrt ist der Bio-Sprit eine wichtige Investition in die Zukunft.
Doch es gibt auch warnende Stimmen; vor allem mit Blick auf die Hungerkatastrophe in Afrika wird die Kritik laut. "Die schlimmen Hungersnöte in Somalia, Kenia und Äthiopien werden durch extrem hohe Nahrungsmittelpreise angeheizt", sagt Ralf Südhoff, der Leiter des deutschen Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), dem Abendblatt. Gerade jetzt müsse die Diskussion geführt werden, ob die Förderung von Bio-Sprit Hungerkrisen verschärfen könne.
Es ist eine gefährliche Konkurrenz, die mit dem massenhaften Verbrauch von Bio-Kraftstoff entstehen könnte. Eine zwischen Tank und Teller. Die Folgen der Nahrungsmittelknappheit am Horn von Afrika bleiben laut Hilfswerk Caritas International noch bis ins nächste Frühjahr oder gar Mitte 2012 spürbar. Die Welternährungsorganisation FAO erwartet weltweite Hungeraufstände. Und die Preise für Lebensmittel steigen weiter an. Doch der weltweite Hunger nach umweltschonendem Brennstoff braucht genauso Ackerflächen wie der Getreideanbau für Brot. In den USA geht bereits ein Drittel des Mais in die Produktion von Ethanol. Entscheidend ist für Südhoff vom WFP, wo die Rohstoffe für den Bio-Sprit herkommen und wie sie angebaut werden. "Die Standards bei der Produktion des Bio-Brennstoffs legen beispielsweise teilweise fest, dass für den Anbau kein Regenwald abgeholzt werden darf." Es gebe aber keine Regularien, die Kleinbauern vor Vertreibung schützen.
Die Deutsche Lufthansa räumt ein, dass die Bio-Treibstoffe bislang nur in sehr geringen Mengen zur Verfügung stehen. "Die nachhaltige Industrialisierung ist wesentliche Aufgabe von Forschung und Industrie. Dabei muss gewährleistet werden, dass die Produktion von Bio-Kraftstoff nicht in Konkurrenz zum Anbau von Nahrung steht", sagt Sprecherin Stefanie Stotz dem Abendblatt. Die Lufthansa setzt bei den Tests nicht auf Raps, Zuckerrohr oder Mais, sondern vor allem auf tierische Fette, auf Camelina als ein Getreide mit hoher Ölkonzentration und auf die Ölsamen der Jatropha aus Mosambik. Diese Gewächse können auch auf unfruchtbaren Böden angebaut werden, schonen Wasser - und besetzen nicht wertvolles Ackerland. Dennoch befürchten Entwicklungshelfer, dass der Anbau von Jatropha die Landkonflikte in Mosambik verschärfen könnte.
Die Debatte zeigt: Der Wettbewerb zwischen der Herstellung von Nahrung und Brennstoff birgt eine Chance. Allerdings nur, wenn die Bauern in den Anbauländern profitieren. Erzielen sie mit Brennstoff-Produktion höhere Gewinne, können sie diese in die Anbaumethoden investieren und ihre Ernten steigern. Preise für Nahrung könnten sinken. Ob am Ende durch den Einsatz von Bio-Sprit auch der Ausstoß von CO2 sinkt, ist umstritten. Zwar wird bei der Verbrennung nur eine geringe Menge Kohlendioxid freigesetzt - die Herstellung des Bio-Brennstoffs kostet zum Teil jedoch sehr viel Energie.